First Love: Der Boxer und die Hure

Seine Deutschlandpremiere feierte „First Love“ beim Fantasy Filmfest 2019. Obwohl der japanischen Regisseur Takeshi Miike von Fans und Feuilleton gleichermaßen gefeiert wird, fand sich dann doch kein Verleih für einen regulären Kinostart. Nun hat Eurovideo die brutal-groteske Love Story als Home Entertainment Premiere auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht. Und sagen wir mal so: Der Meister erklimmt ungeahnte Genre-Gipfel.

Der hoffnungsvolle Nachwuchsboxer Leo (Masataka Kubota) ist von der Rolle. Vor ein paar Tagen hat er seinen ersten Kampf verloren, dann hat ihm der Arzt eröffnet, das Leo aufgrund des erlittenen Kopftreffers nie wieder Boxen darf. Nun streift der junge Mann geistesabwesend durch die Nacht, bis er die Stimme einer jungen Frau hört. „Rette mich.“ Flüstert die drogensüchtige Prostituierte Monica (Sakurako Konishi), die gerade Entzug leidet und halluziniert, ihr Freier wolle sie umbringen.

Leo stoppt den vermeintlichen Übeltäter, nicht ahnend, dass der korrupte Cop, den er gerade niedergestreckt hat, noch ganz andere Geschäfte am Laufen hat. Der korrupte Polizist hat sich von einem Yakuza-Gangster überreden lassen, der chinesische Triade in der Stadt eine Drogenlieferung abzunehmen. Die nichts ahnende Monica hat das Pech, dass ausgerechnet ihr Lude auch der Lieferant der Chinesen ist.

Boxer Leo hat nun seine erste Liebe gefunden und an der Backe. Die (noch jüngfräuliche!) Prostituierte beschert ihm jede Menge existentielle Probleme, denn er gerät mitten in einen Bandenkrieg. Nicht nur für den Cop und seinen Geschäftspartner läuft die Sache komplett aus dem Ruder.

Man kann „First Love“ einfach mit offenen Augen ansehen und sich darüber freuen (oder wundern) zu welchen Figurenkonstellationen der japanische Actioner sich erhebt und welch erstaunlichen Wendungen den Charakteren zustoßen. Von Schicksal möchte man weniger reden, wenn Japans berühmt berüchtigter Filmmacher Takesi Miike seine Finger im Spiel hat.

Miike ist bekannt für seine Ausflüge ins Genrekino und auch für seine recht explizite Gewaltdarstellung. Auf diesen Seiten wurden bereits ein paar seiner bereits über 100 Filme vorgestellt („13 Assassins“ 2010, „Blade of The Immortal“ 2017, „Hara-Kiri“ 2011 und „Lesson of the Evil“ 2012). Etliches kommt hierzulande, beziehungsweise außerhalb Japans kaum auf den Markt. Die Sprachbarriere sorgt also dafür, dass eine kompetente Werkschau erheblich erschwert wird.

Man kann „First Love“ aber auch analytischer betrachten und sich dann fragen, wie originell ist das dargebotene Filmgeschehen tatsächlich. Sicher, Takeshi Miike ist ein Meister seines Faches, allerdings auch ein Vieldreher, der nicht selten mehrere Filme im Jahr abliefert. Da bleiben notgedrungen auch mal qualitative Aspekte auf der Strecke, oder die Drehbücher haben so ihre Eigenheiten.

Wer schon den einen oder anderen Gaunerfilm gesehen hat, wird den Auftakt zu „First Love“ vielleicht als gemächlich empfinden. Dafür stimmt dann wieder die Beschleunigung. Vielleicht hätte man auch die eine oder andere Figur etwas weniger Stereotyp ausgestalten können. Aber all diese Aspekte fegt „First Love“ hinweg wie eine Flutwelle und überzeugt mit schierer Wucht.

„First Love“ wird vom Verleih als „Tarantinos „True Romance“ auf LSD und Speed“ beworben. Das ist in gewisser Weise nicht falsch und sollte seinem Zweck dienen, Filmfreaks auf Miikes Liebesgeschichte aufmerksam zu machen. Gleichwohl hat Japans Vielfilmer den Vergleich überhaupt nicht nötig. Aber zurück zum Film.

Das Setting ist in mehrfacher Hinsicht absolut nichts außergewöhnlich.- Die Love Story zwischen abgetakelten Protagonisten aus dem Milieu ist quasi ein Klischee, eben jenes vom harten Kerl und dem gefallenen Engel. Auch kann man nicht behaupten, dass der Bandenkrieg zwischen zwei Großmächten des organisierten Verbrechens eine Innovation im Gangsterfilm darstellt.

Allerdings verknüpft Takeshi Miike die beiden Story Elemente auf sehr unterhaltsame und auch unorthodoxe Weise. So kann sich aus einem scheinbar bekannten Setting ein erfrischendes, blutrünstiges Epos vom aufrichtigen Liebespaar entfalten. Das hat zwar definitiv keine sozialkritische Komponente, aber der Showdown im Baumarkt hat ein ausgesprochenes Arbeiterethos. Hier wird zugepackt und weggerockt.

„First Love“ spielt sehr gekonnt und rabiat mit Genre-Konventionen, variiert intuitiv das Erzähltempo, wechselt Perspektiven wie Socken und erschafft so ein opernhafte Opulenz. Das sieht man in dieser Konsequenz, diesem Blutrausch und mit diesen bissigen schwarzen Humor auf selten. Das kommen nicht nur Genre Fans auf ihre Kosten, aber Vorsicht, der Film hat zurecht keine Jugendfreigabe.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

First Love
OT: Hatsukoi
Genre: Drama, Thriller, Action
Länge: 108 Minuten, J, 2019
Regie: Takeshi Miike
Darsteller: Masataka Kubota, Sakurako Konishi, Takahiro Miura, Jun Murakami
FSK: ohne Jugendfreigabe
Vertrieb: Eurovideo
DVD- & BD-VÖ: 05.05.2020