Über vier Jahre hat das Kamerateam von Regisseur Thomas Riedelsheimer den Landart-Künstler Andy Goldsworthy bei der Arbeit begleitet. Im Jahr 2001 kam das filmische Ergebnis „Rivers and Tides“ in die Kinos und verzückte Kunstliebhaber wie Cineasten gleichermaßen. Der Film ist weniger ein Künstlerporträt als eine Verbeugung vor der Natur.
Der Schotte Andy Goldsworthy betreibt Landart, das heißt, er nimmt an künstlerischen Impulsen auf, was die Natur oder die Kultur ihm vermittelt und setzt es in eben jener Landschaft um. Die Ergebnisse sind häufig vergänglich, denn sie sind so konzipiert, dass sie sich in natürliche Rhythmen einfügen. Flüsse und Gezeiten setzen den Rahmen für die Kunst des Andy Goldsworthy. Das Arbeiten in der Natur und mit der Natur bleibt immer unvorhersehbar und schließt das Scheitern des Beabsichtigten mit ein.
Bis zu „Rivers and Tides“ blieb dem Kunstfreund nichts anderes übrig, als sich mit fotografischer Aufbereitung der Kunstwerke zu begnügen. Die zeitliche Dimension fehlte häufig in der Betrachtung von Goldsworthys Werken. Dabei ist gerade deren prozesshafter Charakter ein wesentlicher Bestandteil seines Natur- und Kunstverständnisses. Zum ersten Mal hat Regisseur Thomas Riedelsheimer diese Dimension erlebbar gemacht.
„Rivers and Tides“ zeigt den Künstler bei der Arbeit an der kanadischen Küste, im heimischen Schottland, in den USA und in Frankreich. Und das Filmteam begleitet die Kunstwerke im Wandel der Jahreszeiten. Die wunderschönen Landschaftsaufnahmen haben beinahe meditativen Charakter, der von der kongenialen Musik des englischen Musikers und Komponisten Fred Frith nochmals unterstrichen und verdichtet wird. Der Film an sich ist ein Kunstwerk.
Wer jetzt mein, es bestünde wenig Kunst darin, einfach Skulpturen in die Gegend zu setzen, der lausche den seltenen Kommentaren des Künstlers. Mit Zweifeln ist es spätestens dann vorbei, wenn Godsworthy uns erklärt, wie schwierig es ist, „durch die Flauschigkeit des Schafes zu kommen, um dessen Wesen zu erfassen“. („To get through that wooliness, to the essence of the Sheep is very very hard, because sheep are incedibly powerful animals in their own way.“) Für diese Art der Arbeit, denn es ist Arbeit, braucht es ein tiefes Verständnis der Natur. Auch das vermittelt der Film überzeugend. „Rivers and Tides“ liefert also nicht nur schöne Bilder und feine Musik, sondern bringt uns modernen Menschen die Natur wieder näher ohne dabei einen pädagogischen Zeigefinger zu benötigen.
Mich begeistern die teilweise atemberaubend schönen Bilder des in seine Arbeit versunkenen bärtigen Schotten jedes mal aufs Neue. Es ist faszinierend, mit welcher Ruhe und Demut sich Goldsworthy seinem Unterfangen widmet und sich auch von etlichen Rückschlägen zumeist nicht abbringen lässt. Seine wenigen Wortmeldungen sollte man ihm in heimischer Sprache gönnen, um den charmanten schottischen Akzent nicht zu verpassen. Da der Film über weite Strecken nur mit Bildern und Musik auskommt, bietet es sich an, nur die deutschen Untertitel zuzuschalten und nicht die deutschsprachige Filmvariante zu wählen.
Extras: Fotogalerie, Register der Kunstwerke; Sprachen: Deutsch, Englisch; Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch.
Die erweiterte Neuauflage enthält zusätzlich:
Thomas Riedelsheimers THE STORM KING WALL (20 Min.),
SNOWBALLS IN SUMMER (19 Min.) von Sibylle und Dieter Stürmer
6 Kurzfilme mit und über Andy Goldsworthy, erstmals in deutschland veröffentlicht:
AUTUMN WORKS, Storm King Park, USA, 3,48
GARLIC LEAVES, Spring Scotland, 3,05
ICE ARCH, Winter, Nova Scotia, 4,29
BLACK STONE, Summer, Scotland, 5,16
LEAF WORKS, Autumn Scotland, 5,06
THE OLD STUDIO, Penpont, Scotland, 1,56
„Rivers and Tides“ ist ein wunderschöner, stimmungsvoller Dokumentarfilm, der den Zuschauer auf eine Reise mitnimmt und ihn am Ende bereichert wieder absetzt.
Film-Wertung: (9 / 10)
Film-Trailer auf youtube
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