Nicht weniger als „Das Ende ihrer chronischen Leiden“ verspricht der deutsche Untertitel der Ernährungs-Doku „Eating You Alive“. Selbstredend folgt vor dem Film dann doch der Hinweis, dass es sich nicht um ein medizinisches Programm handele. Die amerikanische Doku bringt dem Zuschauer keine wesentlich neuen Erkenntnisse nahe und hat als Film so ihre Macken, aber es geht um die Gesundheit und da ist (fast) jede Info willkommen. KSM veröffentlicht die Ernährungsdoku „Eating you Alive“ nun für das Home-Entertainment.
Es wird ziemlich schnell klar, dass die Macher der Doku „Eating You Alive“ so viele Menschen wie möglich erreichen wollen. Das Team um Regisseur Paul David Kennamer Jr. zielt dabei vornehmlich auf den us-amerikanischen Markt und amerikanische Gesundheitsprobleme. Allerdings sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Übergewicht in nahezu allen westlichen Gesellschaften weit verbreitet und eben diese chronischen Erkrankungen betrachtet die Doku von der Ernährungsseite her.
Das ist an sich nichts Neues und seit Morgan Spurlocks spektakulärem Fast Food -Selbstversuch „Super Size Me“ kommen immer wieder Dokus auf den Markt, die sich mit unserer Ernährung und den medizinischen und ökologischen Folgen beschäftigen. Auf diesen Seiten wurden da ja auch diverse Beispiele vorgestellt („Gabel statt Skalpel“, „Live and let Die“, „Cowspiracy“).
„Eating You Alive“ hat wohl keinen deutschen Titel bekommen, weil man den englischen Titel auf zwei Weisen lesen kann: Einerseits kann man sich gesund essen, andererseits isst einen falsche Ernährung bei lebendigem Leibe auf. Der Königsweg der Ernährung, der hier nicht nur von einschlägig bekannten Experten wie Neil Barnard und Caldwell Esselstyn Jr, sondern auch von den Prominenten Suzy Amis-Cameron und James Cameron sowie Samuel L. Jackson propagiert wird ist „pflanzliche Vollwert-Kost“.
Erstaunlicherweise kommt in der gesamten Doku nicht einmal das Wort vegan vor. Da scheinen sich Feindbilder und diätische Verzicht-Szenarien aufgebaut zu haben, die die Filmemacher besser nicht evozieren wollen. Es läuft darauf hinaus, sich vegan zu ernähren, um gesünder zu werden. Ich habe damit kein Problem, kann aus eigener Anschauung sagen, dass es einem damit besser geht, weise aber auch darauf hin, dass „Vollwert“ hier das Zauberwort ist. Zucker, Fett und Alkohol sind und bleiben Teufelszeug.
Soviel also zur inhaltlichen Ausrichtung der Doku „Eating You Alive“. Aber seit der Doku „Gabel statt Skalpell“ hat sich weder der Erkenntnisgewinn nicht vergrößert noch die Basis für industrielle Landwirtschaft oder die Profitmargen der Pharmaindustrie. Insofern gibt es auch wenig Neues zu sehen und es besteht die Gefahr, dass die Doku nur bei jenen Anklang findet, die eh schon auf dem Weg zu einer Nahrungsumstellung sind. Also predigen für die bereits Bekehrten. Viel interessanter und möglicherweise einflussreicher sind da Dokus, die ihren Betrachtungswinkel beträchtlich vergrößern und die Themen Ernährung und Gesundheit in einen Globalen Zusammenhang setzen („Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“).
Würde man irgendwo anfangen wollen, Ernährung überhaupt zu thematisieren, würde ich es auf folgenden Impuls reduzieren:
Esst weniger verarbeitete Lebensmittel!
Filmisch ist „Eating you Alive“ – wie auch seine Brüder und Schwestern im Geiste – eine harte Nuss. Dass eine Doku einen Standpunkt vertritt und nicht um Ausgewogenheit bemüht sein muss, ist seit Michael Moore und anderen Filmmachern durchaus gängige Mainstream-Praxis. Allerdings muss man sich auch immer den Angriff gefallen lassen, einen Werbefilm zu präsentieren. Die Recherche in diesem Fall ist gut, die Fallbeispiele typisch und die Präsentation der Ergebnisse der Ernährungsumstellung kommt immer mit einem Aha-Effekt. Das sind leider genau die Dramaturgien und Geschichten, die auch von Shoppingsendern in Verkaufs-Shows benutzt werden.
Zudem wird die gesamte Doku mit nahezu unerträglich gedudelter Hintergrundmusik unterlegt, die dermaßen austauschbar ist wie die Soundschnipsel frei verfügbar im Internet herumschwirren. Die deutsche Sprachfassung hat außerdem die Besonderheit, die ich als Manko empfinde, dass über das amerikanische Original gesprochen wird. Auch das kennt man vom Shopping-Sendern und anderen Info-Programmen. Alternativ wäre die englische Version mit Untertiteln anzuwählen. Diese sind gut gelungen.
Nichts an der Ernährungs-Doku „Eating You Alive“ ist spektakulär oder heraustragend. Handwerklich ist alles solide und mal mehr mal wenig unterhaltsam und lehrreich. Einzig das Thema ist es immer wieder wert, darüber zu berichten. Aufklärung über gesunde Ernährung über Wege der Selbstermächtigung und Informationsbeschaffung und über mögliche Krankheitsvorbeugung sind immer willkommen. In diesem Sinne ist jeder Zuschauer, der sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt ein Gewinn.
Film-Wertung: (6 / 10)
Eating You Alive
OT: Eating You Alive
Genre: Doku,, Ernährung, Gesundheit
Länge: 108 Minuten, USA, 2018
Regie: Paul David Kennamer Jr.
Mitwirkende: Neil Barnard, Andrew W. Saul, Caldwell Esselstyn Jr,
FSK: Infoprogramm ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: KSM
DVD-VÖ: 25.07.2019