What the Waters Left Behind: Die überschwemmte Stadt

Der argentinische Horror-Streifen „What The Waters Left Behind“ konnte international bei diversen Festivals auf sich aufmerksam machen; vor allem weil die Regie-Brüder Luciano und Nicolas Onetti ihre Grauensvision in einer beeindruckenden Kulisse filmten: Mitte der 11980er Jahre überschwemmte eine Springflut den Ort Epecuén, seither sinkt der Wasserspiegel kontinuierlich und offenbart verheerende Zerstörungen. In dem Horror-Streifen, der nun fürs Home entertainment erscheint, will ein Filmteam dort eine Doku drehen.

Seit das Wasser abfließt und große Gebiete der einstmals überschwemmten Stadt Epecuén wieder zugänglich sind, hat die Stadt einen morbiden Reiz entwickelt. Ein fünfköpfiges Filmteam will dort nun eine Doku drehen und hat dazu auch eine junge Frau dabei, die als kindliche Augenzeugin der Überschwemmung dabei war. Doch bereits kurz bevor der VW-Bus der Crew die Stadt erreicht, wird es seltsam. Die Tankstelle im Nirgendwo ist nicht nur total verdreckt, es scheint auch so, als wären die Betreiber extrem sonderbar und feindselig.

In der Ruinenstadt angekommen, geht es zunächst an Probeaufnahmen und an das Location Scouting, doch dabei passieren bereits seltsame Dinge. Irgendjemand hat die Benzinleitung des Transporters durchtrennt und ein mysteriöser Fremder taucht auf und bietet Hilfe an. Zudem wird die Augenzeugin der Doku auf einem Friedhof noch von einer Schlange gebissen. Nach und nach verschwinden die einzelnen Teammitglieder.

Um es kurz zu machen, die Gebrüder Onetti haben schon einige Horrorstreifen zusammen gedreht und „What The Waters Left Behind“ ist keine Perle des Genres. Der Film hat vor allem mit der atemberaubenden Location einen tollen Schauwert und macht auch ordentlich Gebrauch davon. Luftaufnahmen, Kamerafahrten und immer wieder eingesprengte marode Gebäude und Ruinen sind großartig anzuschauen.

Handlungsmäßig ist „What The Waters Left Behind“ (Der Originaltitel lautet übrigens „Los Olvidados“, was soviel heißt wie „Die Vergessenen“) ein typischer Hinterwäldler-Horror. Denn genau jene Vergessenen haben scheinbar seit der Flutkatastrophe hier gehaust und sich unter anderem von Katastrophentouristen ernährt. Das ist zwar alles optisch mit Filtern ganz ansprechend aufbereitet und mit knackiger Rockmusik aufgemotzt, kommt aber lange Zeit dramaturgisch nicht vom Fleck und entwickelt auch keine schaurige oder angsteinflößende Atmosphäre.

Sicher, die abgeranzte Tankstelle im Outback hat schon einen erheblichen Ekelfaktor, aber schaurig ist das nicht. Im Gegenteil, Zuschauer ahnen schnell, wohin der Hase läuft. Und tatsächlich: hinter dem martialischen Kuhschädelmasken verstecken sich bekannte Gestalten. Glücklicherweise bedienen sich die Filmmacher (die von „Los Olvidados”) nicht beim “Blair Witch Project” und malträtieren die Zuschauer mit wackliger Handkamera-Footage, ansonsten aber wird gerne bei den Klassikern des Genres entliehen oder gleich direkt abgekupfert.

Als Anhaltspunkte seinen hier nur „Texas Chain Saw Massacre“, „The Hills Have Eyes“ und vielleicht auch „Mad Max“ oder „Saw“-genannt. Wie auch immer, Brutalität und explizite Gewalt gehören zum Genre, sind in diesem argentinischne Beitrag aber sehr stumpfsinnig eingesetzt. Dabei ist es ein kleiner Insider-Gag, dass der Regisseur der Doku mit einem T-Shirt herumläuft, auf dem das Plakat des letzten Onetti-Films“Francesca“ aufgdruckt ist.

Das Setting der überfluteten Stadt erinnert mich ein wenig an den deutschen Mystery-Thriller „Wir sind die Flut“, der zwar auf etwas ganz anderes hinaus läuft, aber 2016 auch mit einer großartig gefilmten abgelegenen Küstenstadt aufwarten konnte. Auch „Heilstätten“ (2018) wusste seine Location-Ruine effektvoll einzusetzen, kam dann aber letztlich zu Deutsch mit einer Auflösung der Handlung rüber.

Man könnte fast meinen, die Brüder Onetti verstünden nichts vom klassichen Spannungsaufbau oder verzichten bewusst darauf. Das wäre dann auch schon wieder nihilistisch. Aber mal ehrlich, welche Chica würde ernsthaft das versiffte Klo auf der Tankstelle benutzen, wenn im Umkreis von etlichen Kilometern sonst kein Lebewesen ist. Sich am Straßenrand in die Büsche zu schlagen, wäre weit hygienischer und auch realistischer, ergo wahrscheinlicher. Aber nach Plausibilität hat bei Horror ja noch nie einer gefragt.

„What the Waters Left Behind“ hat seine Reize und ist ein solider Genrebeitrag, der vor allem auf ein junges und unerfahrenes Horrorpublikum abzielt, was angesichts der nicht vergebenen Jugendfreigabe absurd scheint, aber eine gewisse Genrelogik hat. Wer in seinem Kino-und Film-Leben bereits den einen oder anderen Horrorklassiker gesehen hat, wird schnell merken, dass „What The Waters Left Behind“ vor allem auf Hochglanz und Coolness poliert wurde, die aber – um im Bilde zu bleiben – extrem schnell in der Küstenhitze verdunsten.

Film-Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10)

What the Waters Left Behind
OT: Los Olvidados
Genre: Horror,
Länge: 93 Minuten, ARG, 2018
Regie & Drehbuch: Luciano & Nicolas Onetti
Darsteller: Augustin Pardella, Paula Brasca, Mirta Busnelli
FSK: ab 18 Jahren, keine Jugendfreigabe
Vertrieb: Busch Media
DVD- & BD-VÖ: 16.11.2018