The Pighounds – Tutti Frutti: Album Review

„Grunge aus Dortmund“ wird die Musik des tatkräftige Duo The Pighounds immer wieder genannt. Dat is knackig und bleibt im Kopp. Mit „Tutti Frutti“ hauen The Pighounds nun ihr neues Album raus und liefern wie gewohnt furios, melodiös, knarzig und schwer rockend ab. Wer die Beiden kennt, weiß worauf er sich freuen darf, alle andern erwartet eine bunte Mischung 90er Alternative Rock in zeitgemäßem Klangkörper. Das freundliche Kreuzberger Label Noisolution veröffentlicht „Tutti Frutti“ am 28. Februar 2025.

Ich kann nicht leugnen, dass ich mich sehr auf die Scheibe gefreut habe, denn ich habe die Musik von Peter Bering und Alessandro De Luca direkt von ersten Ton an ins Herz geschlossen. Seither bin ich Fanboy, was der Plattenkritik nicht unbedingt zuträglich sein muss. Nun wäre das geklärt.

Zu klären wäre auch, dass „Tutti Frutti“ das vierte Album von The Pighounds ist. Ich kenne die Band erst, seit sie bei Noisolution veröffentlicht, und doch ist das Label Debüt „Hilleboom“ das zweite Pighounds-Album. Zuvor hat das Duo auf Sweepland Records anno 2018 bereits „We used to be innocent“ veröffentlicht. Früher gab’s die CD noch bei Gigs zu erstehen. Frag mich nicht, wie das aktuell aussieht. Geht ja jetzt auch um das neue Album.

„Tutti Frutti“ ist für viele ein italienischer Obstsalat oder eine Eissorte, quasi Multifrucht, die ich noch nie ausstehen konnte. Ältere Menschen erinnern eine blödelige Stripshow im Privatfernsehen der 90er. Für musikaffine wieder ist „Tutti Frutti“ eine Initialzündung des Rock’n’Roll. Als ich als Knirps heimlich im Plattenschrank meiner Eltern Vinyl aufgelegt hab, war da auch ‚ne Greatest Hits Live Aufnahme von Little Richard dabei. Ich glaub, damals habe ich mich schwer infiziert.

Vier Fäuste für ein Hallelujah

Wer also beim Album-Cover von The Pighounds „Tutti Frutti“ an fliegende Schweine denkt ist zwar nicht auf dem Holzweg, aber hat sich aber von den musikalischen Malochern ein bisschen ins Bockhorn jagen lassen. Deren Kartoffeldruck segelt respektlos punkig über dem Industrieschlot. Auf „Tutti Frutti“ sind in 38 Minuten 11 alternative, vom Sound der 90er inspirierte Hits zu hören, die fast alles abdecken, was Freunde des melodischen Noise Rock so mögen können.

Na ja, auf CD kommt noch ein Bonus-Track dazu, der „El Nacamino“ heißt und in bester „Hidden Track“ Manier nach einer Ruhezeit einsetzt, obwohl auf dem CD-Cover verzeichnet. Also 90er gerechter Mehrwert auf CD; aber weniger hübsch als Vinyl.

Nun endlich zur Musik. Los geht’s mit einem knackigen Drama. „Malaise“ befindet sich im Angespanntheits-Level zwischen der Zuversicht es hinzubiegen und dem Zweifel, ob da noch was zu retten ist. Das mag eine Beziehung charakterisieren oder auch den Druck wieder was abzuliefern. Mitreißendes Riff, Uptempo Beats und ein eingängiger Refrain ziehen sich am eigenen Schopf aus der „Malaise“. You can work it out!

Anschließend rifft „Love Fuzz“ überraschend heavy und in gemäßigtem Groove in die doomigen Gegenden des Grunge. Ich fühlte mich an die „poppige“ Phase der Melvins zu „Houdini“-Zeiten erinnert. Die Inspiration mache ich im Albumverlauf häufiger aus. Wenn es also bei den Pighounds was neues /anderes gibt, das wären das die musikalischen Tentakel in schwerem Schlamm. Video wurde bereits vorab ausgekoppelt.

Wie auch von „Serenity“, das die Auftakt-Single markiert. Klassischer heavy 90er Sound und ein großartiger Song, der sich Nirvana-mäßig ins gehört beißt. „Bridgets“ macht heavy und slow weiter, bricht aus dem fetten Riff auch in Refrain nicht aus und ist ein heimlicher Liebling dieses schreibenden Testhörers, auch, weil’s nochmal abgeht.

„Geld zurück“-Garantie?

„Pay to Play“, ebenfalls vorab als Video/Single ausgekoppelt, mag sich wohl mit der Auftrittssituation von unbekannteren Bands beschäftigen, aber ein Schlumpf bleibt, wer Texten nur eine bedeutungsebene abgewinnen kann. Musikalisch sticht „Pay to Play“ mit seiner sommerlichen Leichtigkeit und der entspannteren Rhythmik schon aus dem Album-Zusammenhang heraus. The Pighounds können auch poppig.

„Hands of God“ reitet ein nahezu klassisches 70er Rock-Riff und hat Stampferqualitäten, die der ewigen Rock-Legende aus down under gut zu Gesicht stünden. „Crush“ wuchtelt sich wieder durch jenes Melvins Territorium, das vor lauter Wut nicht catchy sein mag, sondern sperrig und eckig rüberkommt. Die Dynamik baut sich knackig und schwer auf. Ich mag das sehr.

„Vadder“ textet trotzdem Englisch und mag ein sehr persönliche Song sein. Immerhin spricht jemand auf des Gitarristen Anrufbeantworter und das Erzahler-Ich beschäftigt sich mit der Vaterfigur und dessen Ansichtswechsel, der bei einem Selbst was auslöst. Das ist schon eine schöne Hommage und ein getragene Rockballade, die sich fein mitsingen lässt.

Anschließend verschiebt sich der Standpunkt ins stakkatoartig rockende. „ZZZ Cherie“ ist wohl die Reviermarkierung des Albums „(„Territorial Pissing“, ne. Aber was red ich.) „Down with this“ ist ein klassischer Pighounds Song. Reduziertes Riff, starker Beat, melodischer Gesang und feiner Refrain. Die Jungs schreiben einfach gute Lieder.

Pulverisiert vom Beat

„Day of the Acid“ markiert das (offizielle) Ende des Albums und beschwört die Apokalypse auch mit musikalischen Mitteln. Nach einem längeren, düster getragenen Intro, rollt eine beinahe Heavy Metal-artige Gitarrenwand auf die Hörerschaft zu. Dann wird’s wieder strophenruhig und wütet schwer im Refrain. Bockstarker und ausgesprochen heavy klingender Abschluss.

Wäre da nicht noch der CD-Bonus-Track „El Nocamino“. Keine Ahnung was das heißen soll. Auf alle Fälle wird hier noch eine groovy Riffwalze entfacht, die schon sehr geil rockt, aber schon irgendwie unterscheidbar anders klingt. Dennoch eindeutig The Pighounds.

Würde die Borussia auf den Level an harter Arbeit und Intensität abliefern wie das The Pighounds tun, wäre die Champions League sicher. Keine Ahnung wohin die Reise für das Dortmunder Duo geht, aber ich freu mich schon auf alles, was da kommt. So beständig den Underground zu rocken, ist heutzutage keineswegs selbstverständlich und bedarf schon erhebliche Hingabe. Und Danke für die Musik.

Als Pighounds Bat-Shirt-Träger sach ich ma so: „Tuitti Frutti“ ist ne richtig geile Scheibe für Fans von melodischem Grunge. Das hinreißende Überraschungsmomentum eine geile neue Band zu entdecken, lässt sich seit „Hilleboom“ nicht wiederbeleben. „Phat Pig Phace“ ist in seiner Wucht und krachigen Konsequenz für mich immer noch ein Überalbum. „Tutti Frutti“ erreicht das nicht. Dennoch: das Duo entwickelt sich und lotet konsequent neue Einflüsse aus, ohne den ganz eigenen Sound zu verlieren. Bockstark, catchy als f*** und fuzz verliebt.

Bewertung: 4 von 5.

The Pighounds – Tutti Frutti
Genre: Alternative Rock, Grunge
Länge: 38 Minuten, 11 Songs, D, 2025
Interpret: The Pighounds
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
Format: Vinyl, CD (w/ cd-only track), Digital
Album-VÖ: 28.02.2025

The Pighounds bei Instagram

Noisolution Pighounds-Seite

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