La Isla Mínima – Mörderland: Wenn die Krähe fliegt

La-isla-minima-vorschauGleich zu Beginn wird klar, dass es in Alberto Rodríguez‘ Thriller „La Isla Mínima – Mörderland“ für die beiden Cops nicht rund läuft. Wer hat schon gerne mitten in der Sommerhitze eine Autopanne. Obwohl die Mörderjagd im Heimatland Spanien der Reihe nach Filmpreise einheimste, gehört die ästhetische Thrillerperle zu den Überraschungen des Filmjahres.

Denn es fand sich in Deutschland nur der relativ kleine Filmverleih Drop-Out Cinema, um den großartigen Film in die Kinos zu bringen. „La Isla Mínima – Mörderland“ sollte man nicht verpassen, also Augen auf bei der Filmwahl.

Der Vorspann wirkt, als hatte da jemand am Computer bizarre und krause Linien gezogen, nur um zu sehen, was für Muster entstehen. Doch nachdem die ersten Vögel durchs Bild gezogen sind und die Luftaufnahme der verästelten Landschaft des südandalusischen Flusses Guadalquivir nicht mehr an die freigelegten Windungen eines Gehirns erinnern, stehen da unmotiviert zweit Typen in der Gegend herum und warten.

La-isla-minima-mörderland-1Doch statt Godot kommt ein Traktor um die Ecke und bringt die madrilenischen Polizisten Juan (Javier Gutiérrez) und Pedro (Raúl Arévalo) an ihren Bestimmungsort. Hier in der Provinzstadt, in der gerade Jahrmarkt ist, sind zwei Mädchen, Schwestern, spurlos verschwunden. Hier und im Filmjetzt, dem September des Jahres 1980, beginnt in der landwirtschaftlich geprägten, ärmlichen Gegend gerade die Ernte, die für viele Bewohner dieses Landstriches die Haupteinnahmequelle bildet. Außerdem haben die Landarbeiter gerade gestreikt und Fremden gegenüber ist man nicht gerade freundlich. Sogar der Vater der verschwundenen Mädchen will die Bullen nicht im Haus haben.

Isla Minima Una pelicula de Alberto Rodriguez Produccion AtipicaDie Ermittlungen sind zäh, die örtliche Guardia Civil hat die beiden Vermissten eh als Flittchen abgestempelt und die Ermittler sind sich auch nicht gerade grün. Von Zusammenarbeit keine Spur, stattdessen werkelt und wurstelt jeder nach seinen Methoden, um Hinweise zu finden. Juan, der erfahrenere, ist anfangs mit seiner kumpelhaften Art erfolgreicher, während Pedro auch noch mit seiner schwangeren Frau telefonieren muss, die nicht witzig findet, dass er in Andalusien herumstackselt. Dann aber tauchen die misshandelten Leichen der vermissten Mädchen auf und es gibt Hinweise auf weitere, frühere Opfer. Deren einzige Gemeinsamkeit scheint zu sein, dass alle mit dem schönen Quini (Jesús Castro) befreundet waren.

La-isla-minima-mörderland-4Oberflächlich betrachtet hat Filmmacher Alberto Rodríguez einfach einen straighten Ermittlungsthriller hingelegt, der wie so viele Filme aus dem Genre mit seinen ungleichen Ermittlern und mit seinem undurchsichtigen Kriminalplot punkten kann. Der Film generiert Spannung und kommt ohne große Actionsequenzen aus, wenn man mal von rennender Verfolgungsjagd, nebligem Autorennen und dem Showdown absieht. Das allein würde schon ganz ausgezeichnet und überaus spannend funktionieren. Das erinnert an die erste Staffel von „True Detective“ mit Mathew McConnaughey und Woody Harrelson, oder auch mit dem unterbewerteten „Texas Killing Fields“, der hierzulande nicht einmal in die Kinos kam. Auch „Memories of Murder“ von „Snow Piercer“ Regisseur Joon –Ho bong kommt einem (auch wegen der Hommage in der Anfangsszene) in den Sinn und nicht zuletzt, aber eher aufgrund der Atmosphäre auch der Auslands-Oscar-gekrönte argentinische Thriller „In ihren Augen“ .

Isla Minima Una pelicula de Alberto Rodriguez Produccion AtipicaAber „La Isla Mínima“ hat seinen zeitlichen Backdrop nicht willkürlich ausgesucht, sondern wohl gewählt und darin liegt die eigentliche Klasse und Tiefe dieser spannenden Ermittlung. Spanien befand sich 1980, fünf Jahre nach dem Ende der Franco-Diktatur politisch noch immer in einer Phase des Umbruchs. So richtig demokratisch waren die Strukturen noch nicht und in Teilen der Bevölkerung hielt man immer noch zum faschistischen Regime. Daher auch die Konflikte der beiden Cops.

Während Pedro das neue, demokratische Spanien verkörpert, sich in einem Zeitungsartikel kritisch geäußert hat und daraufhin diesen andalusischen Auftrag bekam, stand Juan schon in Diensten der alten Regierung und man sagt ihm nach, er habe ordentlich Dreck am Stecken. Jedenfalls empfindet er den Auftrag nicht als Strafversetzung, die es unzweifelhaft ist. Wie auch immer, die beiden müssen und wollen Ergebnisse liefern und stoßen auf einen schier undurchdringlichen Wust aus Spuren, die diverse illegale Machenschaften tangieren und so zeigen, dass Spanien zu der Zeit alles andere als stabil war. All diese zeitgeschichtlichen Aspekte sind unaufdringlich in die wohl komponierte Handlung verwoben und stören den spannenden Thriller keinesfalls, sondern bereichern ihn um eine zusätzliche Ebene.

La-isla-minima-mörderland-5Und „La Isla Mínima“ hat noch ein weiteres Pfund, mit dem der Film wuchern kann: Die Bildsprache. Kameramann Alex Catalán („A Perfect Day“, „Und dann der Regen“) sorgt mit seinen immer wieder eingestreuten Vogelperspektiven für tolle Bilder und großartige Atmosphäre.

In den wunderbar sumpfig dampfenden Detailaufnahmen, wird die außerirdisch schöne Landschaft dann tatsächlich ganz zu einem weiteren Hauptdarsteller in diesem sehenswerten Thriller. In die melancholischen, dunklen und farbintensiven Bilder lässt sich so einiges Hineindeuten. Aber das fällt eher in das Metier der Wahrsagerin, zu der die Einheimischen die beiden Cops schicken, weil sie aus dem Jenseits Informationen erhalten hat.

Der spanische Thriller „ La Isla Mínima – Mörderland“ ist eine Pflichtveranstaltung, die man sich nicht entgehen lassen sollte: Tolle Bilder, spannende Geschichte, großes Schauspiel und hintergründiges Setting treiben den Puls der Zuschauer furios in die Höhe.

Film-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

La isla mínima PlakatOT: La Isla Mínima
Genre: Thriller, Krimi
Länge: 105 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Regie: Alberto Rodríguez
Darsteller: Javier Gutiérrez, Raúl Arévalo, María Varod, Perico Cervantes, Jesús Ortiz, Jesús Carroza
Vertrieb: Drop-Out Cinema,
Kinostart: 04.08.2016

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