Yeast Machine- Sleaze: Album Review

Das Tübinger Quintett Yeast Machine legt mit „Sleaze“ sein Debutalbum vor. Wer sich im hiesigen Untergrund für harte, gitarrenlastige Musik tummelt, mag bereits gelegentlich über den Bandnamen gestolpert sein. Tonzonen Records, das findige Plattenlabel für progressive Töne, hat der Band einen Labelhafen geboten, und mit „Sleaze“, das am 19. April 2024 erscheint, hauen die Tübinger mal einen Meilenstein raus. Ich hab‘s nicht so mit kritischer Zurückhaltung: „Volker, hör die Signale!“

Nachdem ich aus dem Headbangen und Luftgitarre spielen wieder raus bin, muss ich meine Begeisterung in Bahnen lenken und in Worte fassen. Yeast Machine haben sich quasi proaktiv bereits vor diesem Tonträger bemerkbar gemacht. Zudem ist die Band auch live sehr aktiv (zumindest nach der Pandemie) und hat bereits einiges an Material im Selbstverlag rausgehauen. „Sievings“ wurde auf diesen Seiten auch vorgestellt. Das wunderbare Video zu „Garden Wall“ neulich auch.

Selbstverständlich ist es naheliegend den Albumtitel vor allem musikalisch zu verorten. Allerdings haben Yeast Machine mit Sleaze Rock oder Hair Metal so wenig am Hut, dass das andere Bedeutungsebenen hermüssen, um die Angelegenheit fassbar zu machen. „Sleaze“ übersetzt sich mit „Verkommenheit“. Fragt sich also nun, was das mit den musikalischen Schaffen der Tübinger zu tun hat? Oder mit der Ausrichtung der Texte, die nicht beilagen (aber auf Bandcamp zu finden sind;)).

„And the story unfolds

Möglicherweise darf die geneigte Hörerschaft dem diabolisch Blaumaskierten auf dem Cover auch unflätige Gedanke mit den Gartenzwerg unterstellen. Und was überhaupt ist das für eine Struktur? Links am Bildrand, die sich Klappcover begründet zu einer Mammut-artigen Erscheinung entwickelt. Zuviel UFOmammut entlang des Weges? Mich erinnert das Cover-Motiv an das Bilderbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“ (OT: Where the Wild Things are“), das Spike Jonze so hinreißend ohne CGI-Schnickschnack verfilmte. Aber ich schweife wieder ab, sorry.

Auf „Sleaze“ gibt es neun Songs in 43 Minuten, die sich an Intensität gegenseitig überbieten und so für enormen Abwechslungsreichtum sorgen. Dabei hat die Band, die seit 2021 besteht und von den Gitarren-Brüdern Tobias und Fabian Köninger mit Sänger Benjamin Frenzel gegründet wurde, durchaus ihren eigenen Sound. Die Rhythmustruppe aus Jonas Bischof am Schlagzeug und Marcel Gundlach am Bass sorgt dafür, dass die musikalische Vision an den Rändern nicht ausfranst. Angesichts des Aufkommens an progressiven Elementen und flaumigen Sounds schon eine Leistung ist.

By the eternal stones

Grundsätzlich sind Yeast Machine vom Grunge aus in See gestochen, bei früherem Liedgut war eine deutlichere Nähe zu Alice in Chains auszumachen. Die wurde vornehmlich vom Gesang nahegelegt und wegen der Härte der Riffs und Songs verfestigt. Dazu sind aber weitere Einflüsse gekommen, die dem Quintett eine eigenständige musikalische Identität verschafft haben. Ich höre frühe progressive Rockbands und auch folkloristische Einflüsse. Von Pavlov’s Dog bis zu Marillion kann ich den Bogen ziehen. Abschweifend könnte ich noch erwähnen, dass ich neulich erst den Directors Cut von „The Wicker Man“ wiedergesehen habe, auch das höre ich aus „Sleaze“ wiederhallen. Und bisweilen kommt auf „Sleaze“ auch ein klassisches Disco-Riff zum Tragen.

Of the dead and the cold

Schlicht gesagt, lassen sich auf dem Album drei Arten von Songs unterscheiden: Die akustischen, die vertrackten und die Rocker. Akustisch geht es bei „Intro“ zu. Das dront sich in Fantasy-Soundtrack-Gefilde und in bietet mit epischem Pathos der Vikinger-Bestattung ein letztes Geleit. Welches nahtlos in den groovy Nackenbrecher „Universal Avatar“ übergeht. Hier kommt ein liebster Kyuss-Galopp zu voller Blüte und Ben singt sich die Seele aus dem Leib. Das singende Riff und die brechenden Vocals machen den Song zu einem Knaller.
„Banshee“ setzt mit mehr Tempo und einem sirrenden Gitarrenpart an, und die Spannung bleibt hoch, bis es nach zweidrittel des Lieds in ruhigere Gefilde geht. Damit hätten wir alle drei Sorten von Lied schon mal angecheckt. „Garden Wall“ ist wieder so eine hinreißende Grunge-Hymne, deren Refrain einfach im Ohr hängen bleibt.

Where the children hide

„First of July“ markiert dann eine andere Art von Pause. Diese minimalistische Elegie kommt so filigran gebrochen rüber wie es nur elementarer Blues vermag. Ich steh drauf und bin direkt in melancholischen Nick Drake Gefilden. Der Song erinnert mich in seiner Nacktheit an das unterbewertete Matt Burt Album „Gravedigger’s Blues“. Ebenso wie das Türenschließen am Ende des Albums, wenn „I Can See“ die Hörerschaft wieder in die Welt entlassen hat.

„Brittle Pillars“ haut wieder ein knackiges Riff raus und erneut fällt mir auf, wie souverän und vertraut die beiden Gitarren miteinander kommunizieren. Der Gesang ist in der Strophe relativ entspannt, was für einen seltsamen Kontrast sorgt und mich an bereits erwähnte Marillion zu Fish-Zeiten erinnert. Aber da mag jeder anders hören. Das Ergebnis ist jedenfalls ein Nackenbrecher erster Güte. „Circling Bird“ holt dann die Disco-Kugel raus und das Wah-Pedal. Irgendwo zwischen Kiss und Metallica finden Yeast Machine ihren Sweet Spot von dem aus es sich in schieren Furor wächst; inklusive gehauchter Backing Vocals, versteht sich.

Cause they made friends with the ghost

„Rip it Up“ spielt dann sehr gekonnt mit Laut-Leise-Dynamik und päsentiert eine gesanglichen Bandbreite, die das Klangspektrum ausfüllen kann. Mal mehr Türen klappernd, mal mehr mit STP geölt. Und von der Melodieführung vielleicht am konventionellsten (was nur beschreibt nicht wertet). „I can See“ lasst es gemächlich ausrollen. Und fertig ist das Mega-Album.

And they are calling her name“ (Banshee)

Der einzige Grund, warum ich an dieser Stelle keine Höchstwertung raushaue ist derselbe wie bei den Sludge Metallern Pryne. Was soll denn da noch kommen, wen Künstler bereits mit dem Debüt komplett abräumen? Außerdem bin ich mir sicher, für beide Bands ist noch Luft nach oben. Dann hat‘s auch irgendwann mal ein Ende mit den ewigen Rückwarts-Vergleichen. Kommt, geht spielten.

Mit „Sleaze“ hauen Yeast Machine ein episches Heavy Rock Album raus, das jetzt schon eines der Highlights meines Musikjahres ist. Verankert irgendwo lose im Grunge und Indierock der Neuziger holen Yeast Machine in fast jedem Song neue, überraschende Elemente raus und vergessen das Rocken dabei nicht. Etliche Songs haben Ohrwurmpotential und gehören in Heavy Rotation. Über allem aber thront der Gesang von Benjamin Frenzel. Der hat seine Einflüsse längst hinter sich gelassen und seinen eigenen Sound gefunden. Das ist schlicht eine der geilsten Vocal-Performances der letzten Jahre. Mehr, schrie der kleine Häwelmann.

Album-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Yeast Machine: Sleaze
Genre:Stoner Rock, Progressive, Grunge,
Länge: 43 Minuten ( 9 Songs), d, 2024
Interpret: Yeast Machine
Label: Tonzonen Records
Vertrieb: Soulfood
Format: Vinyl, digital, CD
VÖ: 19.04.2024

Yeast Machine bei Bandcamp
Bandseite bei Tonzonen
Yeast Machine bei Instagram

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