Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis: Das goldene Zeitalter der Musikindustrie

Der renommierte Fotograf und Filmmacher Anton Corbijn hat nach einigen Musikvideos wieder einen Film gedreht. „Squaring the Circle“ erzählt in gestylten Bildern und mit prominenten Gesprächspartnern die Geschichte des Graphic Design Studios „Hipgnosis“. Die Agentur war verantwortlich für etliche der ikonischen Album-Cover großer Rockbands der 1970er und 80er Jahre. Ein launiger und unterhaltsamer Rückblick auf die „Goldenen Jahre der Rockmusik“. Im Kino ab 14. März 2024.

In stilvollem Schwarz-Weiß folgt die Kamera einem älteren Herrn, der sich einem altehrwürdigen Gebäude nähert und dort seine großformatige Kunstmappe absetzt. Hernach hält Storm Thorgerson diverse weltberühmte Album-Cover in die Kamera und beginnt zu erzählen.

Thorgerson ist eine Hälfte des berühmten Design Teams Hipgnosis, das Mitte der 1960er Jahre eher durch Zufall zusammenfand und durch enge Freundschaft mit einigen Musikern von Pink Floyd einen Fuß in die Tür des Musikbusiness bekam. Fortan entwarf Hipgnosis Plattencover für die Band und sehr bald auch für andere bekannte und berühmte Rock- und Pop-Künstler. Denn die Ideen von Hipgnosis unterschieden sich deutlich von der herkömmlichen Art der Verpackungsaufmachung für Musikalben.

Die andere Hälfte des umtriebigen Duos war Aubrey „Po“ Powell ist ein ebenso genialischer wie eigenwilliger Charakter. Immer wieder eckt Po mit seiner nervigen und arroganten Art auch an, doch als Team funktioniert Hipgnosis. In späteren Jahren, als Punk das Licht der Welt erblickt, holt das Duo noch einen weiteren Mitstreiter in die Agentur, den inzwischen ebenfalls verstorbenen Peter Christopherson.

Dark Side of the Moon

Dieser kam später auch als Musiker bei Throbbing Gristle und Coil zu Ruhm, wird in der Doku aber nur gelegentlich erwähnt und vor allem zu jener Zeit als es der Agentur schon schlecht ging. Zu Beginn der Achtziger Jahre bekam die Agentur zunehmend finanzielle Schwierigkeiten und persönliche Differenzen. Thorgerson verließ die Agentur. Einige Jahre später war dann endgültig Schluss.

Das alles ließe sich auch bei Wikipedia nachlesen und niemand müsste sich dafür ins Kino setzten. Allerdings ist Anton Corbijn („Control“, „Most Wanted Man“, „Life“) selbst ein großer visueller Künstler und weiß einen unterhaltsamen Film zu drehen. Mehr dazu eventuell in der sehenswerten Doku „Inside out“ über Corbijn. Als Musikfotograph und Videokünstler gelingt es ihm die großen der Rockmusik vor die Kamera zu bekommen, und bisweilen wirkt es, als würden die Promis aus dem Nähkästchen plaudern. Was sie selbstredend nicht tun. Erstaunlicher Weise sind vor der Kamera fast nur alte Kerle am Reden und die beiden zerstrittenen Pink Floyd Musiker Roger Waters und David Gilmore kommen immerhin im selben Film vor.

Wer bis zu dieser Stelle gelesen hat, wird merken, dass die Zeiten für aufwändiges und künstlerisches Artwork für Musikaben längst vorbei sind und sich auch schwerlich ein Bogen ins musikalische Jetzt schlagen lässt. Das ist sowohl filmisch als auch inhaltlich legitim. Ganz anders ist da die ebenfalls in dieser Woche startende Punk-Doku „Schleimkeim – Otze und die DDR von unten“, die kaum brauchbares Archivmaterial findet, aber flott in der Gegenwart verhaftet ist.

Anton Corbijn wurde von der Musik und der Kunst jener Zeit ebenso geprägt wie auch der Schreiberling dieser Zeilen. Wobei mir tatsächlich nicht klar war, dass das Cover des eher mittelmäßigen Black Sabbath Albums „Never say Never“ von Hipgnosis stammt. auch hier mag das Zitat von Jimmy Page bezüglich des Led Zeppelin Albums „In Through the Outdoor“ passen: “Das Cover ist wahrscheinlich bessere als die Platte.“

„Video killed the Radio Star“ (The Buggles)

Zum Kern der Angelegenheit stößt ausgerechnet der ehemalige Oasis-Musiker und Vinyl-Fan Noel Gallagher vor. Einerseits weiß er, dass „Vinyl-Platten die Kunstsammlung der armen Leute“ waren. Andererseits berichtet er von seiner Tochter, die ihn fragte was denn das Artwork eines Albums sei? Er wusste ihr nur zu erklären, dass es sich um die kleinen Bilder bei Spotify und Co handelt. Worauf er die Antwort erhielt: „Und dafür willst du so viel Geld bezahlen?“ Etwas nostalgisch ergänzt Gallagher, dass sich Oasis, nie ein Cover von Hipgnosis hätten leisten können. Immerhin eine der größten britischen Bands seit den Beatles.

Möglicherweise spaltet sich das Publikum von „Squaring the Circle“ in zwei Lager: jene, die mit der Musik sozialisiert wurden und sich gut unterhalten fühlten, und jene, die mit der Bebilderung von Tonträgern keine Kunst verbinden können oder wollen. Anton Corbijn hat dennoch einen sehenswerten Film gedreht, der allerdings zwei kniffelige Aspekte offenbart. Die verschwindende Relevanz des Mediums Musikalbum und die Deutungshoheit über die Historie von Hipgnosis. Mitgründer Storm Thorgerson ist der letzte verbleibende Hipnosist, er allein steht Rede und Antwort und analysiert die Geschehnisse. Zwar werden Pos Archivaufnahmen an stimmiger Stelle eingefügt, aber der ebenfalls verstorbene Peter Christopherson kommt im Film nicht zu Wort und somit quasi nicht vor.

„Squaring the Circle“ huldigt den Designern und dem Medium Schallplatte ebenso wie die Doku ein bisschen arg wehmütig jener Zeit nachtrauert, als Musik tatsächlich noch als identitätsstiftend empfunden wurde. Das ist stilvoll und souverän in Szene gesetzt, aber irgendwie auch aus der Zeit gefallen. Sofern sich das Publikum nicht für eben diese Phase der Rockmusik und ihre Stars interessiert. Selbst wenn es immer mal wieder Phasen gibt, in denen Vinyl als Tonträger hip ist, das Artwork eines Tonträgers scheint heute weitgehend irrelevant zu sein. Die Zeiten ändern sich.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis
OT: Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis
Genre: Doku, Musik, Kunst,
Länge: 101 Minuten, UK, 2023
Regie: Anton Corbijn
Mitwirkende: Storm Thorgerson, Aubrey Powell (Archiv), Noel Gallagher, Peter Gabriel, Paul McCartney,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Splendid, MFA
Kinostart: 14.03.2024