Bekannt wurde die wohlhabende amerikanische Dame Florence Foster Jenkins als „schlechteste Sängerin der Welt“ nachdem sie in den 1944 in der Carnegy Hall aufgetreten ist. Nun hat Regisseur Stephen Frears eine hinreißende Filmbiographie der schillernden Persönlichkeit gedreht. Der Film mit Merryl Streep und Hugh Grant in den Hauptrollen ist eine warmherzige Hommage an den Mut, man selbst zu sein.
In den 1940er Jahren sind Florence Foster Jenkins (Merryl Streep) und ihr Gatte Saint Clair Bayfield (Hugh Grant) ein fester Bestandteil der New Yorker Musikszene. Als Förderin und Mäzänin unterstützt Florence nicht nur die Oper, sondern veranstaltet auch regelmäßig musikalische Soireen in den von ihr gegründeten Privatclubs. Dabei gibt es nicht nur musikalische Tableaus zu sehen, sondern auch Berge von Kartoffelsalat und Sandwiches zu vertilgen.
Eines Tages beschließt Madame Foster Jenkins, wieder Gesangsunterricht zu nehmen und demnächst selbst einmal wieder als klassische Sängerin aufzutreten. Dazu benötigt sie einen Pianisten, der sie begleitet. Die Wahl fällt auf den schüchternen Cosmé McMoon (Simon Hellberg). Der ist erstaunt über die kaum vorhandenen sängerischen Fähigkeiten seiner neuen Arbeitgeberin, bei den Gesangsstunden gelingt es ihm, ernst zu bleiben. Aber vor den öffentlichen Auftritten graust ihm erheblich.
St Clair Bayfield, der sich um Florences künstlerische Belange kümmert, kann den jungen Mann beruhigen: Dargeboten wird ausschließlich vor handverlesenem, wohlwollenden Publikum in kleiner Gesellschaft. Bis sich Florence Foster Jenkins in den Kopf setzt, sich endlich ihren Traum zu erfüllen, einmal in der Carnegy Hall aufzutreten. Außerdem verschenkt sie zur Hebung der Truppenmoral hunderte von Eintrittskarten an Soldaten, da kann selbst St. Clair Bayfield seine Holde nicht beschützen.
Der Mitschnitt von Florence Foster Jenkins‘ Auftritt ist auch heute noch der am meisten nachgefragte im Archiv der Carnegy Hall, und dort sind etliche bekannte und berühmte Künstler aufgetreten. Aber es wäre verkürzt die schillernde Persönlichkeit, die sich in ihrer Blütezeit nachhaltig für die Musik in New York eingesetzt hat, auf ihre schrägen Gesangseskapaden, die zugleich zum Lachen reizen und Mitleid erregen, zu verkürzen. Das macht auch Stephen Frears Film schnell deutlich. Zwar ist der Auftakt und der Tonfall von „Florence Foster Jenkins“ durchaus von unterschwelligem komödiantischen Tonus, aber das liegt auch im affektierten Gehabe der Personen begründet.
Dabei hegte und pflegt die schrille Diva ihre Exzentrizität und ihre hingebungsvolle Liebe zur Musik mit einigem Nachdruck. Da geht es dem Zuschauer zunächst wie dem neuen Pianisten, der staunend zusieht, wie die scheinbaren Ticks der Dame von ihrem Gatten auch noch unterstützt und befeuert werden. St. Clair Bayfield hält sich zudem auch noch eine Geliebte, so scheint es zumindest und so entsteht zunächst der Eindruck, der Mann spiele seine adelige englische Abstammung aus und sei ein Hochstapler.
Aber, und das ist das Schöne und Hinreißende an dem liebenswerten Film, dieser Eindruck verblasst und mit ebenso unterhaltsamem wie beschwingten Tempo entfalten sich sehr liebenswerte Charaktere, die zwar in ihrer ganz eigenen Welt leben, dies aber auch recht bewusst tun und genießen, soweit es eben möglich ist. Und selbst wenn Florence Foster Jenkins kurz nach ihrem legendären Auftritt in der Carnegy Hall verstarb, hat man doch das Gefühl geteilt, sich einen Traum verwirklicht zu haben. Und selbst wenn Spötter behaupten, sie wäre an der Scham über den Auftritt gestorben, ist es wohl wahrscheinlicher, dass sie einer jahrzehntelangen Erkrankung, die sie im Alter zunehmend schwächte, erlegen ist.
Das Drehbuch von Nicholas Martin, der sich bisher in britischen TV-Serien wie „Inspektor Barnaby“ und „Big Bad World“ auszeichnete, folgt weitgehend dem, was man über Florence Foster Jenkins weiß, auch wenn die ein oder andere filmische Tatsache nicht so ganz bestätigt ist, so etwa dass St. Clair Bayfield und Foster Jenkins verheiratet waren oder auch, dass sie tatsächlich an Syphillis gelitten hat. Aber in der Dramaturgie von Stephen Frears Film spielt das keine große Rolle. Stattdessen zeigt die von Merryl Streep hinreißend gespielte (und gesungene) Florence Foster Jenkins, wie befreiend es ist, wenig auf den eigenen Ruf zu geben und das zu tun, was man gerne tut.
In ihrer wohlhabenden Kindheit erhielt die schräge Sängerin mit Hang zu extravaganten Outfits, tatsächlich eine klassische Klavierausbildung und spielte mit dem Gedanken, Konzertpianistin zu werden. Die Frage, wieso die Sängerin, ihre eigene Stimme scheinbar nicht wahrnehmen konnte – jedenfalls nicht so wie andere Zuhörer – rückt aber im Lauf des Films in den Hintergrund und als Zuschauer freut man sich darauf, wann sie den endlich wieder zu trällern anfängt. Einfach weil das einen unermüdlichen und Mut machenden Optimismus verbreitet.
In den letzten Jahren wurde Florence Foster Jenkins gleich mehrfach in Filmen ein Denkmal gesetzt. In „Madame Marguerite oder die Kunst der schiefen Töne“ (2015) verlegt Regisseur Xavier Gianolli die eigenwillige Sängerin, die von Catherine Frot ebenfalls grandios gespielt wird, in ein französisches Umfeld in den 1920er Jahren und fast zeitgleich zu Stephen Frears Film hat sich auch der deutsche Dokumentarfilmer Ralf Pleger mit der Diva beschäftigt und ein sehenswertes Portrait geschaffen, das aus Experteninterviews und Spielszenen in denen die Mezzosopranistin Joyce DiDonato als Florence Foster Jenkins agiert, eine Hommage an die eigenwillige Diva geschaffen.
Und so ist „Florence Foster Jenkins“ zwar nicht der einzige Film über die exzentrische Persönlichkeit, aber jener, der ihr in einer Spielfilm-Biographie und vielleicht auch im Wesen am nächsten kommt. Bei allem Lob für Merryl Streep („Kramer gegen Kramer“), die für ihre Rolle erneut für einen Oscar nominiert wurde, sollte man aber nicht unterschätzen, dass auch Hugh Grant („Notting Hill“), sonst eher bekannt für leichte komödiantische Rollen, hier eine furiose Darbietung abliefert und konstant auf dem schmalen Grat zwischen Leichtigkeit, Melancholie und echter Besorgnis balanciert. Ach dafür gab es einige Filmpreis-Nominierungen.
Die filmische Biografie von „Florence Foster Jenkins“ ist ein beschwingtes und einnehmendes Filmereignis. Dank großartiger Ausstattung und hervorragend aufgelegter Darsteller zieht einen die Komödie mit tragischen Momenten schnell in ihren Bann. Ganz großes Kino.
Film-Wertung: (9 / 10)
Florence Foster Jenkins
OT: Florence Foster Jenkins
Genre: Biografie, Drama, Komödie
Länge: 106 Minuten, GB / USA, 2016
Darsteller: Meryl Streep, Hugh Grant, Simon Helberg, Rebecca Ferguson, Agnes Stark
Regisseur: Stephen Frears
Komponist: Alexandre Desplat
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Constantin Film
Kinostart: 24.11.2017
DVD- & BD-VÖ: 1. Juni 2017