Razia Sultan – Box 1: Bollywood in Serie

Indisches Kino hat einen Ruf zu verlieren und nicht umsonst wirbt Rapid Eye Movies mit dem Slogan „Bollywood macht glücklich“. Die farbenprächtigen, lebendigen überlangen Filme mit ihren Gesang- und Tanzeinlagen halten auch hierzulande Einzug. Spätestens seit der Bollywood-Sender ZeeOne auf Sendung gegangen ist, kommen auch indische Serienformate dazu. „Razia Sultan“ wurde 2015 produziert und machte vor allem Schlagzeilen, weil Netflix die indische Telnovela mit historischer Handlung ins USA-Programm genommen hat. Nun ist die erste Box der Serie „Razia Sultan“ mit 20 Episoden fürs Home Entertainment erschienen.

Die indische Telenovela „Razia Sultan“ basiert auf der Geschichte der gleichnamigen Sultanin von Delhi, die als eine der wenigen Frauen in der muslimischen Geschichte tatsächlich regiert hat. Razia – oder wie die verbreitete deutsche Schreibweise ist: Raziah – lebte im 13. Jahrhundert von 1205 bis 1240. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1236, setzte sie ihren Bruder ab und bestieg selbst den Thron. Dort hielt sie sich allerdings nur vier Jahre, bis sie von den Generälen der Marmeluken wieder entmachtet wurde.

Historische Vorlage

Aber keine Bange, so richtig auf historische Korrektheit hat es das indische Serienformat nicht abgesehen. Anders als die historischen Bollywood-Epen „Mohenjo Daro“ und „Bajirao & Mastani“, die beide auf diesen Seiten vorgestellt wurden und anders als die bisherigen, indischen Verfilmungen von „Razia Sultan“, richtet sich die TV-Serie an ein heutiges Publikum und will schlicht die Sehnsucht nach einer herrschaftlichen Palast-Idylle befriedigen. Die Serie, die in Indien in 170 (!) fortlaufenden Episoden ausgestrahlt wird, von denen jede etwa 23 Minuten lang ist, zeichnet in loser Handlungsabfolge den Weg der jungen Frau zur Herrscherin nach.

Gerade am Anfang geht es darum, den ebenso rebellischen wie neugierigen und gütigen Geist der jungen Heldin Razia (Pankhuri Awasthy) herauszustellen, die zunächst ihrem Vater, dem Herrscher, drei ganz persönliche Geschenke macht. Dazu muss sie ihrer Großmutter Shamshad Begum (Seema Kapoor) den gehorsam verweigern. Das sieht die Vorsteherin des Harems allerdings überhaupt nicht gerne.

Anschließend will Razia eine junge Sklavin, die sie für unschuldig hält, vor dem Tod retten und bricht dabei mit einer ehrbaren muslimischen Tradition. Nun stellt sich die Frage, ob und wie die Prinzessin bestraft werden soll, oder ob gar der Sultan sich beim Volk entschuldigen muss.

Rebellische junge Frau

Schon in den ersten sechs Episoden, werden auch historische Fakten verarbeitet, wie die Einführung einer neuen Silberwährung oder das rituelle Ende des Fastenmonats Ramadan, das zugleich den Schawwal einleitet. In beiden Fällen gerät die junge Heldin in Konflikt mit der Tradition und der Ordnung. Das hat zwar durchaus einen emanzipatorischen Aspekt, aber der wird in der Dramaturgie der indischen Telenovela nicht so recht dramaturgisch ausgebaut. Vielmehr zeigt sich die junge Razia als jemand mit großem Herzen, die zu impulsiven Handlungen neigt und damit Prozesse in Gang setzt. Im Grunde bleibt Razia also in ihrer Frauenrolle verhaftet.

Vom Format her ist „Razia Sultan – Die Herrscherin von Delhi“ eine typische Telenovela wie sie auch in Südamerika produziert werden und sehr populär sind. Hierzulande sind Formate wie der Klassiker „Lindenstraße“, Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und ähnliche von Aufbau und Dramaturgie ähnlich konzipiert. Die Handlung in „Razia Sultan“ ist fortlaufend, aber die Häppchen, die in jeder Folge präsentiert werden, sind derart übersichtlich, dass der Quereinstieg schnell zu handhaben ist, beziehungsweise es nicht viel ausmacht, wenn mal eine Folge verpasst wird.

Palastintirigen

Nachdem die junge und quirlige Heldin etabliert ist, kommen auch die Rivalen um den Thron ins Spiel, die sich im Laufe der ersten 20 Folgen auch noch um die Thronfolge duellieren. Selbstredend ist der eine ein guter, sympathischer Junge und sein Gegenspieler ein hinterhältiger Jüngling, der von seiner Machtgierigen Mutter getrieben wird. Zudem – und zu Razias Verwirrung kommt auch noch ein mysteriöser Held ins Spiel, der sich durchaus als „Love Interest“ für die junge Prinzessin herausstellen könnte.

Die Zutaten für eine deftige historische Dramulette stehen bereit und werden von den diversen Regisseuren und Drehbuchautoren des Produktionsteams munter durcheinander gemischt. Das hat durchaus seinen Unterhaltungswert, hat aber im Gegensatz zum Bollywood-Kino keine Tanz-und Gesangseinlagen zu bieten. Das ist recht schade, da sich das Format mit seinen wiederkehrenden Stilmitteln anbieten würde auch in jeder Folge eine kleine musikalische Einlage einzubauen.

Wie auch immer, das indische Serienformat ist bei weitem nicht so ausgetüftelt oder sophisticated wie man das nach westlichen Maßstäben gewohnt ist und wie sich das zum Serien-Binging von „Game of Thrones“, Victoria“ oder „Poldark“ eignet. Die indische Telenovela ist definitiv dazu gemacht, eine breite Zielgruppe ins Träumen und schwelgen zu bringen.

indische Telenovela

Die farbenfrohen Kulissen und die bunten Gewänder laden zum Schwelgen ein. Das wird allerdings erschwert, da die Serien-Produktion im Grunde wenig Schauwerte zu bieten hat. Es gibt einige Action-Sequenzen, die sich vor allem durch Superzeitlupen auszeichnen. Ein Stilmittel übrigens, dass die Produzenten auch bei emotionalen Close-up im Übermaß einsetzen. Dazu kommt ein musikalisches Konzept, das unterschwellig eine Dramatik und Dringlichkeit vermittelt, die der Eleganz und ruhe der Bilder komplett entgegenläuft. Musik soll hier ersetzen, was an Mimik und Darstellung nicht gezeigt wird.

Das hat nicht unbedingt etwas mit der Kunst der Schauspieler zu tun, sondern mit einer anderen Tradition der bewegten Bilder. Bilderverbot im Islam ziehen sich traditionell durch etliche muslimische Religionsschulen und auch im Hinduismus deutet man Mimik und Gestik anders und weniger exaltiert als in westlichen Ländern.

Gerade am Anfang irritiert das Künstliche der Studiokulisse des Palastes doch erheblich, einfach, weil man anderes gewohnt ist, in späteren folgen kommen dann weiter Drehorte dazu und der artifizielle Charakter verschwindet ein wenig. Übrigens kann man nach der 20. Folge, also dem Ende der in der Box enthaltenen „Razia Sultan“-Folgen nicht direkt von einem Cliffhanger sprechen. Erstens gehört der ganz wesentlich zu dieser Art von Telenovela und zweitens wurden die Folgen alle fortlaufend produziert, so dass in der TV-Ausstrahlung nach der 20. Folge eigentlich kein Bruch vorgesehen ist.

Ein knappes Wort noch zu der Sprachfassung der TV-serie. In der Box ist nur die deutsche Synchronfassung enthalten. Die mag zwar inhaltlich ganz gelungen sein und wirkt großteils auch lippensynchron, aber es entstehen bei der Übersetzung absurde und ungewöhnliche Pausen und Betonungen, die in der Unterschiedlichkeit der beiden sprachen Deutsch und Hindi begründet liegen. Das ist kein Mangel, den man der Serie ankreiden kann, aber eine Originaltonspur und eventuell auch Untertitel hätten den Spaß sicher aufgewertet.

Alles in Allem ist die erste Box der indischen TV-Serie „Razi Sultan“ eine ziemlich bunte und liebliche Angelegenheit, die über das eine oder andere Klischee stolpert, aber auf Telenovela-Nivea gute Unterhaltung liefert. Die Historische Dimension dieser herausragenden Frauenfigur bleibt leider etwas auf der Strecke.

Serien-Wertung 5 out of 10 stars (5 / 10)

Razia Sultan
OT: Razia Sultan
Genre: Geschichte, Drama, TV-Serie
Länge: ca 400 Minuten (20 x ca 23 Min.), Indien,2015
Idee: Anshuman Sinah, Shailesh Singh, Surabhi Saral
Regie: Mukesh Kumar Singh, Arif Ali Ansari, Hasnain Haiderabadwala, et al.
Darsteller: Pankhuri Awasthy, Seema Kapoor, Zara Barring,
FSK: ab 12 Jahren
Bonus: erste Folge der Serie Jodha Akbar
Vertrieb: Alive, REM, ZeeOne
DVD-VÖ: 04.05.2018