Beast: Kein Mensch ist eine Insel

Wie wäre es, in einen vermeintlichen Mörder verliebt zu sein? Aus diesem klassischen Thriller-Motiv entwickelt das beeindruckende britische Drama „Beast“ ein hypnotische Geschichte um eine junge Frau, die mit ihrer Stellung als Außenseiterin hadert. Filmmacher Michael Pearce siedelt sein ausgezeichnetes Spielfilmdebut auf seiner Heimatinsel Jersey an. Neben starken Schauspielerleistungen hat „Beast“ also auch landschaftliche Schauwerte zu bieten. Das hätte auch auf der großen Leinwand eine Berechtigung gehabt, aber hierzulande erscheint „Beast“ als Videopremiere auf DVD und Blu-ray.

In ihrer Familie wird die 27-jährige Moll (Jessie Buckley) mit viel Vorsicht und Vorbehalten behandelt. Aufgrund eines Vorfalls in der Kindheit gilt Moll als unberechenbar, ein „Wildgfang“. Nun lebt sie wieder im Elternhaus und neben ihrem Job als Touristenführerin passt sie auch auf den Vater auf, der betreut werden muss. Als ihre Schwester ausgerechnet auf Molls Geburtstag ihre Verlobung bekannt gibt, schwänzt Moll ihre eigene Party und geht Tanzen.

Gegen morgen wird die Club-Bekanntschaft aufdringlich und nur das plötzliche Auftauchen des mysteriösen Wilderer Pascal (Johnny Flynn) hilft Moll aus der beklemmenden Situation. Zwischen den beiden Einzelgängern entspinnt sich eine sanfte Romanze. Die wird allerdings schnell getrübt, als ein ermordetes Mädchen aufgefunden wird und sich die Polizei auf Pascal als einzigen Verdächtigen eingeschossen hat. Moll hat es plötzlich nicht nur mit dem Gegenwind ihrer dominanten Mutter (Geraldine James) zu tun, sondern mit gesellschaftlicher Ausgrenzung ganz anderen Kalibers.

Der Wildfang und der Schweigsame

Bein einem Interview auf dem Sundance-Festival erwähnte Filmmacher Michael Pearce, dass die Kriminalhandlung lose auf einem realen Vorfall basiere. Der habe sich in den 1960ern auf Jersey ereignet und war noch bis in die Kindheit des Regisseurs berüchtigt. Für das Thriller-Drama ist das von geringer Bedeutung, wichtig aber ist, dass „Beast“ auf einer Insel spielt. Inseln sind immer spezielle Orte zum Leben und die natürliche Abgeschiedenheit und Begrenztheit wirkt sich auch auf das Wesen der Insulaner aus. Jersey, das als Insel im Ärmelkanal nahe an der französischen Küste liegt, aber dennoch zu Großbritannien gehört, war schon immer eine reiche und begünstigte Insel. Das Leben hier ist geordnet und gesittet und für Abweichungen ist kein Raum.

Überraschenderweise ist Jersey selten mal Handlungsort für etwaiges Film- oder Seriengeschehen. Ich erinnere mich, dass Christopher Plummer als „Spion zwischen zwei Fronten“ (OT: „Triple Cross“, 1966) im zweiten Weltkrieg auf Jersey geschnappt und zum Doppelspion umfunktioniert wurde. Ansonsten passt „Beast“ mit seinem Insel-Charme und der tollen Felsenküste eher zufällig in die lose Reihe von Inselfilmen, die auf diesen Seiten vorgestellt wurden. Dabei haben „Der Esel hieß Geronimo“ und „Insel der hungrigen Geister“ komplett andere Ausrichtungen.

Die Insel als abgeschlossenes Biotop

Zurück zu „Beast“: Micheal Pearce und Kameramann Benjamin Kracun („Beats“ lief unter anderem beim Filmfest Hamburg 2019) machen wenig Aufhebens um die landschaftlichen Schauwerte Jerseys. Wenn es der Geschichte dient, wird die Landschaft genutzt und sorgsam präsentiert. Das Herzstück von „Beast“ ist die Entwicklung und Liebe von Moll, die von Jessie Buckley mit viel Herzblut und Präsenz dargestellt wird. Die Charaktere der Nebenfiguren scheinen mir allerdings etwas zu schlicht und zu eindimensional gezeichnet. Doch Pascal und Moll entwickeln eine soghafte Romanze, eine irritierende, weil immer zwiespältige Beziehung. Und „Beast“ erzählt erstaunlich differenziert über den Einfluss, den Gerede und öffentliche Meinungen auf den Einzelnen und die Gemeinschaft haben können.

Der Film wirkt aber vor allem aufgrund der großartigen Jessie Buckley. Ihr Charakter ist wahrlich nicht einfach zu fangen, den die junge Frau wird von ihrer Mutter und der Familie mit perfider Psychologie und latent schlechtem Gewissen ruhiggestellt, der emotionale Ausbruch scheint unausweichlich. So ist die bedingungslose Beziehung zu Pascal ebenso ambivalent wie verheißungsvoll. Jessie Buckley bringt das auf den Punkt. Man sollte sich die junge irische Schauspielerin und Sängerin ruhig merken, denn in den nächsten Wochen und Monaten starten mit „Wild Rose“ (Kinostart 12.12.2019) und „Judy“ (02.01.2020) weitere sehenswerte Filme mit der lebendigen Rothaarigen, die ebenso schon mal in einer Folge der zweiten Staffel von „Der junge Inspektor Morse“ zu sehen war (allerdings mit schwarzem Haar) wie in der starken Mystery-Serie „Taboo“.

Alles in allem ist „Beast“ ein beachtliches Drama, das eine außergewöhnliche Liebesgeschichte überraschend erzählt, sein Thriller-Motiv dabei clever nutzt und auf eine wunderbaren Hauptdarstellerin setzt, die den Film auch durch seine schwächeren Momente trägt.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Beast
OT: Beast
Länge: 107 Minuten, GB, 2017
Genre: Drama, Thriller,
Regie: Michael Pearce,
Darsteller: Jessie Buckley, Geraldine James, Johnny Flynn
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Mfa, Alive
DVD-& BD-VÖ: 25.10.2019