The Music Never Stopped: Der verlorene Sohn

Im #Partysommer24 geht es heute aufs Konzert. In dem wunderbaren Drama „The Music Never Stopped“ von 2011 geht es ebenso um die heilende Wirkung von Musik wie um eine verkorkste Vater-Sohn-Beziehung. J. K. Simmons ist in der Rolle des Vaters schon allein das Eintrittsgeld wert. Aus dem Archiv.

Basierend auf dem Essay „Der letzte Hippie“, einer Fallstudie von Oliver Sacks („Zeit des Erwachens“), wird die Geschichte von Gabriel Sawyer (Lou Taylor Pucci) erzählt. Sawyer hatte einen Gehirntumor der entfernt wurde. Nach der schwierigen Operation hatte der Patient kein Langzeitgedächtnis mehr und dämmerte in einem katatonischen Zustand vor sich hin. Die Eltern des Patienten, der gerade mal Mitte Dreißig ist, haben ihren Sohn seit über 20 Jahren nicht mehr gesehen und versuchen nun verzweifelt, Zugang zu ihm zu bekommen.

Durch die Hilfe einer Musiktherapeutin Diane Daley (Julia Ormond, „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“) erweist sich, dass Gabriel auf Musik reagiert, und sobald er seine Lieblingsmusik hört, erwacht er zum Leben. Das nötigt Vater Henry Sawyer (J. K. Simmons) sich mit dem ganzen Hippie-Zeug der Sechziger zu beschäftigen und sich die auch The Grateful Dead anzuhören, die sein Sohn so abgöttisch verehrt.

„Dark Star“

„The Music Never Stopped“ ist filmisch solide und mitfühlend umgesetzt und mit J.K. Simmons als Vater und Lou Taylor Pucci als Sohn wirklich schön besetzt. Den Titel zu Jim Kohlbergs Regieerstling lieferte übrigens der gleichnamige Grateful Dead Song vom Album „Blues For Allah“ (1975). Vor dem offiziellen Kinostart in Deutschland war „The Music Never Stopped“ bereits auf dem Filmfest Hamburg 2011 zu sehen, wo der Film zu meinen Lieblingen gehörte.

Thematisch sind Filme über Gedächtnisstörungen ebenso wenig Neuland wie über verkorkste Familienbeziehungen. Gerade die Generationskonflikte in den 1960ern haben nicht nur die USA tief zerrüttet und Flower Power und der Vietnam-Krieg haben dazu geführt, dass die Vater ihre Söhne nicht mehr verstanden und sich die Söhne von den Vätern entfremdeten. Auf dieser Basis entfaltet „The Music Never Stopped“ nicht nur eine medizinische Geschichte sondern ein Gesellschaftsdrama, das mit zwei wunderbaren Protagonisten auf den Mikrokosmos Familie reduziert wird. Das gelingt Regisseur Jim Kohlberg außerordentlich gut.

„New Speedway Boogie“

Vor allem J. K. Simmons „Whiplash“, „Juno“) füllt die Rolle des strengen aber liebevollen Vaters ganz wunderbar aus. Nachdem er im Zuge der Wirtschaftskrise seinen Job als Ingenieur verloren hat, verliert der frühzeitige Rentner auch seinen Lebensmut und seinen Lebenssinn. Da hilft nicht einmal die Liebe zur Musik.

Als Henry Sawyer die Chance erhält, sich mit seinem Sohn auszusöhnen, zögert er zunächst dennoch. Bis er über seinen Schatten springt und sich durch die ihm fremde Musik in die Welt seines Sohnes begibt. Die Wandlung des Vaters in „The Music Never Stopped“ geschieht mit viel Feingefühl, subtilem und auch plakativem Humor und vor allem mit einer Glaubwürdigkeit, die die Stärke des Dramas ausmacht. Neben der großartigen Musik versteht sich.

Was „The Music Never Stopped“ an Originalität bezüglich der Handlung entbehrt, macht das sehenswerte Drama mit großartigem Soundtrack, hingebungsvollen Darstellern und einem erstaunlichen Feel Good Faktor wieder wett. Da lohnt sich der Gang ins Kino.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Version 1.0.0

The Music Never Stopped
OT: The Music Never Stopped
Genre: Drama
Länge: 100 Minuten, USA, 2011
Regie: Jim Kohlberg
Darsteller:innen: J. K. Simmons, Julia Ormond, Lou Taylor Pucci
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Leonine
Kinostart: 29.03.2012
DVD-VÖ: 24.08.2012