#ffhh15: Liebster Hans, Bester Pjotr – Spinnen im Glas

Der russische Drehbuchautor Alexander Mindaze führt nur höchst selten mal Regie. „Liebster Hans, bester Pjotr“ ist sein dritter Film, thematisiert deutsch-russische Zusammenarbeit im Jahr 1941 und setzt ganz auf eine theaterhafte Inszenierung. Da die deutschen Gastarbeiter im Mittelpunkt stehen, ist das historische Drama mit deutschen Charakterdarstellern gut besetzt und großteils auf deutsch gedreht, so wie 2011 Alexander Sokurows „Faust“-Adaption.

Aufgrund bilateraler Abkommen zwischen Deutschland und Russland sollen vier deutsche Ingenieure  in Russland im Jahr 1941 hochwertiges optisches Glas herstellen. Doch das Projekt ist immer wieder von Fehlschlägen heimgesucht und der Druck auf die vier Deutschen steigt unaufhörlich. Doch dann sorgt Hans (Jakob Diehl) für eine Überhitzung des Kessels, verursacht einige Tote und Verletzte, aber auch für einen Durchbruch bei der Herstellung. Trotzdem wird die Lage nicht nur bei den quasi internierten Deutschen immer drängender. Hans sucht den Kontakt zu seinem russischen Kollegen Pjotr und dessen Schwester und fieberhaft nach einem Ausweg aus der Situation.

Es beginnt mit einem Standbild des heißen, flüssigen Glases, von dem aus die Kamera in einer längeren Fahrt zu dem beobachtenden Auge des deutschen Ingenieurs Otto (Mark Waschke) gelangt. Filmmacher Alexander Mindaze inszeniert sein historisches Drama über eine wenig bekannte bilaterale Kollaboration zwischen Hitler und Stalin als überspitztes symbolträchtiges Kammerspiel. In Tableaus werden die Konflikte unter den vier Deutschen am Esstisch und auf den Fluren ihrer Behausung eingefangen, bevor sich der Film auch szenisch ein bisschen weitet.

Doch die Charaktere von Birgit Minichmayr, Mark Waschke, Marc Hosemann und Jakob Diehl sind derart theatralisch angelegt, dass das Overacting nur schwer zu ertragen ist. Auch die Formalismen wie Tableaus, Plansequenzen und das ungewöhnliche Bildformat suggerieren eine Symbolhaftigkeit und Bedeutungsschwere, die der Film inhaltlich nicht vermitteln kann. Zwar lassen sich Hansens übergriffige Verbrüderungsbemühungen als Aussicht auf den kommenden Angriff Hitler-Deutschlands auf Russland interpretieren und auch die Überhitzung der Glasfabrik spiegelt diese Situation im dritten Jahr von Hitlers Eroberungsfeldzug. Aber das bleibt Spekulation.
Auch wirken die Konflikte zwischen Chefingenieur Otto und dem proletarisch angelegten Willi vor dem historischen Hintergrund absurd. Niemals hätte man 1941  jemanden nach Russland geschickt, der nicht linientreu ist. Hier verpufft einiges also an dramatischer Wirkung.

Alexander Mindazes historisches Kammerspiel wirkt in jeder Hinsicht überladen und schicksalsschwanger. Das ermüdet und ist in sich einfach nicht stimmig – oder ich habe „Liebster Hans, bester Pjotr“ einfach nicht verstanden.

Film-Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10)

Liebster Hans, Bester Pjotr
OT: Milyi Hans, Dorogoi Petr
Genre: Drama, Historisches, GB, Rus, D 2015
Länge: 124 Minuten, deutsch russisches O mit engl. U
Regie & Script: Alexander Mindadze
Drehbuch: Alexander Mindadze
Darsteller: Jakob Diehl, Birgit Minichmayr, Mark Waschke, Roza Khairulina, Marc Hosemann, Andryus Daryala, Anna Skidanova, Svetlana Kosolapova
Vertrieb: Passenger film studio; AI Film; Majade filmproduktion Gmbh
Kinostart: nicht bekannt

„Liebster Hans, Bester Pjotre“ beim Filmfest Hamburg 2015

noch zu sehen am  Fr, 09.10. – 16:30 im Metropolis