Der Schatten von Caravaggio: Zweifel und Anmut

Der italienische Maler Caravaggio gilt als Inbegriff des verruchten Künstlers und war zu Lebzeiten immer wieder in Konflikte verwickelt. Auch deshalb, weil seine Kunstauffassung nicht immer mit der Lehrmeinung der Kirche in Einklang stand. Da gab es im Frühbarock schon mal Stress. Der italienische Filmmacher Michele Placido hat dem berühmten Maler nun ein Filmporträt gewidmet. Wild Bunch veröffentlicht den Film im Februar 2024 für das Home-Entertainment.

Im Jahr 1609 hat sich der Maler Michelangelo Merisi (Ricardo Scamarco), auch nach seinem Heimatort Caravaggio genannt, nach Neapel begeben, weil er in Rom wegen Mordes gesucht wird. In Neapel kann er sich in den Schutz der einflussreichen Comtessa Costanza Colonna (Isabelle Huppert) flüchten. Doch der die Familie des von Caravaggio getöteten Edelmannes sucht Vergeltung.

Derweil hat der Maler ein Begnadigungsgesuch an den Papst geschickt. Dieser lässt daraufhin Caravaggios Leben und seine Kunst von einem Experten prüfen. Jener „Schatten“ (Louis Garrel) genannte begibt sich auf Spurensuche, inspiziert die Gemälde Merisis, die weitgehend gut versteckt in den Villen der Kardinäle und Edelleute stecken. Oft genug wird dem Maler Ketzerei vorgeworden.

„Ich will den Menschen etwas Echtes entgegenbringen. Jemand meint, das sei Ketzerei.“

Auch Merisis Lebensstil steht auf dem Prüfstand. Er, der von sich selbst sagt, die Straße sei seine Inspiration, und der einfache Leute als Modelle für seine christlichen Motive auswählt, lässt sich oft genug ein mit dem einfachen Volk, den Huren und den Säufern. Für seine Künstlerkollegen hingegen hat Caravaggio nur Spott übrig.

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Kunst zu Zeiten von Caravaggiov quasi ausschließlich als religiöse Darstellung vorkam. Die Kirche beauftragte alle Arbeiten um ihre Gotteshäuser und Altäre zu schmücken. Das schränkt einerseits die Wahl der Motive auf biblische Szenen ein, andererseits ist diese Kunst auch einer bestimmten Welt- und Glaubenssicht verpflichtet.

Um das Ketzerische, das Kontroverse an Caravaggios Bildern zu verstehen, sollte das Publikum eine Ahnung haben, dass jede Darstellung auch immer ein „Himmlisches Element“ beinhaltete. Und genau dem hat sich der Künstler Michelangelo Merisi verweigert, indem er immer wieder das Diesseitige, Das weltliche in seinen Darstellungen betonte. Regisseur Placido („Romanzo Criminale“, „Suburra“) lässt das Publikum aus der Perspektive von Caravaggios Schatten, dem Inquisitor aus Rom, an der Genialität und Kunstauffassung des Malers teilhaben.

„Eure Bilder verleiten die Menschen zu zweifeln. Und die Kirche will nicht, dass sie zweifeln.

Wie viele wohlgesonnenen Kirchenfürsten, erkennt auch der Schatten das Einzigartige, das Innovative in Caravaggios Kunst. Allein, es lässt sich nicht ohne Konsequenzen gegen das kirchliche Dekret verstoßen. Hinzu kommt, dass der Schatten Bekannte von Caravaggio befragt und dessen lasterhaften Lebenswandel untersucht. Oder wie es ein Malerkollege ausdrückt, der Caravaggio angeklagt hat: „Caravaggio ist wahrhaftig ein unglaublicher Maler, aber sein Leben ist schmutzig.“

Hier steht also ein Lebensstil auf dem Prüfstand und der wird von Michele Placido und seinem Team vergleichsweise modern dargestellt. Nicht nur, dass Merisi auch eine Frau inspirierte „nach dem Leben“ zu malen, auch nimmt er an opulenten orgiastischen Feierlichkeiten teil und sitz just zu dem Moment im Gefängnis in Rom, als der Ketzer Giordano Bruno anno 1600 verbrannt werden soll. Selbstredend erkennen die beiden Nonkonformisten einander als aufrechte Seelen.

„Der Schatten von Caravaggio“ bemüht sich schon sehr, den genialischen Künstler als Rockstar zu inszenieren; Tennis spielend und mit Männerdutt, während die zeitkolorierende Musik von einem Keyboard vorgetragen wird. Das wirkt schon wie eine Mischung aus Robin Hood und Graf von Monte Christo in Künstlerkreisen. Wobei die Schauwerte in „Der Schatten von Caravaggio“ schon sehr überzeugend ausgefallen sind.

„Der Maler Rubens hat die Leinwand gekauft. Sonst wäre die „Jungfrau“ nicht mehr erhalten.“

Es ist leicht sich in die Szenerie fallen zu lassen und sich vorzustellen, mensch wäre in einem von Caravaggios Gemälden. Weiches Licht, grobkörnige Bilder, viel charismatischer Schattenwurf (der zur Doppeldeutigkeit des Filmtitels beiträgt) und mittendrin der glutäugige Künstler höchstselbst. Schauspieler Ricardo Scamarcio („John Wick 2“,“ „Poliezei“) füllt die Rolle mit Leben. Sein Gegenpart wird Louis Garrel („Little Women“, „Drei Musketiere“) ebenso charakterstark dargestellt.

Allerdings reicht die Handlung an Spannung und Faszination nicht aus, um den Film zu tragen. Auch sind die Umstände von Caravaggios Tod nicht bekannt, hier wird arg spekuliert. Es bleibt also der Umstand, dass er sich in seinen letzten Lebensjahren, in denen er durchaus noch schöpferisch tätig war, in Neapel (und auf Malta) versteckt hat, um einer Strafe zu entgehen. Michelangelo Merisi starb mit nicht einmal 40 Jahren und hinterließ ein einflussreiches und umfangreiches Oevre.

„Der Schatten von Caravaggio“ weiß vor allem in Sachen Ausstattung und Optik zu überzeugen. Über weite Strecken des episodisch erzählten Biopics fühlt sich das Publikum aufgrund der Lichtqualität und Melancholie in die Bilder Caravaggios hineinversetzt. Die Handlung bleibt schlicht und sporadisch, der Gestus neigt zum Pathos. Der genialische Künstler wird eindrucksvoll dargestellt, weiß aber allein nicht über die gesamte Filmlänge zu fesseln.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Der Schatten des Caravaggio
OT: L’ombra di Caravaggio
Genre: Drama, Biografie, Kunst
Länge: 120 Minuten, I, 2023
Regie: Michele Placido
Darsteller:innen: Ricardo Scamarcio, Isabelle Huppert, Louis Garrel
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Wild Bunch
Kinostart: 12.10.2023
Digital-VÖ: 15.02.2024
DVD-VÖ: 29.02.2024

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