Joschka und Herr Fischer: Außenpolitik und Turnschuhe

Aus dem Archiv in den #Bildungsherbst: Die Doku „Joschka und Herr Fischer“. 2011 wollte der Filmemacher Pepe Danquart auf keinen Fall am Image des Sportfilmers kleben bleiben. Stattdessen hat er sich eine der interessantesten deutschen Politiker-Biografien unserer Tage herausgesucht und inszeniert den ehemalige Außenminister Joschka Fischer als einen Zeitzeugen, der auf 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland zurückblickt.

Aber wie setzt man eine ehemals öffentliche Person, die schon zu ziemlich jeder Station des eigenen Lebens befragt worden ist, interessant ins Bild? Danquart („Höllentour“, „Am Limit“ „Schwarzfahrer“) sichtete im Vorfeld etliche Stunden Archivmaterial, um dann wichtige Stationen im Leben des Joseph Martin Fischer aufzubereiten. Das Ergebnis installiert der Dokumentarfilmer in einem ehemaligen Berliner Bunker auf transparenten, frei schwebenden Leinwänden und lädt dann den Gesprächspartner Fischer dazu, um ihn das Archivmaterial kommentieren zu lassen.

Herausgekommen sind rund 140 sehr kurzweilige Minuten politischer Zeitgeschichte. Joschka Fischer, der sich nach der Wahlniederlage der rot-grünen Bundesregierung 2005 konsequent aus der aktiven Politik zurückzog, nutzt die Bühne und teilt seine Sicht der Dinge mit.

„Joschka und Herr Fischer“ geht streng chronologisch vor und wie es das Filmkonstrukt so will, ist Herr Fischer in etwas so alt wie die Bundesrepublik Deutschland. Zwischendurch gibt es immer wieder Exkurse, in denen Zeitzeugen und Weggefährten zu Wort kommen und bestimmte Ereignisse ergänzend schildern.

Infotainment, Biografie und Politisches Zeitgeschehen

Aufgrund des linearen Aufbaus ist denn auch die die erste Hälfte des Films die interessanter, um dem Politiker und Menschen Fischer nahezukommen. Fischers Kindheit als Sprössling ungarndeutscher Eltern in einem sehr katholischen Milieu ist nicht filmisch dokumentiert, stattdessen greift Danquart auf Archivmaterial zurück, das den Zeitgeist und bestimmte Ereignisse dokumentieren sollen.

Mit zunehmender Politisierung Fischers wird auch das entsprechende Bildmaterial umfangreicher und der Film kann seinen Protagonisten auch mit der damaligen Selbst- und Mediendarstellung konfrontieren. Joschka Fischer nimmt die Spielbälle dankbar, reflektiert und redegewandt auf und macht dabei einen authentischen, glaubhaften Eindruck. Dass der Privatmensch Fischer in dieser Dokumentation weitgehend außen vor bleibt und sich der ehemalige Vorsitzende der Grünen im Wesentlichen auf seine Rolle als politischer Gestalter mit Willen zur Veränderung darstellt, ist legitim.

„Joschka und Herr Fischer“ überzeugt formal ebenso wie durch eine kurzweilige Zeitreise durch das Nachkriegsdeutschland. Pepe Danquart ist ein absolut sehenswerter Film gelungen, der den Werdegang eines einflussreichen Politikers gekonnt mit dem gesellschaftlichen Zeitgeschehen verbindet. Gleichwohl erwartet ältere und politikinteressierte Zuschauer nichts, was nicht bekannt wäre.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Joschka und Herr Fischer
OT: Joschka und Herr Fischer
Genre: Doku, Biografie
Länge: 138 Minuten, D, 2011
Regie: Pepe Danquart
Mitwirkende: Joschka Fischer, Yasser Arafat, Hans Koschnik
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: X Film, Warner Home video
Kinostart: 19.05.2011
DVD-VÖ: 25.11.2011