Arctic Circle – Staffel 1: Vor der Schneekatastrophe

Das Cover verspricht den unsichtbaren Tod und das internationale Warnzeichen für „Biohazzard“, also biologisches Risiko, prangt bedeutungsschwanger um den Schriftzug der Thriller-Serie, die just als ZDF-Sonntagskrimi lief und nun bei Edel Motion für das Home-Entertainment auf DVD veröffentlicht wurde. Ja, es geht um tödliche Viren, da mag der Zuschauer wie auch der Rezensent zurzeit lieber anderen Unterhaltungsstoff zur Hand nehmen. Schlechtes Timing kann man den Machern freilich nicht unterstellen, denn die finnisch-deutsche Koproduktion lief bereits Ende 2018 auf einer finnischen Streaming-Plattform. Also, auf an den Polarkreis und in eine spannende Serie.

In dem finnischen Örtchen Ivalo lebt die alleinerziehende Polizistin Nina Kautsalo (Iina Kuustonen) und hat eigentlich mehr mit ihrer Familie zu tun als mit ihrer Karriere. Dann allerdings stoßen Nina und ihr Kollege bei der Kontrolle eines Hofes auf eine eingesperrte und verwahrloste Frau. Als dann die Schnösel von der finnischen Bundespolizei aus Helsinki übernehmen, passt es der ambitionierten Nina dann aber auch wieder nicht.

Etwas an dem Auffinden der jungen Frau, die sich als russische Prostituierte herausstellt, macht die Polizistin stutzig und kurz darauf findet man auf dem Gehöft noch zwei Frauenleichen. Vom vermeintlichen Täter, dem Bauern Raunola, weit und breit keine Spur. Dafür aber etwas sehr Beunruhigendes: Bei den Routine-Tests des Opfers stellen die Ärzte ein unbekanntes Virus fest. Als der deutsche Virologe Thomas Lorenz (Maximilian Brückner) hinzugezogen wird, kann er das Virus identifizieren und drängt darauf als Experte nach Lappland zu gehen, damit sich der Erreger nicht ausbreitet. Lorenz arbeitet bei der europäischen ECDC in Helsinki, weil er mit einer Finnin verheiratet ist.

Das European Center for Desease Prevention and Control (ECDC) schickt mit der finnischen Polizei ein Team nach Ivalo. Weder die Suche nach dem Serienmörder, noch nach der vierten verschwundenen Russin, noch nach den Patienten Null, der das Virus in Umlauf gebracht hat, zeigen schnelle Erfolge. Bei der Identifizierung weiteren Infizierten wird auch Ninas jüngere Schwester Marita (Pihla Vitala) in Quarantäne gesteckt. Und der zwielichtige Chef eines Pharma-Konzerns, Markus Eiben (Clemens Schick) wird auf die Erkrankung in Europas Norden aufmerksam und zeigt Interesse, das über wirtschaftliche Neugier hinauszugehen scheint.

Während die gesamte Welt unter Ausgangssperre oder Kontaktverbot ausharrt und hofft, die derzeitige Corona-Virus-Krise möge in irgendeiner Form beherrschbar werden, kommt man ja nicht umhin, kurz auf das virologische Element dieser Thriller-Serie einzugehen. Wie eingangs erwähnt, die Wahrnehmung des Ausstrahlungstimings kann man den Machern kaum vorwerfen und das ZDF hatte bereits mit der Ausstrahlung begonnen, bevor die aktuelle Pandemie sich derart verstärkte. Schließlich geht es nur um eine Fiktion. „Arctic Circle“ ist wie alle Thriller um ein möglichst realitätsnahes Setting bemüht, damit der „Thrill“, die Bedrohung, auch rüberkommt. Hat der Zuschauer diese „Aktualitäts“-Hürde, erst einmal genommen, entwickelt sich die aufwändige finnische-deutsche Koproduktion zu einem ziemlich soliden Garanten für Spannung.

Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern Iina Kuustonen und Maximilian Brückner, die wohl sonst nie zusammen gespielt hätten, stimmt und manchmal kann ise die Serie auch tragen, wobei der Spot eindeutig auf der finnischen Polizistin liegt. Aber es sind auch die großartigen landschaftlichen Schauwerte, die das finnische Lappland atmosphärisch stark und jahreszeitlich kalt einfangen, die „Arctic Circle“ sehenswert machen. Da merkt man schon, dass Regisseur Hannu Salonen ein ordentliches Budget zur Verfügung hatte. Angeblich die höchsten Produktionskosten, die je in Lappland ausgegeben wurden. Schicker als bei den Kollegen von „Bordertown“ sieht es in Ivalo allemal aus. Vor allem zwei der Locations sind wahrlich spektakulär, aber die wird jeder selbst entdecken.

Regisseur Salonen ist zwar Finne, dreht aber seit ewigen Zeiten in Deutschland und hat ein paar Tatorte ein paar Folgen „Schuld“ und einige „Toten von Bodensee“ auf dem Kerbholz. Allerdings kann er seinen namhaften Cast nicht immer souverän durch die Untiefen der Story führen. Die Drehbuchautoren geben sich alle Mühe, diverse Handlungsstränge aufzureihen und viele Elemente und auch Privatleben der Hauptfiguren anzureichern, damit „Arctic Circle“ in allem Belangen satt macht.

Allerdings ist das bisweilen auch ein wenig zuviel. Die eifersüchtige Gattin des Virologen Lorenz beispielsweise ist weder eine falsche Fährte noch ein bereicherndes Element, sondern einfach nur Zeitverschwendung. Ebenso verhält es sich mit einigen der „falschen“ Fährten. Ermittlungssackgassen gehören zum Genre wie auch Momente die an „Fargo“ oder „Twin Peaks“ erinnern zu winterlichen Dörfern gehören, aber wiederholt denselben Cliffhanger zu verwenden und dann auch noch verpuffen zulassen ist schon abgeschmackt.

So ist auch die Suche nach dem Auslöser der Ansteckung, jenem „Patienten Null“ eine Sache, die sich erheblich länger hinzieht als es der Serie gut täte. Man kann schon ahnen, dass die kriminalistischen Verwicklungen in der Gegend am Polarkreis auch in den Nachbarstaat Russland reichen. So macht der „Nuttenbus“ vielleicht ein paar Touren zuviel. Allerdings machen das die sympathische finnische Polizistin und ihre familiären Probleme wieder wett. Die schwierige Beziehung zur Schwester und die komplizierte Betreuungssituation der Tochter, die an Down Syndrom leidet sind mitfühlend, aber ohne Kitsch in Szene gesetzt und ein Gewinn für das Format.

Die Suche nach dem Virus zeigt einige Elemente, die dem Thriller gestählte Zuschauer bereits anderweitig untergekommen sind und Geschäftigkeit sorgt an sich noch nicht für Spannung. Aber: Die winterlichen Schauwerte, die guten Darsteller und die letztlich doch packende Suche wissen über Staffellänge zu fesseln, ohne dass Zuschauer Frostbeulen bekommen. Ein bisschen mehr Polarlicht hätte es aber schon sein dürfen.

Serien-Wertung 7 out of 10 stars (7 / 10)

Arctic Circle – Staffel 1: Der unsichtbare Tod
OT: “Arctic Circle” Season 1 aka “Ivalo”
Länge: 429 Minuten (8 x 50 Min.), D/FIN, 2018
Genre: TV-Serie, Thriller,
Idee: Olli Haikka, Petja Peltomaa et al.
Regie: Hannu Salonen
Darsteller: Iina Kuustonen, Macimilian Brückner, Clemens Schick,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion, ZDF Enterprises
DVD-VÖ: 20.03.2020