Die eigene Herkunft lässt sich nur schwer verleugnen. Manch einer kehrt seiner Heimat in jungen Jahren den Rücken und kehrt im Alter dann doch wieder zurück. So auch Kommissar Erik Bäckström, der als Rentner wieder in sein nordschwedisches Heimatdorf zieht. Hier tummeln sich zurzeit wohl auch militante Ökoaktivisten. Wer aber seine Nase überall hereinsteckt und Polizeikollegen dann noch erklärt, wie sie ihre Arbeit zu machen haben, hat kaum Chancen, zum Rückkehrer des Jahres gewählt zu werden. Die schwedische Thriller-Serie „Jäger – Tödliche Gier“ ist im April bei Edel Motion für den Hausgebrauch erschienen.
Wenn es bei dem Namen Bäckström im Zusammenhang mit schwedischen Krimis irgendwie klingelt: richtig erinnert, da war mal was. 1996 schickte Regisseur Kjell Sundvall einen ambitionierten Stockholmer Kommissar zum Ermitteln in dessen nordschwedische Heimat („Die Spur der Jäger“, OT: „Jägarna“). Hier in Norbotten nahe der finnischen Grenze sangen die Wälder noch ewig und des Kommissars Bruder war unangenehmer Weise in einen Fall illegaler Elchjagd verwickelt. „Jägarna“ war bei seinem Erscheinen ein Kinoerfolg in Schweden und wurde in gewisser Weise auch stilbildend für das Genre des düsteren Thrillers skandinavischer Prägung, ebenen dessen, was heute als „Nordic Noir“ oder „Scandic Noir“ ein fest etabliertes und immer noch erfolgreiches Subgenre des Thrillers ist.
Gerade aus den Buchhandlungen und aus dem Fernsehformat sind Krimis aus Skandinavien nicht mehr wegzudenken. Aber wie das bei erfolgreichen Genres so ist, nicht alles gehört tatsächlich dazu und es gibt eine Bandbreite an Ausprägungen. 2011 schickte Regisseur Sundvall seinen Kommissar Bäckström, erneut gespielt von Rolf Lassgård („Sebastian Bergman“), noch einmal nach Nordschweden („Die Nacht der Jäger“, OT: „Jägarna 2“). Es galt, eine vermisste Frau zu finden. Erneut lieferte sich der Kommissar ein packendes Psychoduell mit einem unberechenbaren Widersacher (Peter Stormare).
Nun also kommt Bäckstrom anno 2019 zeitgemäß und wie so viele andere als Serien-Held wieder. Eigentlich auch nicht als Held, sondern als Anti-Held, der sich dann aber doch wie der Letzte der Aufrechten benimmt; umgeben von Idioten. Das Verbrechen blüht überall, auch und gerade im heimischen Naturwald. Aber der Reihe nach.
Bäckström will sich zur Ruhe setzen. Dabei gehen die Ansichten über „Wollen oder müssen?“ durchaus auseinander. Die örtliche Polizeichefin Sanna sagt, Bäckström wäre rausgeflogen und hätte seine Polizeimarke noch nicht abgegeben. Der Ex-Kommissar selbst erzählt seinem Neffen Peter, der auch Polizist geworden ist, er wäre freiwillig gegangen. Nachdem er einige Kollegen bloßgestellt hatte, die einen Unschuldigen einknasten wollten.
Dem nordschwedischen Kaff geht es wirtschaftlich nicht gut. Der Geschäftsmann Markus Lindmark (Pelle Heikkilä) hofft allerdings, den Bergbau in der Gegend wiederbeleben zu können. Die Gutachten sind hoffnungsvoll und es gibt Verhandlungen mit einem südafrikanischen Bergbau-Konzern. Dann wird auf Lindmark geschossen und der Verdacht fällt auf Ökoaktivisten. Bergström mischt sich ein, auch weil er sich wie so viele im Ort von den Bergbau-Plänen eine Zukunftsperspektive verspricht. Doch so ganz astrein sind die Geschäfte von Lindmark nicht und er hat nicht nur unter dem vermeintlichen Aktivisten Feinde.
Erik Bäckström wird Sicherheitschef von Lindmark, obwohl Eriks Schwester, die mit Lindmarks Bruder (Sanko Sarkola aus „Bordertown“) zusammen ist, ihm davon abrät. Doch schon bald eskalieren die Geschehnisse, das Bergbau-Projekt wird immer windiger, die örtliche Polizei erscheint immer zwielichtiger, und Bäckstrom ermittelt rigoros auf eigene Faust und ohne Rücksicht auf Verluste. Eine alte Schulfreundin, mit der Erik anbandelt, weiß nicht, was sie davon halten soll:
„Ich dachte du willst hier leben? Das geht nicht, wenn du alles zerstörst.“
Das Gelungene an „Jäger –Tödliche Gier“ ist, dass die Serienmacher, nicht einfach einen Aufguss oder eine neue Version der erfolgreichen Thriller auf den Bildschirm werfen, sondern sie entwickeln eine Fortschreibung. Handlungsort und Hauptfigur sind dieselben und sorgen für Kontinuität. Das Momentum, das die Handlung motiviert, ist aber vor allem die Charaktereentwicklung Erik Bäckströms. Sein Lebensweg und die Verbitterung treiben ihn zurück in die Welt seiner Jugend. Anfangs will er, ganz wie Fox Moulder in dem Mystery-Serien-‚Klassiker „Akte X“, glauben. Glauben, an das Gute im Menschen, an einen Ruhestand in Ruhe und Harmonie, an einen Aufschwung seiner Heimat.
Dann aber zeigt sich doch wieder die räudige menschliche Natur. Der romantische Zyniker reagiert mit bekanntem, weil eingebranntem Modus operandi, der zwar stets die Wahrheit zu Tage fördert, aber auch verbrannte Erde hinterlässt. Schaut man in diesen Szenen genau hin, erkennt man in dem gealterte Kommissar keineswegs den Hardliner von früher. Der Pensionär gesteht seinen Gegenspielern zunächst immer eine Grauzone zu, in der sie sich bewegen und verkriechen können. Aber mit solcherlei „geführter Freiheit für eine größere Sache“ muss der sündige Mensch auch umgehen können.
Die beiden Regisseur der sechs 45-minütigen Folgen der ersten Staffel setzen auf ein gerüttelt Maß an Spannung, einige Naturaufnahmen, bei denen man automatisch nach der Fjällräven Outdoor-Klamotte greift, und vor allem auf melodramatische Elemente des gehobenen Psychodramas. Das ist handwerklich stark inszeniert, hat aber im Sinne der verbrecherischen Spannung durchaus leerlaufende Momente und das kriminalistische Konstrukt wird im Verlauf eigentlich immer nebensächlicher.
Die beiden Drehbuchautoren Björn Carlström und Stefan Thunberg haben beide bereits an den vorausgegangenen Thrillern mitgewirkt und sind so tief in der Gegend und den Charakteren herumspaziert, dass die oben genannten Aspekte der Miniserie sich mehr als positiv auswirken. Man kann das personengetriebene Kriminal-Drama sehr spannend finden, aber die Ausstrahlung im deutschen TV (ARD) hat sich mal wieder dazu bemüßigt gefühlt, die Serien-Kontinuität kurzer Folgen in drei spielfilmlange Episoden zu packen, deren unterschiedliche Titel („Der Goldrausch“, Die Jagd“, „Das nächste Opfer“) vermitteln, es würde sich um abgeschlossene Fälle handeln; was nicht der Fall ist. Die DVD-Veröffentlichung macht das nur zum Teil wieder wett.
Auffällig an „Jäger – Tödliche Gier“ ist die stilvolle Zurückhaltung mit der die Serienmacher agieren. Dort wo – gerade im „Nordic Noir“- sonst mit Düsternis und Brutalität nicht gegeizt wird, kommt die Serie nachgerade normal rüber. So schließt sich dann auch wieder ein Kreis: Dort wo man einst ein ganzes Genre begründete, ist man ein Vierteljahrhundert später von selbigem überholt worden. Eine andere Sichtwiese wäre, zu behaupten „Jäger –Tödliche Gier“ habe den Genrewahn hinter sich gelassen – sozusagen dekonstruiert.
Serien-Wertung: (7 / 10)
Jäger – Tödliche Gier Staffel 1
OT: Jägarna
Genre: TV-Serie, Thriller, Krimi,
Länge: ca. 270 Minuten (6 x 45 Minuten), S, 2018
Regie: Jens Johnsson, Johan Lundin
Drehbuch: Björn Carlström, Stefan Thunberg,
Darsteller: Rolf Lassgård, Pelle Heikkilä, Annika Nordin, Sanko Sarkola
FSK: ab 12 Jahren
Vetrieb: Edel Motion
DVD-VÖ: 25.04.2019