Das Psychoduell zwischen dem südafrikanischen Erzbischof Desmond Tutu und dem verurteilten ehemaligen Soldaten Piet Blomfeld ist nicht nur ein forderndes Drama sondern will auch die Arbeit der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission schildern, die seinerzeit einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Apartheid leistete. Das mit Eric Bana und Forrest Whittaker starbesetzt Drama um die Aufarbeitung der Apartheid, kommt hierzulande mit einiger Verspätung als DVD und Blu-ray auf den Markt. Eurovideo veröffentlicht das Drama als Home-Entertainment-Premiere.
Zwar ist der Erzbischof von Johannisburg, Desmond Tutu (Forrest Whittaker) von einer schweren Krankheit angeschlagen, als ihn der Präsident bittet, den Vorsitz der neu eingerichteten TRC zu übernehmen. Die „Truth and Reconciliation Commission“ (Wahrheits- und Vergebungskommission) versucht, die Gräueltaten und politisch motivierte Verbrechen während des rassentrennenden Regimes aufzuklären, und zwar sowohl von weißen wie farbigen Südafrikanern. Zumindest soll Angehörigen von Opfern und Verschwundenen so eine Gewissheit als Basis der Trauer und Verarbeitung ermöglicht werden.
Unerwartet erreicht den Erzbischof der Brief des inhaftierten Mörders Piet Blomfeld (Eric Bana). Der wurde als Mitglieds der Sicherheitspolizei wegen Mordes und Folter zu lebenslanger Haft verurteilt. Tutu trifft sich gegen besseres Wissen mit dem uneinsichtigen Rassisten Blomfeld. Der hat, so scheint es, nichts Besseres zu tun als den Kirchenmann zu beleidigen und zu einem Wettstreit der Weltanschauungen herauszufordern.
Obwohl Tutu darauf nicht eingeht, bleibt er mit dem Häftling in Hochsicherheitsgefängnis von Pollsmoor in Kontakt. Der Bischof verspricht sich auch Aufklärung über das spurlose Verschwinden einer jungen Frau. Deren Mutter ist verzweifelt und seit Jahren im Ungewissen über das Schicksal ihrer Tochter. Bomfeld erwähnt eher beiläufig jenen brutalen Einsatz, bei dem die junge Frau verschwand.
Vielleicht hätte Regisseur Roland Joffè („The Killing Fields“) besser daran getan, den Film nicht in Anlehnung an John Hustons klassischen Western „The Unforgiven“ (Dt: Denen man nicht vergibt“, 1960) zu betiteln, sondern sich an den Titel des Theaterstückes zu halten, das als Vorlage für den Film dient. „The Archbishop and the Antichrist“ („Der Erzbischof und der Antichrist“), ist eine Bühnenstück von Michael Ashton. Zwar geht es in den Stück wie auch in dem Film um Vergebung, aber anders als der Filmtitel und die Präsentation der beiden Widersacher es nahelegen.
Tatsächlich kommt schnell ein ungutes Gefühl auf, wenn „The Forgiven“ dem plakativen Hass und der weißen Überlegenheit des uneinsichtig zynischen Straftäters so viel Raum gegeben wird. Sicher geht es auch darum, die psychologische Herausforderung für den Erzbischof zu veranschaulichen. Die Grenzen seines Glaubens auszuloten und zu fragen, ob so einem menschlichen Monster überhaupt vergeben werden kann. Doch genau an diesem Punkt beißt sich das Drama fest und tritt auf der Stelle. Die Dialogduelle zwischen Blomfeld und Tutu sind überreizt, derart auf die Spitze getrieben, dass die Anspannung in das Gegenteil umschlägt. Da können auch die gut aufgelegten Darsteller nicht viel retten.
Die Rahmenhandlung um dieses Duell zwischen Gut und Böse bringt das vermeintliche Zeitkolorit in den Film. Dabei wird kaum lange auf die TRC eingegangen, sondern stattdessen lieber gezeigt, wie diese arbeitet. Anhörungsverfahren, die wie Gerichtsprozesse inszeniert. Der Film bleibt dabei an den fiktionalisierten Tatsachen, aus dramaturgischen Gründen wurden mehrere Einzelschicksale in bestimmten Charakter zusammengefasst. Beispielsweise bei Blomfeld, den es so in der Realität nicht gab, wohl aber eine berüchtigte Schutzpolizeitruppe, deren Bestialität verrufen war. Ebenso wird auf Opferseite fiktionalisiert, auch Ms.Morobe, die Gewissheit über ihre Tochter sucht, ist keine reale Person. (Wer sich zu dem Thema TRC und zu Desmond Tutu weiterinformieren will findet in den englischen Wikipedia-Einträgen deutlich fundiertere Beiträge.)
Immer wieder werden Gräuel und Barbareien ausgebreitet (wenn auch nicht gezeigt), scheinbar bis die Opferangehörigen oder Bischof Tutu es nicht mehr ertragen, aber doch lange genug, dass es Zuschauer:innen als reißerische Gewaltdarstellung empfinden können. Solche fragwürdigen, übergriffigen Szenen gibt es in „The Forgiven“ zuhauf. Bei der Sichtung stellt sich dann die Frage, ob das unsensibel ist, eine arg zugespitzte Darstellung des Innenlebens der Charaktere oder eine seltsame Art der Einfühlung in die Figuren? Es stellt sich der Eindruck ein, das ständige Provozieren mit Gewalt ist ein bewusstes Stilmittel. Ich empfinde das als ebenso überflüssig wie unangemessen. Andere Zuschauer:innen mögen das unterschiedlich bewerten.
Dessen ungeachtet liefert Forrest Whittacker eine sehenswerte Darstellung des Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu ab. Dem Erzbischof hätte ich allerdings eine andere Filmbiographie gewünscht, aber diesen Anspruch hat „The Forgiven“ auch gar nicht. Eric Bana ist als unverbesserlicher Rassist und brutaler Häftling so überzeugend und präsent wie immer, für die Absurditäten seines Charakters ist nicht der Schauspieler verantwortlich, sondern das Drehbuch.
Das Psychodrama „The Forgiven“ basiert auf einem Theaterstück und stellt eine bestimmte Phase der jüngeren Geschichte Südafrikas dar. Das ist bisweilen lehrreich und gewährt stimmige Einblicke in diese Zeit. Doch dramaturgisch kann das Werk von Regie-Altmeister Roland Joffé nicht durchgehend überzeugen; die Stars Eric Bana und Forrest Whittacker schon.
Film-Wertung: (4,5 / 10)
The Fogiven
OT: The Forgiven
Genre: Drama, Biografie
Länge: 115 Minuten, ZA/ USA, 2017
Regie: Roland Joffé
Darsteller: Forrest Whittaker, Eric Bana
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Eurovideo:
VoD: 11.03.2021
DVD- & BD-VÖ: 25.03.2021