Eine neue Veröffentlichung des visionären Autors William Gibson verspricht immer einen Haufen kluge Gedanken. Das trifft auch auf „Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack“ zu, das gerade im Tropen Verlag erscheinen ist. Bei Gibson hat das Misstrauen Methode und in dieser Sammlung von Artikeln, Aufsätzen und Reden aus rund 30 Jahren versucht sich der fictionale Autor an dem , was er nach eigener Aussage nie schreiben wollte, nicht fiktionale Texte. Es ehrt den Mann, wen er im Vorwort glaubhaft versichert, dass ihm diese Texte nicht ganz geheuer sind, weil er das journalistische Schreiben einfach nicht beherrsche. Das sei in etwa wie das Spielen auf einem afrikanischen Daumenklavier.
„Distrust that Particular Flavor“ (so der Untertitel) erscheint mit dem sinnigen Untertitel „Gedanken über die Zukunft als Gegenwart“ und versammelt Sachtexte, die William Gibson im Lauf der Jahre veröffentlicht hat. Dabei ist die Anordnung nicht chronologisch und jeder Text wird von einem aktuellen Kommentar des Autors abgeschlossen. Thematisch schreibt der Schöpfer der „Neuromancer“-Trilogie über vielerlei Dinge, die aber alle diesen typischen, analytischen Gibsonsound haben.
Verglichen mit einem neuen Roman ist „Misstrauen sie dem unverwechselbaren Geschmack“ sicher kein unverzichtbare Anthologie, aber für Fans insofern lesenswert, weil es einigen Aufschluss darüber gibt, wie der Autor denkt, was Gibson beeinflusst und was er in seiner Prosa verarbeitet. Das ist sozusagen autorisierte Sekundärliteratur. Einiges wird man allerdings aus den Romanen wiedererkennen. Es ist schon diese Sachtexte, die zum Teil von der Zukunft der vergangenen Gegenwart eingeholt wurden, in einem Buch versammelt zu haben.
Der unbedarfte Leser, der mit Gibsons Werk nicht vertraut ist, kann sich auf viele und auch erstaunlich gelungene Texte freuen, die das Eingangsstatement des Autors Lügen strafen, er beherrsche die Klaviatur dieser Textgattung nicht. Zwar sind nicht alle Beiträge von umwerfender Klarheit, aber unterhaltsam zu lesen sind die abwechslungsreichen Stücke allemal. Und letztlich bewahrheitet sich das Motto „Gedanken über die Zukunft als Gegenwart“ auf höchst anregende Weise.
Fazit: Man sollte William Gibsons Textsammlung „Misstrauen sie dem unverwechselbaren Geschmack“ nicht als der Weisheit letzten Schluss begreifen, sondern als Aufruf und Inspiration, sich über den Zustand der Welt und ihre Entwicklung Gedanken zu machen. Derartig gelesen hat William Gibson auch in Form kurzer Sachtexte seine impulsgebende Faszination.
Buch-Wertung: (7 / 10)
William Gibson: „Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack“
Gedanken über die Zukunft als Gegenwart
OT: Distrust that Particular Flavor“
Genre: Sachbuch, Essays,
Übersetzung: Sara & Hannes Riffel
ISBN: 978-3-608-50314-2
Verlag: Tropen Verlag, 252 Seiten, gebunden
VÖ: 21.02.2013
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