Barbara Winken – Diva: Buchtipp

Neulich in der Pausenbar im Opernhaus: Zwischen Sekt und Brezel entspinnt sich ein Fachsimpeln über die Relevanz der Oper als Kunstform. Wer jetzt nicht mitreden kann, braucht Unterstützung. Da läge das im Frühjahr bei Klett-Cotta erschienene Sachbuch „Diva“ von Literaturprofessorin und Opernliebhaberin Barbara Winken nahe. Die „etwas andere Opernführerin“ beschäftigt sich mit den Geschlechterrollen in der Oper. Das ist keineswegs Einsteigerlektüre und nicht ohne Vorwissen zu goutieren, aber der originelle Blick ist äußerst lesenswert.

Wer sich bei brutstatt.de umsieht wird feststellen, das klassische Musik oder gleich Oper hier kaum bis gar nicht stattfinden. Es sei denn es geht in dokumentarfilmische Gefilde oder filmische Inszenierungen. So hat mich auch der Filmstart der romantischen Komödie „Verrückt nach Figaro“ daran erinnert, dass ich „Diva“ vorstellen wollte. Ist mir durchgerutscht und wird nun in Kürze nachgereicht.

„Diva“ ist kein Opern-Führer im herkömmlichen Sinne. Das heißt Einsteiger und Laien werden bei der Lektüre wohl weniger Spaß haben als Genderforscher:innen und Menschen, die zumindest den Großteil der vorgestellten Opern in der einen oder anderen Form bereits genossen haben.

Die Literaturprofessorin Barbara Winken geht von der aktuellen Diskussion um Geschlechterrollen und Identitäten aus, dem was gemeinhin unter „Gender“ subsummiert wird, um daran aufzuzeigen, dass die Oper schon seit Jahrhunderten mit Geschlechtern und Rollenwechseln spielt und so mehr oder minder subversiv die bestehende moralische Ordnung der Gesellschaft untergräbt. So jedenfalls arg vereinfacht zusammengefasst.

Dabei kommen etliche beliebte Opern zur Analyse auf die Couch und werden auf ihr Patriarchat und rituelles (Jung-)Frauenopfer abgeprüft. Ausgehend von Mozart über Verdi, Puccini bis hin zu Alban Berg und dem Rosenkavalier hat die Autorin Kluges, pfiffiges und Frivoles zu sagen. Nur der Spaßbremse Wagner verweigert sie die Aufmerksamkeit. Dessen Humorlosigkeit wird ins Köchelverzeichnis gestopft und ignoriert.

Oper ist keineswegs eine Angelegenheit des (ohnehin siechenden) Bildungsbürgertums, sondern eine Unterhaltungsform, die sich jede:r erschließen kann, würde ich mal denken. Meine bisherigen Ausflüge in das klassische Singspiel waren aus unterschiedlichsten Gründen bereichernd und unterhaltsam. Aber der geneigte Mensch muss sich in enge Sitze und stickige Räumlichkeiten quetschen, um die traditionsreiche musikalische Unterhaltungsform zu genießen. Sicherlich lassen sich Opern auch live ins Kino streamen oder wie in Verona vor antiker Kulisse in Freiluft inszenieren, aber üblich ist das nicht, sondern Event-Inszenierung.

Ob wie die Autorin konstatiert Opernhauser immer noch „Kultstätten der Moderne“ sind wage ich an dieser Stelle nicht zu diskutieren. Dazu fehlen mir Einsicht und Überblick, aber lesenswert ist „Diva“ unbestritten.

Diva – Die etwas andere Opernführerin
Genre: Sachbuch, Musik,
Autorin: Barbara Winken
ISBN: 978-3-608-98456-9
Verlag: Klett-Cotta, gebunden, 426 Seiten
Auch als E-Book erhältlich
VÖ: 18.03.2023

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