Was Neues bei brutstatt.de: musikalische Bestenliste. Ich fange mal mit den besten Liedern 2024 an. Eigentlich wären Alben stimmiger, auch und gerade, weil ich es vermieden habe Songs meiner liebsten Platten in diese Top 5 Song-Liste zu packen. Fühle ich mich dazu berufen? Habe ich den Überblick? Definitiv nicht. Aber wer hier Musik liest, weiß zumindest, dass es mehr oder minder rockig und kaum mal radiopoppig oft genug aus dem Untergrund kommt.
Seit einigen Jahren stelle ich auf Brutstatt.de auch verstärkt Musik vor. Scheinbar ist das heute nicht mehr so ein präsentes Thema wie es in meiner Jugend war. Man sagt der Gen Z und nachfolgenden nach, sie würden sich nicht mehr für Mukke interessieren. Ich mag das kaum glauben. Vor allem kann ich es nicht beurteilen.
Ich höre auch kein Radio, auch keine Internet-Sender. Weils mir auf den Sack geht. Ich hab auch keine Streming Abos. Und keine Algorithmen, die mir Zeug vorschlagen. Komplett aus der Zeit gefallen habe ich Fanzines abonniert und wühle mich durch die Reviews (sicherlich annähernd 2000 im Jahr). Checke was ich interessant finde, bleibe dran kleben. Regelmäßig frag‘ ich im Plattenladen nach spannenden Neuheiten und mein musikaffiner Bekanntenkreis schlägt mir Sachen vor.
Ich höre inzwischen alles, was nicht bei 3 auf dem Baum ist. Über Jazz und Hiphop zu Hardrock und Black Metal. Von Chanson zu Roots Blues und Psychedelic. Und doch bleibt es willkürlich und bildet nur Ausschnitte ab. Sicher ist meine vornehmliche Prägung Stromgitarren-affin und schwer riffend, aber das muss nicht so sein und schon gar nicht so bleiben. Manchmal kommt der erhellende Impuls aus dem linken Halbfeld.
Im vergangenen Jahr 2024 habe ich sicherlich mehrere Hundert neue Alben gecheckt. Die, die ich auf diesen Seiten vorgestellt habe, sind intensiver abgetastet worden. Versteht sich allein aufgrund der Chronistenpflicht und Kritikerethik. In einige nur kurz reingehört. Kein Mensch kann bei der Menge durchblicken. Und dennoch sind Songs kleben geblieben, die mich begeistern. Hier also meine
Top 5 Lieblingslieder 2024
5. Beth Gibbons –Reaching Out
Die Sängerin der TripHopper Portishead habe ich schon immer sehr geschätzt. Das aktuelle Album „Lives Outgrown“ hat wieder jede Menge hörenswerten elegischen Elektropop und sehr starke Songs zu bieten. Mensch mag denken, kenn ich schon von früher, stimmt aber nur bedingt und ist auch nicht notwendiger Weise das Wesentliche. „Reaching Out“ ist eine eingängige und tragisch schöne Auskoppelung aus dem Album und das Video macht zusätzlich Freude. Damit hatte ich nicht gerechnet.
4. Black Flamingo – Due
Das instrumental rockende Trio Black Flamingo hat 2024 sein Debüt-Album vorgelegt. Darin sind die Songtitel auf Arabisch aus Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung. Ich hatte da inhaltlich erst meine Vorbehalte (und hab sie auch nicht intensiver gecheckt) nachdem Godspeed you black Emperor in Sachen Gaza-Konflikt zumindest zweifelhaft unterwegs sind, was mich immer noch irritiert. Aber ich schweife ab. „An Nur“, arabisch für „Licht“ ist ein bockstarkes Heavy Stoner Doom Rockendes Album und „Due“rockt einfach wie Sau. ich komme aus dem Headbangen nicht mehr raus, wenn der Song anfängt.
3. Tommy& the Teleboys: Gib mir
Die Band aus Halle und Umgebung legte 2024 ebenfalls ihr Debüt vor. Ich habe die Noisolution Veröffentlichung ausführlich besprochen und abgefeiert. „Gib mir“ war schlicht und ergreifend mein Sommerhit 2024 geht zum Abfeiern, auf Urlaubsreise im Schrebergarten und am Baggersee. Und geht auch 2025 wieder. Küsschen Küsschen.
2. Big Special: „This Here Ain’t Water“
Auf das schottische Duo bin ich erst kurz nach Toreschluss gekommen, als ich die Magazine nach Bestenlisten und Zeug durchgefräst habe. Da bleib ich dann hängen an Albumtiteln wie „Postindustrial Hometown Blues“. Was mag sich dahinter verbergen? Erstaunlicherweise kommt der Sound den Big Special mit ihren als Duo begrenzten Mitteln raushauen dem beschriebenen Zustand ziemlich nahe. Da mischt sich wuchtige Rhythmik mit nöhligem Sprechgesang und erdigem Northern Soul, der schon lange nicht mehr so geschwitzt hat. Ich höre Hodja raus und sehe Kneecap und Sleaford Mods im Mosh Pit ne flotte Sohle hinlegen. „This here ain’t Water“ hat so viel Sehnsucht und unterdrückten Frust, dass es mich umreißt. Komm, hau nochmal auf die Toms.
1. Daily Thompson – Diamond Waves
Ich schätze das Trio aus Dortmund bereits seit dem Debüt, das mir irgendein PR-Type zukommen ließ, der längst nicht mehr auf meinem Radar ist. Da kam ich dann auch zu einem frühen Live-Gig der Band. Inzwischen haben Daily Thompson auch mal längerfristig einen Schlagwerker (der nicht gleich explodiert) und sind beim freundlichen Kreuzberger Label Noisolution untergekommen. Dort fühlt sich die Band offensichtlich pudelwohl und liefert ein klasse Album nach dem nächsten ab.
„Cuparosa“ wurde auf diesen Seiten vorgestellt und (mal wieder) gehuldigt und auf dem Album stach ein Song heraus, von dem beide Band selbst sagt, sie war sich unsicher, ob das Liedgut in das Daily Thompson Sound passen würde. Und ich kann nur bestätigen: Passt. Passt sogar sehr. Die Band ist längst so groß und so souverän, dass sie sich in jede Richtung entwickeln können ohne Credits und typischen Sound zu verlieren. „Diamond Wave“ ist eine Ode an die See und die Sehnsucht. Ganz große Liedkunst, die sich beständig steigert und mich jedes Mal soweit rausschwimmen lässt, dass ich nicht weiß, ob die Kraft für den Rückweg reicht („Gattaca“, ne). Einfach nur zeitlos schöner und episch Rock.
Soviel dazu. Kommentare erwünscht, eigene Listen auch.
Demnächst geht’s mit meinen Lieblingsalben 2024 weiter. Uns soviel sei verraten, es ist kein „Comeback“-Album dabei.