Der indische Thriller „Te3n“ führt einen verzweifelter Großvater, einen christlicher Pfarrer, der mal Polizist war, und eine ambitionierte Polizistin in einem vertrackten Entführungsfall zusammen. Diese starbesetze Bollywood-Produktion kommt ohne Tanz- und Gesangseinlagen aus und bietet stattdessen mehr als solides Thrillerhandwerk mit guter Charakterdarstellung. Das ist man aus dem Filmland Indien als westlicher Zuschauer in dieser Form nicht gewohnt.
Vor acht Jahren wurde die Enkelin des 70-jährigen John (Amitabh Bachchan) entführt. Obwohl er damals bereit war, das Lösegeld zu bezahlen, kam das Mädchen auf tragische Weise ums Leben; der Täter wurde nicht gefasst. Seither wartet der alte Mann jeden Tag auf dem Polizeirevier von Kalkutta auf Neuigkeiten in der Ermittlung. Die Polizistin Sarita (Vidya Balan) kennt dieses Prozedere schon und wimmelt John mal wieder ab. Der einstige Ermittler Martin (Nawazuddin Siddiqui) hat nach jener Entführung den Polizeidienst quittiert und ist christlicher Priester geworden. Doch die beiden Männer finden keine Ruhe.
Dann begegnet John auf dem Markt zufällig einem taubstummen Mädchen, das die Strickmütze seiner Enkelin trägt. Die Mütze stammt aus einer Altkleiderspende und John hofft auf eine neue Spur. Aber davon wollen weder die Polizei noch Pfarrer Martin etwas wissen. Erst als erneut ein Kind entführt wird, wird auch die Polizei aktiv und Sarita bittet Martin um seine Hilfe, weil die Entführung starke Parallelen zu dem alten Fall von Johns Enkelin aufweist. Ein vertracktes Katz- und Mausspiel beginnt.
Es ist eigentlich ungewöhnlich genug, dass die indische Filmindustrie zum Remake eines ausländischen Films ansetzt, dass die Wahl dabei auch noch auf einen Kriminalthriller fällt, erstaunt umso mehr. Der koreanische Thriller „Mong-ta-joo“ (deutscher Titel „Verjährung“) ist gerade einmal drei Jahre alt. Das Filmdebut von Geun-seop Jeong schaffte es hierzulande nicht in die Kinos und würde 2015 als DVD-Premiere veröffentlicht (Hier geht’s zur Filmvorstellung).
Die Handlung der Jahre zurückliegenden tödlichen Entführung und auch die Dramaturgie des Films inklusive Ende hat der indische Regisseur Ribhu Dasgupta ziemlich genau übernommen, aber an indische Sehgewohnheiten angepasst. Daher ist „Te3n“ länger ausgefallen als das Original, für einen Bollywood-Film aber mit 136 Minuten immer noch recht kurz. Beide Filme haben ihre Stärken aber auch ihre Schwächen. Das große Plus der indischen Bearbeitung der Story ist die deutlich interessantere Figurenkonstellation: Waren im Original nur ein frustrierter Polizist und eine trauernde Mutter beteiligt, so wurden die Rollen nun auf die Bollywood-Stars Amitabh Bachchan („Bhootnat“, „The Great Gatsby“), Nawazuddin Siddiqui („Lunchbox“) und zusätzlich Vidya Balan („Kahaani“) ungeschrieben. Die Charakterzeichnung ist dabei durchaus gelungen.
Der hartnäckige Großvater mit seiner obsessiven Recherche und der im Rollstuhl sitzenden Ehefrau und der damals zuständige Polizist, der inzwischen zum christlichen Priester konvertiert ist, sind Figuren mit entsprechender Tiefe und sehr gut dargestellt. Dafür hinkt die Spannung in „T3n“ ein bisschen und auch wenn die actionreicheren Szenen gut und recht temporeich umgesetzt sind, kommt das indische Thrillerdrama ohne die Ermittlungsplattitüden des koreanischen Originals aus.
Für Beobachter des indischen Films ist auch interessant zu sehen, dass die Mainstream-Produktion ohne Tanzeinlagen auskommt, die ansonsten ja auch vor Shakespare-Adaptionen wie „Haider“ oder dem epischen Gangsterdrama „Gangs of Wasseypur“ nicht Halt machen. Auf Gesangseinlagen wird indes nicht verzichtet. Diese sind allerdings im Stil westlicher Musikvideos in die Handlung eingebaut und kommen zur Geltung, wenn die Handlung ohne Dialog vorangetrieben wird oder die Atmosphäre betont werden soll.
Kamera und Licht des Thrillers, der in Kalkutta angesiedelt ist, sind düster und zwielichtig gehalten und sorgen ebenfalls für recht untypische Bilder aus Bollywood. Alles in allem ist „Te3n“ ein sehr sehenswertes und recht abgründiges Entführungsdrama geworden, das auch internationale Krimifans ansprechen sollte. Dass der Film nur in wenigen deutschen Kinos läuft, mag eventuell auch an der Originalen Sprachfassung in Hindi mit englischen Untertiteln liegen. Sehenswert ist „Te3n“ trotz einiger Schwächen (wie das koreanische Original „Verjährung“ auch) allemal.
Das indische Thriller-Drama „Te3n“ ist zwar das Remake eines koreanischen Krimis, hat aber genügend Eigenheiten und indisches Flair um gut zu unterhalten. Filmisch hoch spannend ist auch, was sich aus den atmosphärischen Unterschieden über die Gesellschaften Koreas und Indien herauslesen lässt.
Film-Wertung: (7 / 10)
Te3n (Teen)
OT: Te3n
Genre: Thriller, Krimi, Mystery
Länge: 136 Minuten, IND, OmeU,2015
Regie: Ribhu Dasgupta
Darsteller: Amitabh Bachchan, Nawazuddin Siddiqui, Vidya Balan
FSK: nicht geprüft
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kinostart: 04.08.2016