Die BBC-Adaption von J.B. Priestleys Theaterklassiker „An Inspector Calls“ kann sich durchaus sehen lassen. Das Stück, das 1912 angesiedelt ist, spielt geschickt mit Elementen des Krimis und des Sozialdramas. Trotz etlicher Verfilmungen tragen die Ausstattung und ein tolles Ensemble zum Gelingen von Aisling Walshes 2015 gedrehtem „An Inspector Calls“ bei. Pandastorm hat diese Theateradaption hierzulande nun für das Home-Entertainment auf DVD veröffentlicht.
Im wohlhabenden Hause Birling feiert man im kleinen Kreise Verlobung. Tochter Sheila (Chloe Pirie) hat will sich mit Gerald Croft (Kyle Soller), dem Sohn eines konkurrierenden Unternehmers, vermählen. Sheilas jüngerer Bruder Eric (Finn Cole) beäugt das junge Glück eher spöttelnd, aber die Eltern Sybil (Miranda Richardson) und Arthur (Ken Scott) wissen, dass ihre Tochter eine gute Partie gemacht hat und versorgt sein wird.
Nach dem Dinner taucht überraschend Inspektor Goole (David Thewlis) im Haus auf. Man denkt sich wenig, da Arthur Birling auch noch Richter ist, doch dann berichtet der Inspektor vom Selbstmord der jungen Eva Smith (Sophie Rundle) und befragt der Reihe nach alle Anwesenden. Es stellt sich heraus, dass alle Anwesenden die junge Frau kannten.
Der britische Autor und Dramatiker John Boynton Priestley schrieb „ An Inspector Calls“ kurz nach dem zweiten Weltkrieg und das Stück wurde bald in London und Moskau uraufgeführt. In dem Setting des Stückes herrscht eine Starke Einheit von Zeit und Raum, was durch die Störung eines Polizisten den Charakter eines klassischen „Whodunnit“ Auflösungs-Showdowns hat, bei dem alle Verdächtigen in einem Raum versammelt werden. Allerdings nutzte das Stück diese Konzentration eher dazu, soziale Missstände und Klassenbewusstsein im Vereinten Königreich vor dem Ersten Weltkrieg zu thematisieren.
So zeitlos die Themen und Konflikte in dem Stück auch sein mögen, bisweilen kommt einem der Gedanke, dass kriminalistische Setting sei eher missverstanden worden, denn so wenig wie Spannung aufkommt, so wenig sind die Anwesenden auch Verdächtige in einem Tötungsdelikt. Inspektor Goole macht recht unmissverständlich deutlich, dass der Selbstmord kaum zu bezweifeln ist. Es geht also darum, inwieweit die Anwesenden eine Art moralische Verantwortung an dem tragischen Tod und den Entwicklungen dorthin haben.
So stark die Parabel auch ist, „An Inspector Calls“ ist und bleibt eine sehr konstruierte Angelegenheit. Solcherart belehrende Bühnenstücke sind legitim und einige der modernen Klassiker funktionieren ebenso. Allerdings kam Priestleys Stück auch eine ganze Weile aus der Mode, wurde als burgeoises Kammerspiel abgetan und selten aufgeführt. Immer wieder wird der „Inspektor“ dann aber hervorgekramt und mit neuem Leben versehen. Renommiert und umjubelt im Falle von Stephen Daldrys Bühnenaufführung 1992, quotenträchtig im Falle diverser TV-Adaptionen.
Regisseurin Aisling Walsh, die mit ihrer hinreißenden Künstlerbiographie „Maudie“ (2016) den Sprung von Fernsehen auf die große Leinwand schaffte, bleibt in ihrer Inszenierung von „An Inspector Calls“ dem Vorbild sehr treu. Zwar gibt es, eingebettet in die jeweilige Befragung, auch immer bebilderte wohl ausgestattete Ausflüge in Evas Leben, also ein Verlassen des herrschaftlichen Esszimmers, in dem jene Befragung stattfindet, aber im Wesentlichen hält sich der Geist jener „Bretter die die Welt bedeuten“ ziemlich stark. Man kann das als Qualität sehen, oder etwas steif finden.
Die BBC-Verfilmung von „An Inspector Calls“ ist sehr klassisch gehalten und bleibt nahe am Werk. J.B.Priestleys Bühnenklassiker wirkt bisweilen etwas aus der Zeit gefallen, Aisling Walshes Verfilmung lebt vom starken Ensemble. Ein Ausflug in ein untergegangenen Kultur.
Film-Wertung (6 / 10)
An Inspector Calls
OT: An Inspector Calls
Länge: 86 Minuten, UK, 2015
Genre: Krimi, Drama,
Regie: Aisling Walsh
Theaterstück: J.B. Priestley
Darsteller: David Thewlis, Ken Scott, Sophie Rundle, Miranda Richardson
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Pandastorm
DVD-VÖ: 15.01.2019
BD-VÖ: 19.11.2021