Andere Länder haben auch schöne Krimi-Serien. Man munkelt, die ARD hätte angesichts einer Talk-Sommerpause nun endlich Gelegenheit gehabt, am Sonntagabend auch mal ausländische Krimis zu zeigen. Die neuseeländische Mystery-Produktion „Brokenwood“ erweist sich dabei als sehr charmant und humorvoll. In dem beschaulichen Örtchen Brokenwood geht es eher gemütlich als spannend und eher gesittet als brutal zu. Soweit ich beobachtet habe, waren in der ersten Staffel, die Edel Motion nun für den Hausgebrauch auf DVD veröffentlicht, keine Schafe im Bild und auch keine Hobbits. Na ja, ein halber, aber das sehen Sie am besten selbst.
So ein bisschen ist die Ankunft in der beschaulichen neuseeländischen Kleinstadt „Brokenwood“ wie eine Reise in die Vergangenheit. Wahrscheinlich liegt das allerdings nur daran, dass Detective Senior Sergeant Mike Shepherd (Neill Rea) in einem 70er Jahre Oldtimer durch die Gegend gondelt. In dem gibt es tatsächlich noch einen Kassettenrekorder. Sehr zum Ärger von Detective Constable Kristin Sims (Fern Sutherland), die sich in Shepherds Auto andauernd Country-Tapes anhören muss.
So ein bisschen fühlt man sich in den neuseeländischen Ort, von dem man nicht weiß wie viele Einwohner er wohl hat, wie in der englischen Landschaft Midsomer. Man würde sich nicht unbedingt wundern, wenn Inspektor Barnaby um’s Eck spaziert käme. Trotz gewisser Ähnlichkeiten was Zielgruppe und Art der Verbrechensdarstellung und –aufklärung angeht, haben die „Brokenwood Mysteries“ ihren eigenen Charme. Der resultiert zu einem nicht geringen Teil aus der herausragend zusammengestellten Filmmusik.
Beschauliches Städtchen mit hoher Mordrate
Mögen Sie eigentlich Country-Musik? Falls nicht, werden Sie ihre Meinung nach der ersten Staffel von „Brokenwood“ zumindest überdenken. Denn Kommissar Shepherd (was übersetzt „Schäfer“ heißt) hat nicht nur seine Schäfchen im Griff sondern auch einen sehr distinguierten Country-Geschmack. Das ist fernab von jedweder poppigen Modewelle. Es zeugt vielmehr von tiefer Hingabe zu einer Musik, die das Wesen der Leute auf dem Land und die Tragik der Existenz in tröstende Harmonien packt. Darin sind sich Blues und Country durchaus ähnlich, in ihrer volksnahen Verbundenheit ebenso. Normalerweise wird im Serienabspann ja selten einmal die Songauswahl aufgeführt, in „Brokenwood“ lohnt es sich mitzulesen.
Anfangs hat DC Sims den kauzigen, eher kräftigen Kerl, der da einfach auf der Straße parkte, nicht gerade für die kompetente Unterstützung bei den Ermittlungen gehalten, die ihr Boss angefordert hat. „In Blut und Wasser“ („Blood & Water“) kommt Shepherd gerade erst nach Brokenwood, um den vermeintlichen Selbstmord eines granteligen alten Witwers zu untersuchen. Der örtliche Polizeichef geht schwer auf die Rente zu. In diesem speziellen Fall ist er auch nicht gerade motiviert, denn die Frau des Toten wurde vor ziemlich genau zehn Jahren umgefahren. Der flüchtige Täter konnte nie ermittelt werden. Also macht sich der neu angekommene Städter mal an die Arbeit und macht sich in der ländlichen Umgebung auch gleich unbeliebt.
Trauben aus Neuseeland
Nachdem Shepherd am Ende seines ersten Falles in Brokenwood beschlossen hat zu bleiben, gibt es auch gleich etwas zu tun. Im zweiten Fall „Bitterer Wein“ (OT: „Sour Grapes“) wird ein Weinkritiker nach dem jährlichen Wettbewerb tot aufgefunden. Und zwar ertrunken in einem Bottich der Winzerin, die dieses Mal nicht wie gewohnt die Medaille einheimsen konnte. Da Amanda James (Josephine Davidson) zudem ein wenig speziell ist, fällt der Verdacht naheliegend auf die resolute Dame. Aber Shepherd, unlängst selbst Besitzer eines Weinbergs geworden, hat so seine Zweifel. Was für ein Glück, dass Shepherds neuer Nachbar, der Maori Jared Morehu (Pana Hema Turner), neben seinen vielseitigen Interessen und Begabungen auch noch etwas von Wein versteht.
In „Der letzte Abschlag“ (OT: „Playing the Lie“) findet die Golfer der Mittwochmorgenrunde auf dem Grün die Leiche der Besitzerin des Golfclubs. Wer gedacht hat, Golf sei ein Sport für alte Männer, möge sich warm anziehen. Hier in Brokenwood haben auch die Frauen einen starken Abschlag und Shepherd und Sims müssen tief wühlen, bis die undurchsichtigen Verhältnisse in diesem Golfclub endlich ans Licht kommen.
Im abschließenden vierten Fall „Tödliche Jagd“ (OT: „Hunting the Stag“) gehen drei Freunde auf die Jagd. Ausgerechnet Jaden Reid, der demnächst heiraten will, wird tot aufgefunden. Was nach einem tragischen Jagdunfall aussieht, könnte – theoretisch – auch Selbstmord gewesen sein. Verdächtig machen sich jedoch nicht nur die beiden Jagdkumpel. Auch die Braut irritiert, die das Hinscheiden ihres Beinahe-Gatten reglos hinnimmt und auch sonst absurde Erinnerungslücken zeigt.
Country Musik und Oldtimer
Hauptautor und Serien-Erfinder Tim Balme hat „Brokenwood“ so ein wenig konzipiert wie ein Miniatur-Neuseeland und daher hat die Serie all die schönen und kauzigen Seiten der Commonwealth-Inseln zu bieten. Auch die Charaktere sind breit gefächert und bilden einen plakativen Querschnitt durch die Bevölkerung. Dazu sind auch die Interviews im Bonusmaterial ganz aufschlussreich.
Das Polizeiteam in „Brokenwood“ überzeugt mit einer kumpelhaft ländlichen Arbeitseinstellung. Shepherds vermeintlich harmlose Art, Columbo zu spielen und immer noch die wichtigste Frage hinterherzuschieben, ergänzt sich wunderbar mit der jüngeren und engagierten Sims. Die merkt schnell, dass ihr neuer Chef Einiges auf dem Kasten hat. Außerdem wären da noch Sims rothaariger Kollege, der in der ersten Staffel vor allem für die Laufarbeiten eingesetzt wird sowie die verschrobene russische Gerichtsmedizinerin. Deren abgebrüht sibirische Wesensart sorgt immer wieder für ein paar schräge Momente. Inoffiziell greift Shepherd auch schon mal auf die Infos und Dienste seines halbseidenen Nachbarn Jared zurück. Das gibt der Serie einen leicht verwegenen Pfiff und macht den Kommissar, der auch mal fünfe gerade sein lässt, deutlich sympathischer.
Die mehrfach ausgezeichnete neuseeländische Krimi-Serie „Brokenwood“ überzeugt mit sympathischen Figuren, einer Spur Humor, viel Lokalkolorit und vor allem guten Dialogen und kniffeligen Kriminalfällen. Da darf man hoffen, dass bald Nachschub kommt. Immerhin ist man in Neuseeland bereits bei der fünften Staffel angekommen.
Serien-Wertung: (7 / 10)
Brokenwood – Mord in Neuseeland – Staffel 1
OT: Brookenwood Mysteries –Season 1
Genre: TV-Serie, Krimi,
Länge: 360 Minuten (4 x90 Min.) + Bonus
Serienidee: Tim Balme
Regie: Mike Smith (2x), Josh Frizzell, Michael Hurst
Darsteller: Neil Rea, Pana Hema Turner, Fern Sutherland
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Edel Motion
DVD-VÖ: 16.08.2019