„Die Gier treibt‘s rein“, möchte man sagen, angesichts der Verstrickungen in die sich der erfolgreiche Anwalt in Cormac McCarths neuem Werk begibt. Die Aussicht auf schnelles Geld führt zur Beteiligung an einem Drogendeal. Doch das Unternehmen geht nicht reibungslos vonstatten. Der Pulitzerpreisträger McCarthy hat im Alter von 80 Jahren erstmals ein Drehbuch geschrieben. Das wurde auch gleich von Film-Altmeister Ridley Scott in einen prominent besetzen Thriller verwandelt. Aber hier geht es erstmal um das Literarische.
In San Antonio lebt der erfolgreiche (namenlose) Anwalt. Seine Kontakte zu zwielichtigen Unterweltgrößen haben ihn gierig werden lassen. Das Leben im Jet Set und mit einer schönen Freundin, die dem Luxus nicht abgeneigt ist, bringen den Anwalt dazu, sein Geld zur Finanzierung eines Drogendeals anzulegen. Doch trotz aller Lockerheit der beteiligten Unterweltgrößen wird der Drogentransport von Mexiko nach Chicago geklaut und nun ist man seitens des Kartells auf der Suche nach den Schuldigen – und vor allem nach dem flöten gegangenen Geld. Und schneller als er gucken kann, sind die Freunde des Anwalts verschwunden. Der muss nun auch schleunigst von der Bildfläche verschwinden, weiß aber nicht wie das geht und gerät mitten hinein in einen tödlichen Schlamassel.
McCarthy ist einer der ganz großen der amerikanischen Gegenwartsliteratur und sein dystopisch-elegischer Roman „The Road“ hat den Pulitzer-Preis mehr als verdient. Wer das Werk des Autors über die Jahre verfolgt hat, hatte häufiger das Gefühl, die Geschichten würden auch gute Filme abgeben. Aber auf der Leinwand kam recht regelmäßig das spezifische Flair der Erzählungen abhanden. Ruhmreiche Ausnahme ist die Coen-Brothers Adaption von „No Country For Old Man“, die man nur kongenial nennen kann.
Nun im hohem Alter wagt sich McCarthy also an seiner erstes (Kino-)-Drehbuch, wenn man einmal von „The Gardener’s Son“ absieht, ein Historienkrimi den McCarthy 1996 für eine TV-Serie verfasste. „Der Anwalt“ hat seine Stärken und ist auch autorentypisch, aber dieser Metathriller, in dem es eher um die psychologischen Auswirkungen von Gier, Schuld und Angst geht, hat vor allem eines nicht, was sowohl gute Filme als auch gute Geschichten ausmacht: Eine packende Geschichte. Und wieder muss der Vergleich mit „No Country For Old Man“ herhalten, was insofern naheliegt, als dass die Themen ähnlich sind und auch das Setting im Drogenmilieu der amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet stattfindet.
In „Der Anwalt“ konstruiert Cormac McCarthy eine im Prinzip simple Handlung in eine verschachtelte und disrupte Erzählform, die ein wenig an den Film „Traffic“ erinnert, weil sie versucht, verschiedene Ebenen des Drogengeschäfts einzubeziehen. Doch es bleibt aufgrund der kryptischen weil unkonkreten Dialoge und der unterschwelligen Bedeutung lange unklar, worum es geht und dem Stoff geht jegliche Spannung, ein Grundelement des Thrillers abhanden. Das Konstrukt überzeugt allenfalls auf psychologischer und dramatischer Ebene. Was übrig bleibt, sind derart ausgefeilte Dialoge, dass sie teilweise wieder profan wirken, knappe, sachliche Szenenbeschreibungen, denen jegliche Atmosphäre abgeht und der nicht immer von Erfolg gekrönte Versuch des Lesers respektive Zuschauers, hier einen Sinnzusammenhang zu finden.
Was „Der Anwalt“ aber wesentlich vermissen lässt, ist genau das, was McCarthys literarisches Werk so grandios und auch so archaisch macht: Die wortkargen, aber immer genauen und erdverbundenen Beobachtungen des Menschen in der ihn umgebenden Gesellschaft und in der Natur. Darin entfaltete „No Country for Old Man“ schon im Roman seine filmisch wirkende Bildgewalt; genau daran lässt sich ausmachen, warum das Drehbuch zu „Der Anwalt“ nicht funktioniert.
Fazit: Cormac McCarthys Drehbuch „Der Anwalt“ drängt die kriminelle Handlung in den Hintergrund, um die Motive der Figuren auszuloten. Das funktioniert nur bedingt; auf dem Papier auch besser als im Film, lässt aber vieles vermissen, was seinen literarischen Stil ausmacht.
Buch-Wertung: (5 / 10)
Cormac McCarthy: Der Anwalt. Ein Drehbuch.
OT: The Counselor
Genre: Drehbuch, Thriller, Krimi,
Übersetzung: Nikolaus Stingl
Verlag: Rowohlt,Hamburg, 173 Seiten
VÖ: 02.12.2013