I, Tonya: Erfolg um jeden Preis

Es gab Zeiten, in denen war Tonya Harding neben dem amtierenden US-Präsidenten Bill Clinton die bekannteste Person Amerikas, wenn nicht gar der Welt. Der Ruhm allerdings war durchaus zweifelhaft. Die Eiskunstläuferin, die als einzige den dreifachen Axel im Repertoire hatte, war bekannt geworden, weil ihre Konkurrentin brutal attackiert wurde. Wie sich herausstellte kam die Attacke aus Hardings Umfeld. Heute arbeitet Tonya Harding als Landschaftsgärtnerin und Regisseur Craig Gillespie erzählt eine atemberaubend absurde (wahre) Geschichte.

Schon im zarten Kindesalter wird Tonyas Mutter LaVona Harding (Allison Janney) klar, dass ihre Tochter eine hochbegabte Eisläuferin ist. Mit der ihr eigenen Konsequenz und Härte setzt die mehrfach geschiedene Frau alles daran, damit aus ihrer Kleinen eine gute Eiskunstläuferin wird. Und tatsächlich macht sich Tonya gut und liebt es, auf dem Eis zu stehen. Nach einigen jugendlichen Erfolgen allerdings scheint die erwachsene Athletin Tonya (Margot Robie) aus der weißen Unterschicht eine gläserne Decke erreicht zu haben. Bei Wettbewerben verliert sie gegen Konkurrentinnen, die weit weniger sportliche Anforderungen in ihren Küren laufen.

Robust nachgefragt, erfährt Tonya inoffiziell von einem Punktrichter, dass sie mit ihrer rockigen Musikauswahl und ihrem athletischen, forschen Auftritt nicht dem Idealbild einer Eiskunstläuferin entspräche, das der nationale Verband gerne vermitteln möchte. Tonya versucht sich anzupassen und es gelingt ihr ins Olympiateam für die Winterspiele 1994 in Lillehammer, (Norwegen) zu kommen. Nachdem sie zwei Jahre zuvor für die Spiele in Albertville (Frankreich) nicht nominiert wurde.

Zu bodenständig für den schönen Sport

Kurz vor der Olympiade in Lillehammer wird allerdings ihrer Konkurrentin Nancy Kerrigan attackiert und kann mit einem gebrochenen Knie nicht mehr antreten. Das Gerücht, Tonya Harding habe den Überfall beauftragt, hält sich hartnäckig, obwohl Tonya diese bestreitet. Allerdings hat ihr damaliger Mann Jeff (Sebastian Stan) definitiv den Einfall gehabt, Kerrigan unter Druck zu setzen und sein Kumpel Shawn (Paul Walter Hauser) hat dann Schläger beauftragt, Kerrigan in Detroit aufzulauern.

Die Story in „I, Tonya“ ist aberwitzig, aber zumindest in den grundlegenden Fakten tatsächlich geschehen. Die hochtalentierte und athletische Sportlerin Tonya Harding hat anschließend an die Ereignisse nie mehr an einem Eiskunstlauf-Wettbewerb teilgenommen. Das von Margot Robie („Suicide Squad“, „Focus“) produzierte Biopic versucht gar nicht erst, sich der Handlung auf irgendeine vernunftbegabte Weise zu nähern, sondern montiert „I, Tonya“ nach einem Drehbuch von Steve Rogers als eine Art Interview-Show, in der alle Hauptbeteiligten in der Rückschau ihre Sicht der Geschehnisse wiedergeben. Diese werden dann entsprechend in Szenen mit viel Zeitkolorit umgesetzt. So entsteht unter der Regie von Craig Gillespie („Lars und die Frauen“, „The Finest Hours“) eine absurde Komödie, die trotz aller scheinbaren Übertreibung den Ereignissen und auch den Protagonisten irgendwie gerecht zu werden scheint.

Ehrgeiz und Hilflosigkeit

In seiner Art, jedem seine eigene Wahrheit zuzugestehen ist die Sportkomödie mit ihren satirischen Zügen sogar ein hochaktueller und in gewisser Weise politischer Film. In Zeiten von Fake News und Lügenpresse führt sich das Personal in „I,Tonya“ selbst und gegenseitig ad absurdum. Ebenso erschreckend wie bedrückend dabei ist das grundsätzliche Ausmaß an Dummheit, Egozentrik, mangelnder Selbstreflektion und verzerrter Weltsicht bei fast allen Beteiligten. Man kann sich als Zuschauer des Gefühls nicht erwehren, dass damit auch eine ganze soziale Schicht am unteren Rand der Gesellschaft abgekanzelt wird. Das lag sicher nicht in der Absicht der Filmmacher, aber die Abwesenheit jeglicher Vernunft und in diesem Film, der sich um den Nabel der Welt, den Eiskunstlauf, dreht, ist schon erschütternd –aber dennoch absurd komisch.

Auffällig an dem sozialen Milieu, in dem Tonya Harding aufwächst ist die Abwesenheit von Wärme und Herzlichkeit. Die krude, kettenrauchende Mutter, brillant und Oscar-Prämiert dargestellt von Allison Janney („The Help“) ist dabei jener Drachen, den der Ritter – in diesem Fall Tonyas naiv-brutaler Ehemann Jeff – töten muss, um die Prinzessin zu befreien. Stan, der als „Wintersoldier“ in den Marvel –Superheldenfilmen der „Avengers“– und „Captain America“Reihe weiß, wie man Überwesen bekämpft, ist hier aber kaum wiederzuerkennen, wenn sein Jeff sowohl an seiner bissigen Schwiegermutter wie an seiner selbstbewussten Frau scheitert.

Marogt Robie geht völlig uneitel in der Rolle der Tonya Harding auf und es gelingt ihr tatsächlich, sowohl deren verletzliche, emotionale Seite zu zeigen wie auch die ehrgeizige, brutale Sportlerin. Bei den Eislaufszenen kommt dann auch noch die Technik zum Zug, wenn Margot Robies Gesicht beinahe unsichtbar auf eine tatsächliche Eiskunstläuferin montiert wird. Im Sehenswerten bonusmaterial gibt es dazu – wie auch zu anderen Aspekten des Films- sehenswerte Hintergrundinformationen.

Die Sportlerbiografie „I, Tonya“ holt einen der spektakulärsten Skandale der Sportgeshichte zurück ins Rampenlicht. Mit absurd komischer Brechung nähert sich der sehr gelungenen Film den damaligen Ereignissen und den Personen, erstaunlicherweise ohne diese der Lächerlichkeit preiszugeben.

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I, Tonya
OT: I, Tonya
Genre: Biographie, Komödie, Drama, Sport,
Länge: 120 Minuten, USA, 2017
Regisseur: Craig Gillespie
Darsteller: Margot Robbie, Sebastian Stan, Allison Janney
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Vertrieb: DCM / Universum Film
Kinostart:
DVD- & BD-VÖ: 24. August 2018