Eden: Reif für die Insel

Auf der Suche nach einem anderen Leben wählen ein deutscher Arzt und seine Lebensgefährtin eine unbesiedelte Galapagos-Insel. Als scheinbar Gleichgesinnte sich dazugesellen wird aus den erhofften Idyll ein unerbittlicher Konkurrenzkampf. Regisseur Ron Howard inszeniert mit „Eden“ starbesetztes Survival-Kino nach realem Vorbild; zu sehen ab dem 3. April im Kino.

Im Jahr 1932 kommt die Familie Wittmer auf der Galapagos-Insel Floreana an. Weltkriegsveteran Heinz Wittmer (Daniel Brühl), seine junge Frau Margret (Sydney Sweeney) und der pubertierende Sohn aus erster Ehe haben Deutschland verlassen. Inspiriert von den Brief-Berichten des Zahnarztes Friedrich Ritter (Jude Law), die in Zeitungen veröffentlicht werden, will die Familie hier ein anderes Leben führen als in der unerträglichen Heimat.

Ritter, der einige Jahre zuvor mit seiner Lebensgefährtin Dore Strauch (Vanessa Kirby) nach Floreana abgewandert ist, ist überrascht und nicht amüsiert. Er verfasst ein Manifest und Dore hofft auf Heilung von Mulitpler Sklerose. Er weist den Neuankömmlingen einen entfernten Siedlungsplatz zu. Doch erst als die überkandidelte „Baronin“ Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet (Ana de Armas) mit einem Architekten und einem Leibwächter auf der Insel ankommt, spitzen sich die Konflikte zu.

Auch die Baroness wurde von Ritters philosophischen Ideen „inspiriert“, will auf Floreana aber eine luxuriöse Hotelanlage bauen. Ihr ausufernder Lebensstil sorgt bald für Versorgungsengpässe und ein Existenzkampf beginnt. Die Insel ist zu klein und zu karg für die Siedler und die konkurrierenden Lebensentwürfe.

Der Ritter von der fleischlosen Gestalt

Das Publikum ahnt bereits zu Filmbeginn, das die wolkenverhangenen, windumtosten Bilder nichts Gutes verheißen. Da bräuchte es den Verweis auf die wahren Begebenheiten dieser Geschichte eigentlich gar nicht. Und dennoch macht es auch einen Teil der filmischen Faszination aus, zu sehen, wie eine real versuchte Utopie, eine alternative Gesellschaft sehenden Auges auf den Abgrund zusteuert. In jedem Moment ist die Frage nach den Kipp-Punkt präsent.

Dabei war es doch gerade die Gesellschaftsverdrossenheit, die den vegetarischen Zahnarzt und seine Geliebte auf die einsame Insel verschlagen hat. Dieses Verzweifeln an den Zuständen anno 1929, vor fast 100 Jahren, zwischen den beiden großen Weltkriegen, hallt seltsam aktuell wider. Und doch ist in dem alternativen Lebensentwurf von Beginn an der Wurm drin.

Tatsächlich haben sich Ritter und Strauch eher für ein Einsiedler-Dasein entschieden als für einen Aufbruch. Derart missverstanden bringen Neuankömmlinge auch alte Probleme mit sich. und als die Wahnwitzige selbsternannte Baronin Einzug hält, wirkt es, als wolle der Fortschritt die Aussiedler überrollen. Was freilich komplett in die Hose geht.

„Eden“ ist als gesellschaftliches Experiment ebenso packend wie als Überlebensfilm oder als Psychogramm. Die Bilder, die der Film von Hollywood-Routinier Ron Howard („Apollo 13“, „Rush“, „Da Vinci Code“) präsentiert sind in ihrer unheilschwangeren Art der Stimmung in „Im Herzen der See“ vergleichbar. Jener „Hintergrund-Story“ zu „Moby Dick“, die 2015 in die Kinos kam. Und doch bliebt es nicht aus, dass dem Publikum dies Mischung aus „Herr der Fliegen“ und „Lost“ gelegentlich auch absehbar vorkommt.

Wir sind die Wittmers

Ganz anders als etwas Alex Garlands „The Beach“ macht sich auf Floreana keine Sekte breit. Und der Roman utopisch satirische Roman „Galapagos“ von Kurt Vonnegut, spielt zwar auch nach einer Weltkrise, bezieht sich aber wohl eher auf Darwins Studien, die maßgeblich auf Galapagos stattfanden, als auf des Ritters Auswanderung. Zur Besiedelung Floreanas gibt es übrigens auch literarisches Material, was der Film auch abspanns erwähnt.

Ron Howard genehmigt sich als Filmmacher immer wieder Ausflüge ins Dokumentarische („Beatles – 8 Days a Week“, „Pavarotti“ und arbeitet sich auch in seinen Spielfilmen gerne an der Realität ab. Das ist in der Absicht eigentlich stets interessant, gelingt aber nicht immer gleichermaßen überzeugend. Und auch „Eden“ hat so Momente, die nicht stimmig sind.

Adel verpflichtet

Dabei wird der Film „Eden“ im Grunde von der vermeintlich naiven und bürgerlichen jungen Frau Wittmer erzählt, deren Briefe tatsächlich erhalten sind. Ausgerechnet sie und ihr Gatte lassen sich wie Pioniere sehr praxisorientiert auf das Abenteuer Besiedelung einer Urnatur ein. Bisweilen geht das bis in die Horrorvorstellungen hinein. Der narzistische Denker indes verharrt in finsterer selbstgebauter Glaubensehre und hat sich bereits in vielleicht typisch deutschem, vorauseilendem Gehorsam noch in der Heimat alles Zähne ziehen lassen, um Entzündungen vorzubeugen.

Was nun die Baronin und ihre beiden Lover und Leute fürs Grobe angeht, kann sich das Publikum schon fragen, was diese Frau hierher verschlagen hat. Immerhin legt sie einen sehr robusten Überlebenswillen an den Tag und ist in der Wahl ihrer Mittel alles andere als zimperlich. Das führt dann schon zu abstrusen Momenten. Aber das mag jede:r selbst sehen.

In „Eden“ entwickelt sich eine Auswanderer-Kolonie von einem sperrigen Miteinander zu einem bitterbösen gegeneinander. Das ist finster, unterhaltsam und über weite Strecken sehr packend anzuschauen. Weniger für philosophische Schöngeister denn für handfeste Realisten geeignet, geht’s auch schon mal derbe zu. Das heißt es Zähne zusammenbeißen. Ach ja, die sind ja schon gezogen.

Bewertung: 3.5 von 5.

Eden
OT: Eden
Genre: Drama, Biografie
Länge: 129 Minuten, USA, 2025
Regie. Ron Howard
Schauspiel: Jude Law, Daniel Brühl, Ana de Armas, Sydney Sweeny
FSK: ab 16 Jahren
Verleih: Leonine
Kinostart: 03.04.2025

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