Altersunterschiede in der romantischen Liebe sind ein Thema, das die Gemüter stets in Wallung versetzen kann. Dabei geht es in der französischen Romanze „Im Herzen jung“ nur auf einer Ebene um die Liebe. Es geht auch um Verlust und Tod und den Umgang mit der eigenen Trauer. „Im Herzen jung“ basiert auf einer Filmidee und einem Drehbuch, das die Filmmacherin Sólveig Anspach entwickelte, während sie selbst bereits todkrank war. Nun kommt der anrührende Film mit Fanny Ardant, Melvil Poupard und Cécile de France am 3. August in die Kinos.
Eines nachts trifft Arzt Pierre (Melvil Poupaud) während einer Nachtschicht eine attraktive ältere Frau, die ihre sterbende Freundin besucht. Shauna (Fanny Ardant) und Pierre kommen ins Gespräch und spenden einander Trost, denn auch Pierre muss einen Verlust verarbeiten.
15 Jahre später treffen sich Pierre und Shauna zufällig in Irland wieder, wo die Pariserin das Cottage jener verstorbenen Freundin hütet. Die beiden verlieben sich. Für Familienvater Pierre ist das eine verstörende Erfahrung. Als der Mitvierziger seiner Frau Jeanne (Cécile de France, „Rebellinnen“) seine Affäre mit einer Siebzigjährigen gesteht, gerät auch die Ehe in eine Schieflage.
Reif für die Insel
Shauna wiederum ist an Parkinson erkrankt, hält dies aber vor Pierre geheim. Die neue Liebe scheint sie zu verjüngen, sorgt aber auch für Aufregung und Shaunas alleinerziehende Tochter Cécilia (Florence Loiret Caille) beginnt sich zu sorgen.
Regisseurin Carine Tardieu hat sich lange gesträubt das Filmprojekt zu übernehmen und zu einem Ende zu führen. In den Filmen der viel zu früh verstorbenen Autorenfilmerin Solveigh Arnspach geht es oft mit leisen Tönen („Lulu femme nue“, deutsch „Treibsand“), bisweilen mit eigenwilligem Humor („L’effect aquatique“, deutsch „Der Effekt des Wassers“) zu, immer aber auch sehr nah am wirklichen Leben und realistischen Problemstellungen und Lebensmomenten. So auch in „Im Herzen jung“.
Sicher thematisiert die zufällige Begegnung im Krankenhaus als Ausgangspunkt für romantische Entwicklungen auch den Altersunterschied in Beziehungen. Hier allerdings mit umgedrehten Geschlechterrollen und nicht in der „klassischen“ Konstellation Sugardaddy mit Identitätskrise sucht sich junge, schmückende Gefährtin.
Doch der Impulse sich zu verlieben, als sich beide nach 15 Jahren wiedersehen, ist sehr stark dem nostalgischen Nachspüren des damaligen Verlusterlebens geschuldet. Sowohl Pierre als auch Shauna hatten seinerzeit einen traumatischen Tod zu verkraften und die unerwartete nächtliche Auszeit in Gesellschaft eines/einer sympathischen Fremden war ein prägendes Erlebnis, das später dann ein Eigenleben entwickelt.
Zwei Sehnsüchte, eine Liebe
Dabei ist Carine Tardieus „Im Herzen jung“ nie eine soziologische Versuchsanordnung, sondern die Charaktere leben und entwickeln sich, eben auch auf nicht vorhersehbare Weise. Gerade das macht den Film so sehenswert. Auch wenn die immer mitschwingende Atmosphäre von Krankenhaus und Tod betrüblich wirken kann, so spenden die erdverbundenen und allesamt großartig dargestellten Charaktere letztlich auch dem Publikum Trost. Schließlich „atmen wir alle dieselbe Luft“.
Fanny Ardant ist eine der letzten Grand Dames des französischen Films und eine großer Teil ihres Charmes auf der Leinwand besteht sicher darin, dass sie auf ihre Weise zu ihrem Alter steht. So wie auch vor zehn Jahren in der romantischen „Rentnerkomödie“ „Die schönen Tage“, als sich ihre Figur – abgeschoben in ein Senioren-Beschäftigungsprogramm – mit den jüngeren Physiotherapeuten einlässt. Ein Jahrzehnt später verändert sich auch diese Perspektive mit der großen Actrice.
Es sind vor allem die großartigen und sensiblen Frauenfiguren, die sich um den Kristallisationspunkt Pierre entwickeln, die „Im Herzen jung“ so sehenswert und berührend machen. Das allein wäre schon sehenswert. Fanny Ardant, die ihre Karriere einst in Filmen von Francois Truffaut begann, entwickelt in dieser sensiblen und zweifelnden Rolle immer noch eine enorme Leinwandpräsenz.
Film-Wertung: (7 / 10)
Im Herzen jung
OT: Les jeunes armants
Genre: Drama, Romanze
Länge: 114 Minuten, F, 2021
Regie: Carine Tardieu
Darsteller:innen: Fanny Ardant, Melvil Poupaud, Cécile de France
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Alamode
Kinostart: 03.08.2023