Isoscope – Conclusive Mess: Album Review

Wiederhören macht Freude! Vor allem, wenn eine der heißesten neuen Bands der Indie-Szene ein neues Album vorlegt. Das Berliner Quartett Isoscope haut auf Noisolution Records mit „Conclusive Mess“ ein dermaßen reifes und packendes Album raus, dass ich schwer begeistert bin. „Conclusive Mess“ feuert seit 3. November 2023 auf allen Kanälen. Und während alle immer gerne auf dem hibbeligen Aspekt von Isoscope abheben, denke ich, wir sollten über Schmerz-Simulation nachdenken.

„Pain Simulator“ ist der dritte Song auf „Conclusive Mess“ und baut sich langsam auf. Zunächst ist da die abgestoppte Stakkato-Gitarre dann setzt der Sprechgesang ein. Ein Akkord wird in die Spannung geschrubbt und dissonante Atmosphäre stellt sich ein. Von irgendwo dann Gesang und ein verzerrter Klangteppich der hörbar macht, wie sich Schmerz ausbreitet. „Pain Simulator“ ist nicht der beste Song auf dem Album, aber er fügt sich stimmig in das Klanggebilde ein, das Isoscope in ihrer Vielschichtigkeit erschaffen.

Wenn du „Schmerz-Simulator“ googelst bist du schnell in absurden Bereichen der menschlichen Existenz. Und bei Artikeln darüber, was Männer doch für Weicheier sind, verglichen mit dem regelmäßig wiederkehrenden Frauenleiden. Möglicherweise handelt der Songtext von etwas völlig anderem. Aber es würde passen zu dem gesellschaftlichen Engagement der Band, die zusammen mit und neben den Label-Genossinnen von 24/7 Diva Heaven im Grrl Noisy Kollektiv Raum und Gelegenheit für non-binäres Musizieren und Sein bieten. Das sollte die geneigte Hörerschaft wissen, denn es ist auch der Band wichtig, die aus Merle, Bonnie, Philip und Konstantin besteht.

„Listen darling, i’ll show you the right way“

Isoscope starteten ihr Banddasein zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Mitten in der Covid 19 Pandemie fand sich die Band via Kleinanzeige (sag ich mal so flapsig) und bescherte der geneigten Hörerschaft mit „Ten Pieces“ eines der aufregendsten Debüt-Alben im Bereich Independent Music seit langem. Seit Auftritte wieder möglich sind, ist die Band auf den Bühnen zu finden und hat trotzdem noch Zeit gefunden ein neues Album einzuspielen. Wer will da an der Arbeitseinstellung der Generation Z herumkritteln?

Auf die Ohren gibt es eine stimmige Mischung aus Postpunkt und wavigen Sounds. Bisweilen wird’s frickelig bis hin zum Mathcore, bisweilen höre ich da immer noch klassische Sonic Youth und Sleater Kinney Einflüsse raus. Aber das musst du auch erstmal hinbekommen. Als Album-Opener Pink Floyd antäuschen und dann zu Mars Volta umzuschwenken und dabei schon sehr eigenständig zu klingen.

Bei Isoscope singen auch auf diesem Album wieder alle und die Abwechslung ist Programm. Habe gerade in einer Doku über Krähen gelernt, dass es Neophilie gibt. Das bedeutet eine große Affinität gegenüber Unbekanntem. Kann mensch nun auch Neugier nennen, ohne den ganzen Überbau von Schriftsteller und Anacho Robert Anton Wilson, dessen Zeug ich als junger Mensch verschlungen habe. Isoscope sind in dieser Hinsicht geistesverwand mit Mike Patton und Frank Zappa. Ich mag das sehr.

An „Tabula Rasa“ schließt sich „How do they know“ an, das mit viel Schub und großartigem Refrain punky Nastiness verbreitet. Nach „Pain Simulator“ geht es bei „Autopilot“ heavy rockend zu, die männlichen Vocals schweben im Refrain irgendwo hin auf und davon, bis es geerdet weitergeht.

„Shape my personality, my ego and my fears“

„Dreams“ heißen die nächsten drei Stücke. Das kurze „Dreams I –The Sleep of Reason Pro“ ist so etwas wie eine Klanglandschaft im Unterbewusstsein. „Dream II – REM“ baut das musikalische Thema dann zu einem schönen, melodischen Song aus, der vielleicht die Schönheit des Albums ist. Sirenenhafter Gesang, spacige Krautrock-Anleihen und hinreißender Groove sorgen für extremes Hit –Potential. Abschließend trudelt das melodische Motiv in „Dreams III –Lucid“ in psychedelische Songwriter-Gefilde aus. Auch nett. Und zusammen entsteht eine größere Komposition. Überhaupt ist die Produktion ausgesprochen fidel im Sinne von Hi Fielity. Nach dem selbstproduzierten Debüt ist nun Sid Vison für die soundmäßige Verbesserung verantwortlich.

„Keep on building, Boys“ klingt in seiner scheinbar anfänglich schlichten Harlekinade ein bisschen retro, rockt aber gehörig und gefällt mir ganz ungemein. Würde ich jene Boys adoptieren? Eher nicht, aber Isoscope stellen die Frage. Oder eine Ähnliche da mein Spanisch mal wieder unzulänglich ist. Zum Albumschluss gibt es mit „Western“ die zweite Single/Video-auskopplung. Eine Glassgitarre ritzt sich ins Ohr, während der Gesang mit britischem Understatement die Frage stellt, wer und denn nun retten soll. Meine Antwort ist eindeutig: der der dumm fragt. Isoscope mögen vielleicht die Welt nicht retten, aber meinen Tag haben sie gerettet.

Wenn du zappelst, obschon die Scheibe durchgelaufen ist, war es 1. Sehr schön und 2. zu kurz. Das ist vielleicht der größte Makel an „Conclusive Mess“ und vieler anderer aktueller Alben. Mit knapp über 30 Minuten Spielzeit ist Albumlänge erreicht. Selbstredend geht es um Musikalische Inhalte und niemand will Füllsongs, aber wenn’s gefällt, hätte ich gerne mehr. Sozusagen Zugabe. Ist ja auch aus der Mode gekommen.

Conclusive Mess: Großartiges, lebendiges Album! Isoscope: Eine Band am Puls der Zeit. Musikalisch umtriebig, schrankenlos und mit dem Bedürfnis unterwegs, die Welt besser und bunter zu machen. Mehr davon. Nächster Durchlauf. Erste Etappe: Tabula Rasa.

Album-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Isoscope – Conclusive Mess
Genre: Post Punk,
Länge: ca 35 Minuten, D, 2023
Interpret: Isoscope
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
Format: CD, digital, Vinyl
VÖ: 03.11.2022

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