The Crow (2024): Güterbahnhof der verlorenen Liebe

Lange hat es gedauert, bis die Neuverfilmung von „The Crow“ endlich produziert wurde. Nun ist die Krähe wieder auf übernatürlichem Rachefeldzug, inszeniert von Regisseur Rupert Sanders und mit FKA twix und Skarsgård in den Hauptrollen auch für das Home-Entertainment als Stream und auf Blu-ray und DVD bei Leonine veröffentlicht worden.

Ausgerechnet im Strafvollzug lernt der junge Eric (Bill Skarsgård) seine große Liebe kennen. Shelly (FKA twix) ist Musikerin und hat ein Drogenproblem. Ihr Mutter hat sie schon früh in halbseidene Gesellschaft gebracht. Nun hat der diabolische Tycoon Vincent Roeg (Danny Huston), die berechtigte Sorge, dass Shelly zuviel Illegales gesehen hat. Er schickt Leute, die sich auch im Knast darum kümmern sollen.

Shelly und Eric gelingt der Ausbruch und eine kurze, intensive Zeit glücklicher Liebe, bis die Killer die beiden auflauern und töten. Doch Eric wacht in einer Art Zwischenwelt auf, wo ihm ein bärtiger Typ namens Kronos (Sami Bouajila) erzählt, das Eric zwar tot ist, aber er noch eine Aufgabe hat. Die Krähe schickt ihn zurück in die Welt, um die Bösen umzubringen und seine Liebe wieder lebendig zu machen. Ein bisschen Extrapower kann Eric auch gebrauchen, denn Roeg hat die übersinnliche Fähigkeit, Leute in den Selbstmord zu treiben.

„Deine glanzvolle und zugleich kaputte Erscheinung“ (Shelly)

Da steht ein Elefant im Raum, der die Sicht auf das Porzellan versperrt. „The Crow“ (2024) lässt sich einfach nicht gucken, ohne die Kult-Verfilmung von Regisseur Alex Proyas aus dem Jahr 1994 mit Brandon Lee zu erwähnen. Das ist insofern schade, weil der aktuelle Film von Regisseur Rupert Sanders durchaus sehenswerte und unterhaltsame düster-fantastische Racheaction hergibt. Aber dazu später mehr.

Die Comicverfilmung „The Crow“ war vor dreißig Jahren aus zwei Gründen legendär und erlangte Kultstatus. Ersten hat der tragische Unfall am Set, bei dem Hauptdarsteller Brandon Lee erschossen wurde, erheblich zum damalige Medienhype beigetragen. Zweitens ist Regisseur Proyas quasi endlich mal eine atmosphärisch überzeugende Comic-Verfilmung gelungen. Es gab sogar Kolleg:innen, die das Setting mit „Blade Runner“ verglichen haben.

Aber machen wir uns nicht vor: Die Graphic Novel „The Crow“ von Jame O’Barr, die in fünf Einzelheften erschien, war klassisches Gothic-Horror-Material. Nicht mehr, nicht weniger. Die Handlung war und ist abseitig und generisch genug, um damit fantastische Bildwelten zu füllen. O’Barr ist vor allem Zeichner. Ein Verweis auf den Dark Wave von Joy Division mag zur Beliebtheit des Films beigetragen haben.

„The Crow“ erlebte mäßige Fortsetzungen und Variationen. Und immer wieder war ein „Remake“ mit illustren Beteiligten im Gespräch, von Drehbuchautor Nick Cave über Darsteller Jason Momoa bis hin zur aktuellen Filmidee mit „Es“- & „Nosferatu“-Darsteller Bill Skarsgård. Rupert Sanders (Realverfilmung von „Ghost in the Shell“) sollte mit einem „relativ“ frischen Drehbuch für spektakuläre Bildwelten sorgen.

Das ist zum Teil gelungen. Im Extra-Material der DVD geht es um die Musik und auch um die Titelsequenz, in der sich Skarsgård zu fetzigen Sounds in zäher Flüssigkeit windet. Mich hat das nach Finchers The Girl with the Dragon Tattoo“ nun nicht umgehauen. Aber es ist schon schick. Auch kann ich der Zwischenwelt etwas abgewinne, die wirkt wie ein verfallener Güterbahnhof auf mehreren Ebenen. Ich mag den Look.

„Du bist wie geschaffen für mich.“ (Eric)

Apropos Look, auch Bill Skarsgård hat sich seine Ikonische Rolle sehr charakterstark angeeignet. Statt auf cool und düster zumachen, zelebriert er jenen Trash-Style, den Trap-Musiker Lil Peep (der früh verstorben ist) in den musikalischen Underground gebracht hat. Gesichtstattoos, Androgynität und flott bunte Mikrofaser-Pelze inklusive. Dabei liegt das musikalische Momentum in der „Neufassung“ eigentlich bei Shelly, aber Joy Division gibt’s auch.

Es dauert dann auch seine Zeit, bis Eric mit dem ikonischen Makeup auftaucht um seine Rache zu beenden. Der Weg („wird kein leichter sein“, würde Xaver Naidoo Floskeln), aber es ist dann doch arg brutal ausgefallen. Da wollten die Produzenten die Fangruppe mit Horror einfangen (und das Make up erinnert auch immer an Pennywise). Aber das Unterfangen war von Beginn an aussichtslos, denn altgediente „Crow“-Fans ändern ihre Ansicht nicht. Und ein neues, junges Publikum hat sich der Film mit der fehlenden Jugendfreigabe leider selbst verbaut.

Das ist schade, weil die Action nun nicht gerade spektakulär choreografiert ist, die Liebes- und Rache-.Geschichte bei jungen Leuten aber durchaus etwas zum schwingen bringen kann. Fast so, als hätten die Macher Angst vor der eignen romantischen Courage – und vor der Rache der Krähe.

„The Crow“ ist anno 2024 durchaus unterhaltsam geworden. An das „Original“ mit Brendon Lee kommt die Atmosphäre in Rupert Sanders Comic-Verfilmung nicht heran. Auch hatte es durchaus weniger brutal sein können. Regisseur Rupert Sanders gelingt eine unterhaltsame und düstere Comic-Verfilmung, die einen Neuentwurf, einen anderen ästhetischen Ansatz bietet. Das hätte es nicht zwingend gebraucht, aber es ist doch großteils gelungen.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

The Crow
OT: The Crow
Genre: Horror, Fantasy
Länge: 107 Minuten, USA/F/GB, 2024
Regie: Rupert Sanders
Schauspiel: Bill Skarsgård, FKA twigs, Danny Houston
Vorlage: Graphic Novel „The Crow“ von James O’Barr
FSK: ab 18 Jahren, keine Jugendfreigabe
Verleih: Leonide
Kinostart: 12.09.2024
digital-VÖ: 24.01.2025
DVD- & BD-VÖ: 24.01.2025

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