Treibsand: TV-Highlights, Quotenwahn und stumpfe Glotzer

Riemelt-ZehrfeldSind die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland zu blind für Qualität? Sind deutsche Zuschauer zu blöde für anspruchsvolles Programm? Sind künstlerisch wertvolle Sendungen nur was für elitäre Schlaugucker? Gehen Kunst und Kommerz einfach nicht zusammen, oder wird mal wieder an der Realität vorbei diskutiert? Fragen anlässlich der abrupten Beendigung von Dominik Grafs Krimi-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“.

Mit großer Ankündigung als herausragende Krimi-Serie von internationalem Standard wurde „Im Angesicht des Verbrechens“ eingeführt, durfte dann in der ARD den späten Freitagabend ausfüllen, wo sich sonst „Tatort“-Wiederholungen tummeln und erreichte (immerhin) zwei Millionen regelmäßige Zuschauer, obwohl die Serie schon auf Arte lief. Den Programmplanern war das irgendwie nicht genug und man beschloss extrem kurzfristig, das Serienfinale der verbleibenden drei Folgen in einem Stück zu senden, um endlich wieder „Tatorte“ zu senden. Ich hätte mich veralbert gefühlt.

Spontane Programmänderung wegen Erfolglosigkeit

Die Reaktion in den Feuilletons der Republik blieb nicht aus. „Süddeutsche“ und „Zeit“ widmeten dem Thema ernstzunehmende Auseinandersetzungen und fragen – berechtigt – warum sich der weltweit teuerste öffentliche Rundfunk aufführt wie ein quotengeiler Privatsender. Warum steht man nicht hinter dem international hochgelobten Produkt, dieser kleinen deutschen Fernsehrevolution?

Dem zuständigen Herrn ist’s scheinbar gleichgültig und er erklärt die Diskussion für irrelevant: Wurde doch alles gesendet, habe die Erwartung nicht getroffen, der Zuschauer wäre scheinbar mit dem Format überfordert, kümmere sich nicht um Bildungsaufträge und schon gar nicht um diese Debatte.

Alles ruhig im Staate Dänemark

Forbrydelsen2Derweil macht Frau Lund im ZDF mit ihren Ermittlungen einfach weiter und klärt den Fall quotenmäßig seelenruhig auf. Das Format ist mit den ursprünglichen 10 Folgen von jeweils 50 Minuten durchaus vergleichbar. Hier scheint man allerdings zufrieden zu sein. Liegt’s am etablierten Krimi-Sendeplatz am Sonntagabend oder einer anderen Philosophie. Vielleicht war auch die Quote besser.

Es stellt sich im Zeitalter der Rekorder und der Internet-Mediatheken sowieso die Frage, wer glotzt überhaupt noch live Fernsehen? Ist doch alles halb so wild, wenn der Zuschauer das Angebot für begrenzte, individuell wählbare Sendezeit auch online abrufen kann. Doch auf das erweiterte Medienangebot kann sich ein TV-Sender nicht berufen, schon gar keine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt. Deren vorrangige Aufgabe ist Fernsehen.

Irgendwer ohne Internet und Festplattenrekorder?

Warum geht man so nachlässig um mit einem Fernsehprodukt, das ein Aushängeschild des Senders sein könnte, hätte man nicht das Gefühl, der Sender distanziere sich konstant von der Serie. Die Resonanz der Kritik war überschwänglich, auf der Berlinale 2010 galt die Serie vielen Besuchern, nicht nur Fachjournalisten, als  heimlicher Gewinner und Höhepunkt.

Es ist doch nicht der Sinn eines Fernsehprogramms, dass ich als Zuschauer versuche, mich vor diesem Programm zu schützen, indem ich erst gar nicht einschalte und die (gebührenfinanzierte) Serie nachher als DVD kaufe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt führt sich das Quotendenken ad absurdum. Letztlich muss dann wieder der arme, doofe und bei ARD auch noch überalterte Zuschauer als Totschlagargument herhalten für undurchschaubare und inkonsequente Sendepolitik.

Aufgrund der basisdemokratischen Finanzierung sollte man vielleicht über eine Umstrukturierung der Entscheidungsprozesse nachdenken. Volksentscheide sind doch grade in Mode und bedrohen unsere demokratische Struktur. Verblödendes Fernsehen allerdings auch.

Mehr fällt mir dazu im Angesicht des Verbrechens nicht mehr ein.

weiterführende Links

TV-Tipp „Im Angesicht des Verbrechens“