Eureka: Der Marabu im Raum

Nach mehr als 10 Jahren hat der argentinische Autorenfilmer Lisandro Alonso wieder einen Film, gedreht. In der episch angelegten Parabel werden Aspekte indigener Kultur nebeneinandergestellt und miteinander in Verbindung gebracht. Der in ruhigen Bildern gedrehte Film mit Viggo Mortensen und Chiara Mastroianni lässt Raum für eigene Gedanken. Grandfilm präsentiert „Eureka“ an dem 25. April 2024 im Kino.

In einem klassischen Westernsetting ist der der schweigsame Murphy (Viggo Mortensen) auf dem Weg in die Stadt und auf der Suche nach seiner Tochter Molly. Er wird erwartet. In dem Indianerreservat in South Dakota haben die Polizistin Alaina (Alaina Clifford) und ihre Mitbewohnerin Sadie (Sadie LaPointe) den Alltag im Reservat satt. Und im Amazonas Regenwald erzählt sich ein Stamm Geschichten und Träume, bis es zu einem Streit kommt. Der Messerstecher flieht und wird zum Goldsucher.

Der argentinische Filmmacher Lisandro Alonso widmete sich bereits 2014 mit seinem hochgelobten Drama „Jauja“, in dem Viggo Mortensen ebenfalls mitwirkte, dem Leben indigener Bevölkerungsgruppen. Nun knüpft „Eureka“ nicht direkt daran an, führt aber die Gedankenwelt möglicherweise weiter aus. In den drei Episoden von „Eureka“ geht es quer durch Zeit und Raum – und durch Filmformate und -stile. Die tatsächliche äußere Handlung ist dabei überschaubar, das Erzähltempo behutsam und meditativ, die Kameraeinstellungen lang und ruhig.

„Raum, nicht Zeit“

Es gibt Filmleute, die diese ruhige Art des filmischen Erzählens als „Slow Cinema“ bezeichnen. das ist weniger ein inhaltlicher Zusammenhang als eine stilistische Haltung, die sich durchaus auch in diversen Genres wiederfinden mag, grundsätzlich aber einem Drama mit metaphysischen und/oder archaischen Aspekten gut zu Gesicht steht. Das ist durchaus wirkmächtig, da das Publikum Gelegenheit bekommt, in die Welten einzutauchen und eigene Verknüpfungen und Schlüsse zu ziehen.

„Eureka“ oder „Heureka“ ist unter anderem jener Ausruf der Freude, den Archimedes tat, als er ein mathematisches Prinzip gefunden hatte. „Entdecke! Erfinde!“ kommt aus einer Überlieferung des altgriechischen Dichters Plutarch. Neben dem Titel ist es vor allem die Szene, die den Film scheinbar fokussiert. In dieser wendet sich Sadie an ihren Großvater um den Weg der Vorfahren zu lernen. Sein Rat lautet, dass es um „Raum, nicht Zeit“ geht.

Doch das filmische Triptychon (oder der Episodenfilm) „Eureka“ beginnt mit einem in hochglänzend gefilmten Schwarzweiß und im 4:3 Format, das früher oft auch im TV verwendet wurde. Das Spiel mit dem Western-Genre bleibt kryptisch. Aber eine der Figuren, namens „El Coronel“ taucht in allen drei Episoden auf und stellt so eine der Verbindungen her.

Disparate Erzählungen

Das zentrale Stück des Films scheint der Mittelteil im Lakota-Gebiet der Gegenwart zu sein. Bei winterlichen Verhältnissen beginnt die Polizistin Alaina ihren Dienst, der aus der der Suche nach einem Kind, der Schlichtung eines häuslichen Konfliktes und Verkehrsvorfällen besteht. Verstärkung steht nicht zur Verfügung. Die junge Frau muss die Probleme allein bewältigen. Mit seiner Düsternis und beleuchteten Tristesse macht dieser Filmabschnitt all die Probleme sichtbar.

Im dritten Szenario findet sich das Publikum wieder in einer anderen Zeit, in einer anderen Gegend und in einem anderen Filmformat und Stilistik wieder. die Flucht aus dem Stammesverband, das auf sich gestellte nach Gold schürfen und die sich daraus ergebenden Probleme sind ebenfalls exemplarisch übertragbar für indigene Lebensrealität in Zeiten des Kolonialismus. Der Marabu als (afrikanischer) Kulturfolger und Aasfresser hat im Filmzusammenhang sicher auch eine metaphysische Ebene, die zur Thematik beiträgt.

Allein, die Kunstfertigkeit, die Darsteller und die Erzählweise haben es nicht vermocht, eine Faszination zu erzeugen, die durch die zweieinhalbstündige Meditation über transamerikanische Eingeborenenhistorie und –Kultur und deren Verlust und Probleme hindurchgetragen hätte. Was nicht am grundsätzlichen Fremdeln mit Slow Cinema liegt.

„Eureka“ ist eigentlich ein eindrücklicher Film, der in vergleichsweise unzusammenhängender Weise drei Episoden zusammenstellt. Ob daraus für das Publikum ein übergeordnetes Ganzes entsteht, hängt auch davon ab, inwiefern mensch dieser Art von „Slow Cinema“ etwas abgewinnen kann. Das ist immer auch mit dem Risiko verbunden, Schauende auf dem Weg zu verlieren. So wie den Rezensenten.

Film-Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

Eureka
OT: Eureka
Genre: Drama
Länge: 147 Minuten, ARG/ D/ F 2023
Regie: Lisandro Alonso
Darsteller:innen: Alaina Clifford, Viggo Mortensen, Chiara Mastroianni, Sadie LaPointe,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Grandfilm
Kinostart: 25.04.2024

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