Es gibt unterschiedliche Perspektiven, um den jüngsten Beitrag in Marvels Cinematic Universe zu beleuchten. Auf diesen Seiten wird es für Superhelden-und Comic-Fans ein bisschen nerdig und vielleicht auch ein bisschen politisch, vor allem aber gibt es etliche Gründe Marvel’s „Black Panther“ gehörig abzufeiern, auch wenn das Blockbuster-Adventure in technischer Hinsicht (mal wieder) einiges schuldig bleibt. Also auf nach Wakanda, mitten im Herzen Afrikas, das alles andere ist als das von Joseph Conrad beschworene „Herz der Finsternis“.
Vorab ein bisschen neuere Filmhistorie: Nach offizieller Zählart ist der Superhelden-Blockbuster „Black Panther“ der 18. Film in dem Marvel Cinematic Universe. Das beinhaltet inzwischen zwar auch die von Marvel/ Disney produzierten TV-Serien auf Netflix, also „Daredevil“, „Jessica Jones“ etc., aber immer noch nicht jene Superhelden-Verfilmungen, die aufgrund der Rechtelage von anderen Produktionsfirmen hergestellt werden. Und während sich Sony mit dem jüngsten „Spider-Man“-Film „Homecoming“ quasi unter Aufgabe der Spidey-Identität an das MCU rangeschmissen hat, halten die X-Men wacker Abstand und finden faktisch in einem anderen Film-Universum statt. So auch „Deadpool“.
Marvel Cinematic Universe – Phase III
Das MCU ist also im Grunde um die „The Avengers“ aufgebaut und befindet sich momentan in der dritten Phase. In der kommen auch neue Helden filmisch zum Zuge,die im Comic zwar schon seit Jahrzehnten dabei sind, aber nicht die konstante Leserschaft der großen Titel hatten. Während gleichzeitig noch die vorerst letzten Abenteuer der alten Avengers erzählt werden. Im Frühjahr kündig sich im MCU mit dem dritten Avengers-Film „Inifinty War“ ein gigantomanischer Höhepunkt an Action-Bombast und CGI-Schaulaufen an.
Zuvor allerdings bekommt Marvel erster afroamerikanischer Superheld seinen eigenen Film: „Black Panther“. Womit wir wieder bei der Film-Vorstellung gelandet sind. Das Action-Epos von Regisseur Ryan Coogler thematisiert sehr gekonnt und unaufdringlich Versatzstücke afroamerikanischer Identität. Das sorgte in den USA schon vor Kinostart für einigen Rummel und wurde von der afroamerikanischen Community ebenso abgefeiert wie im vergangenen Jahr „Wonder Woman“ als erste Heldin von der Frauenbewegung. Beides durchaus zu Recht, auch wenn man hierzulande im vermeintlich aufgeklärteren und sozial gerechteren Deutschland den US-amerikanischen Hype um solche Themen gerne klein redet.
„Black Panther“ ein ziemlich eigenständiger und großteils sehr sehenswerter Superhelden-Actioner geworden. Die Story versucht sich ein bisschen in High-Tech-Spielereinen a la „Mission Impossible“ oder viel offensichtlicher „James Bond 007“. Und so ist „Black Panther“ auch ein bisschen Spionage-Thriller. Das ist naheliegend, denn obwohl der fiktive afrikanische Binnenstaat Wakanda als eines der ärmsten Länder der Welt gilt, sieht die Realität anders aus. Denn was niemand ahnt und was die Nation Wakanda gut zu verheimlichen weiß, ist der immense Reichtum und die fortgeschrittene Technologie des afrikanischen Landes. Diese resultiert aus der Verfügbarkeit von Vibranium, dem seltensten und wertvollsten Metall der Erde, das durch einen Meteoriteneinschlag in Wakanda gelandet ist.
Afro-amerikanische Identität im Panther-Kostüm
Allerdings hat ausgerechnet der Schurke Ulysses Klaue (Andy Serkis als Klaw) schon vor Jahrzehnten herausgefunden, was den Geheimdiensten der Welt verborgen blieb: Den Wert, die Macht und die Verfügbarkeit von Vibranium. Vibranium ist es letztlich auch, das dem König von Wakanda gleichzeitig zu einer übermächtigen Inkarnation der Panther-Gottheit werden lässt, zu Black Panther, dem Beschützer Wakandas.
Wakandas Thronfolger T’Challa (Chadwick Boseman) hat allerdings einen Haufen Sorgen. Bei dem Anschlag auf die Vereinten Nationen in Wien (zu sehen in Captain America: Civil War“) fiel König T’Chaka ist einem Bombenattentat zum Opfer. Zwar ist T’Chakas Sohn T’Challa der erste Anwärter auf den Thron und damit auch auf die Superkräfte des „Black Panther“. Allerdings ist es unter den fünf Stämmen Wakandas Usus, den Thronfolger in rituellem Kampf herauszufordern. Davon macht M’Baku (Winston Duke) als Anführer des einen Stammes auch Gebrauch.
T’Challa treiben aber noch weitere Dinge um. Er hätte seine Ex-Freundin Nakia (Lupita Nyong’o),eine Geheimagentin Wakandas, gerne bei dem Ritual an seiner Seite, und T’challa sehnt sich nach Rache für den Tod des Vaters. Es gilt als ziemlich sicher, dass Ulysses Klaue dafür verantwortlich ist. Während Klaue in Busan, Südkorea, gesichtet wurde, klaut der zwielichtige Ex-Söldner Eric Killmonger (Michael B. Jordan) ein Vibranium-Artefakt aus einem Londoner Museum.
Die Wiege der Zivilisation liegt in Afrika
Das mag Zufall sein, sorgt aber für einige Verwicklungen. Begleitet von Nakia und Okoye (Danai Gurira), der Befehlshaberin der Leibgarde, und technisch unterstützt von Schwester Shuri (Letitia Wright) nimmt T’Challa die Spur nach Busan auf. In Südkorea taucht unvermittelt ein alter Bekannter T’Challas auf, der amerikanische Agent Everett Ross (Martin Freeman).
Es wurde in der jüngeren Vergangenheit immer stärker kritisiert, dass die einzelnen Filme aus dem Marvel Cinematic Universe ohne Vorgeschichte kaum noch zu verstehen wären. Das ist von den Verantwortlichen auch so geplant und liefert den Comic-Fans die epische, serielle Fortschreibung eine Saga ähnlich wie beispielsweise „Game of Thrones“, nur eben in Kino-Dimensionen. Wer als Kinogänger allerdings einfach nur gute actionhaltige Unterhaltung sucht, kommt kaum durch den Wust an Figuren, Querverweisen und Nebenhandlungen hindurch.
Für „Black Panther“ wie auch die anderen beiden Helden aus der zweiten Reihe, „Ant-Man“ und „Doctor Strange“, gilt diese Aussage nicht. Diese Filme kann das unbedarfte Publikum auch ohne Vorwissen genießen. Denn diese Filme erzählen vor allem so genannte Origin-Stories, also jene Geschichte, wie der jeweilige Protagonist überhaupt zu einem Superhelden wird. Und dabei haben die jeweiligen Regisseure durchaus Spielraum, was die Genrezuweisung und Ausformulierung der Charaktere angeht.
1966: Black Power im Comic
Als afroamerikanischer Superheld wurde Black Panther bereits 1966 erfunden und gilt als erster farbiger Superheld überhaupt. Über die Credits, wer den Panther denn nun erfunden habe, streiten sich die Comic-Gelehrten. Es gab eine sechsteilige Mini-Serie in der Reihe Jungle Adventures, bevor dann Marvel Macher Stan Lee und Zeichengott Jack Kirby die Figur als Superhelden in den Marvel-Canon einführten.
Egal, man hat sich da geeinigt und die Abenteuer von „Black Panther“ erfüllten ihren Zweck, auch afroamerikanische Leserschaft für Superhelden-Comics zu begeistern. Regisseur Ryan Coogler meint dazu, dass er als Kind in einen Comic Laden gegangen sei und nach einem Superhelden gefragt habe, der wie er sei, nämlich schwarz. Seitdem habe „Black Panther“ einen starken Einfluss auf sein kulturelles Selbstverständnis gehabt.
Jener farbigen Abstammung räumt Regisseur und Co-Autor Ryan Coogler („Nächster Halt: Fruitvale Station“) auch einen sehr großen Raum in der Geschichte ein. Kein Wunder also, dass „Black Panther“ in der afroamerikanischen Community heftig abgefeiert wird. Analog zu „Wonder Woman“ vom Rivalen DC-Comics sorgt der schwarze Panther wie eingangs erwähnt für Diversität in der Superhelden-Gemeinschaft.
In Zeiten, in denen viele Künstler und Intellektuelle in den USA mit ihrem derzeitigen Präsidenten eher unzufrieden sind, ist das auch ein politisches Statement. Aber Ryan Coogler, wäre kein guter Filmmacher, wenn er seine Botschaft auf plumpe Weise anbieten würde. „Auch in der „Rocky“-Fortsetzung „Creed“ gelang es Coogler bereits, afroamerikanische Themen nahtlos in das Mainstream-Kino einzufügen.
Es ist eine der größten Herausforderungen (und nebenbei auch eine der größten Altlasten) die Wakandas neuer König zu meistern hat, ob der fortschrittliche Staat der Welt hilft. Auch und gerade den Schwestern und Brüdern derselben Rasse, die seit Jahrhunderten ausgebeutet werden. Diese Grundsatzentscheidung wird zwischen Black Panther und seinem Widersacher Eric Killmonger auf recht physische Weise ausdiskutiert.
Im Grunde genommen ist das der Dissens, der in den 1960ern zwischen Malcolm X und Martin Luther King herrschte. Dazu kommt dieses schwarzafrikanische „Eldorado“, der fortschrittliche, versteckte Staat Wakanda. Das ist nicht nur eine Umkehrung der in unserer Welt vorherrschenden Begriffe von Entwicklung, sondern auch ein Rückkehr der überlegenen Zivilisation in die geografische Wiege der Menschheit. Für farbige Menschen mag das einem Heilsversprechen gleichkommen.
Marvel Studios‘ Computer Generated Imagery
Inhaltlich macht „Black Panther“ also vieles richtig. Der Film kommt ohne Cameos und Gastauftritte anderer Superhelden aus und ist sich selbst genug. Aber es gibt auch Schwachpunkte zu vermelden, die fast alle auf technischer Ebene zu finden sind. Etwa die schluderig inszenierten und mäßig ansehnlich gerenderten CGI-Action-Sequenzen. Seit einigen Filmen lavieren sich die Marvel Studios mit dieser schlampig gearbeiteten Optik durch. Die sieht letztlich auch in 3D nicht besser aus. Schließlich sind die Actioner wie das inzwischen wieder branchenüblich ist, nur gerendert und nicht stereoskopisch gefilmt.
Auch die immergleiche Action-Dramaturgie mit der finalen, epischen Keilerei mit viel Kollateralschaden ist im Grunde ebenso vorhersehbar wie langweilig. Dass Stan Lee die direkten Gegenspieler seiner Superhelden nach dem gleichen Prinzip zu Kräften kommen ließ und so Schurken gemacht hat, ist inzwischen ja hinlänglich bekannt. Bei aller gelungenen Ethnizität und Folklore und der großartigen Besetzung in „Black Panther“ waren zwei Personalien dann aber doch irgendwie unbefriedigend.
Sicher, Chadwick Boseman ist ein würdiger und starker Black Panther, aber hätte Michael B. Jordan an einer Stelle seiner Karriere eine andere Entscheidung getroffen und wäre nicht als afroamerikanische Fackel im „Fantastic Four“-Reboot aufgetreten, hätte Ryan Coogler sicher auch seine dritte Regiearbeit mit Jordan in der Hauptrolle besetzt. Immerhin Söldner Killmonger ist einer der beeindruckendsten Marvel-Bösewichte, wohl auch deshalb, weil er nicht nur eindimensional vorgestellt wird. Dass aber Isaach de Bankolé („The Limits of Contol“) als Mitglied in Wakandas Ältestenrat ohne eine Zeile Dialog bleibt und im Prinzip nur seine Tellerlippe spazieren führt (!), hat mich zutiefst verstört. Aber das sind nur Befindlichkeiten eines alternden Filmfans.
Mit „Black Panther“ tritt erstmals ein afroamerikanischer Superheld ins Rampenlicht des Marvel Cinematic Universe. Dessen Ansprüche auf den Thron im weiten Helden-Kosmos des Marvel/Disney Konzerns kann man getrost ohne Nerd-Vorbildung genießen. „Black Panthers“ Auftritt überzeugt mit Frische, Verve und Selbstbewusstsein.
Film-Wertung: (8 / 10)
Black Panther
OT: Black Panther
Gernre: Action, Adventure, Sci-Fi
Länge: 134 Minuten, USA, 2018
Regie: Ryan Coogler
Darsteller: Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong’o, Danai Gurira, Martin Freeman, Daniel Kaluuya, Angela Bassett, Forest Whitaker, Andy Serkis
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Marvel Studios, Disney
Kinostart: 15.02.2018