Goldrausch- Die Geschichte der Treuhand: Restposten DDR?

Die ambitionierte Doku „Goldrausch“ arbeitet die Geschichte der Treuhandanstalt filmisch auf und schreibt so auch ein Stück Zeitgeschichte, 22 Jahre nach der deutschen Einheit. Die Treuhand wurde seinerzeit gegründet, um das Staatseigentum beziehungsweise Volkseigentum der DDR zu privatisieren. Bekanntlich hat das nicht stressfrei hingehauen, um es flapsig zu formulieren, und diese historisch einmalige Situation hat bis heute Spuren hinterlassen. Ein wichtiger, sehenswerter Film, der von einigem Rummel begleitet wird, weil die Produktionsfirma auf einem Final Cut bestand und sich der Regisseur daher vom Film distanziert hat.

Die Treuhandanstalt wurde 1990 gegründet und arbeitete bis zu ihrer Auflösung 1994 daran, die volkseigenen DDR-Betriebe in die bundesrepublikanische Marktwirtschaft zu überführen. Nach 1994 übernahm im Wesentlichen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) diese Aufgabe. Neues Etikett, selbe Rechtsform, aber weit weniger politisch und emotional aufgeladen. Innerhalb von knapp vier Jahren vernichtete die Treuhand mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze, macht mehr als 250 Milliarden DM Schulden und jede Menge Schlagzeilen: Ausverkauf, Betrug, Gier, Skandale und Korruption. Vom ursprünglichen Gedanken einiger DDR-Bürgerrechtler, den Menschen ihr volkseigenes Kapital zurückzugeben, ist die Praxis himmelweit entfernt. Man mag es Naivität nennen, oder auch den politischen Machtverhältnissen zuschreiben, aber die Treuhandanstalt hat, politisch gewollt, einen kompletten sozialistischen Staat in einen Schnäppchemarkt verwandelt und auch das verramscht, was niet- und nagelfest war. Die Folgen der Arbeit der Treuhandanstalt sind auch rund 20 Jahre später kaum absehbar.

Die Dokumentation, die mit Unmengen an Archivmaterial die Wendejahre zurück ins Gedächtnis holt, bringt auch einige der maßgeblichen Akteure vor die Kamera. Die Interviewten äußern sich erstaunlich offen – im Wesentlichen Klaus Klamroth, der lange Zeit unter Korruptionsanklage stand, Detlef Scheunert, der quasi als einziger Ostler bei der Treuhand Karriere machte. Als damalige Vertreter der Politik kommen Reinhart Höppner und die DDR-Bürgerrechtler Gerd Gebhardt und Matthias Artzt zu Wort. Die Dokumentation macht keinen Hehl daraus, dass sie die Arbeit der Treuhandanstalt mehr als kritisch betrachtet und versucht zu rekonstruieren, wie es zu dieser Institution gekommen ist, wie sie gearbeitet hat und wie die politischen Hintergründe aussahen.

Doch es gibt auch Leerstellen in „Goldrausch“, die vielleicht ebenso aussagekräftig sind wie das Gezeigte. Abgesehen davon, dass sich der Regisseur und die Produzenten sowie der produzierenden Sender nicht auf eine Filmfassung einigen konnten und der Regisseur daraufhin seinen Namen vom Film zurückzog, fehlen auch Stellungnahmen damaliger Politiker, die maßgeblich das Konzept der Treuhand mitentwickelt und den absurd rapiden Zeitplan für die Privatisierung zumindest gebilligt haben. Vielleicht standen die Damen und Herren nicht zur Verfügung, vielleicht passten sie nicht ins Konzept der Doku? Laut Statement der Produktionsfirma ging es um den Erzählduktus. Der „Freitag“ hat in einem Artikel schon gemutmaßt, dass die ostdeutsche Sichtweise nicht in das Konzept westdeutschen Geschichtserlebens passe. Wie auch immer: wer politisch interessiert ist, wird zwischen den Zeilen lesen können und sich seine eigene Meinung bilden. Anlass zu einer wichtigen gesellschaftlichen Debatte gibt „Goldrausch“ zur Genüge. Vor allem das Politikversagen gibt zu denken. Und das späte Eingeständnis von gravierenden Fehlern ist zwar löblich, aber angesichts der Auswirkungen erstaunlich fatalistisch.

„Goldrausch – Die Geschichte der Treuhand“ nähert sich der umstrittenen Treuhandgesellschaft kritisch und mit Unmengen von Fakten und Ansichten, die der Bundesanstalt und der damaligen Politik kein gutes Zeugnis ausstellen. Vielleicht ist „Goldrausch“ nicht der Film geworden, der er hätte sein können, sehenswert und wichtig ist die Doku allemal. Immerhin könnte in diesem Kapitel deutscher Zeitgeschichte ein gravierender Grund liegen, warum nicht so einfach zusammenwächst, was zusammengehört.

PS: Auf der Homepage des Filmverleihs Realfiction.de findet sich ein Kinofinder mit Städten und Zeiten, in denen der Film zu sehen ist.  Goldrausch läuft ab dem 20.9.2012 im  3001 Kino in Hamburg.

Film-Wertung 7 out of 10 stars (7 / 10)

Goldrausch – Die Geschichte der Treuhand
Genre: Dokumentarfilm
Länge: 97 Minuten, D, 2012
Regisseur: Darf in diesem Zusammenhang nicht genannt werden
Mitwirkende: Detlef Scheunert, Klaus Klamroth, Christoph Partsch, Klaus-Peter Wild
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: RealFiction
Kinostart: 30.08.2012