Das Zen-Tagebuch: Das Pflaumenritual und die Erinnerung

Zurückgezogen lebt der Schriftsteller Tsutomu alleine und schlicht in einem Bergdorf. Gelegentlich bekommt er Besuch von seiner Lektorin. Dabei kann schon mal ein Jahr vorüberziehen, wenn die ganze Achtsamkeit auf das hier und Jetzt gerichtet ist. „Das Zen-Tagebuch“ ist die Verfilmung einer autobiografischen Erzählung von Autor Misukami Tsutomu. Film Kino Text bringt den meditativen, ruhigen Film über Essen und die Verbindung zur Erde am 31. August 2023 in die Kinos.

Die Anfahrt mit dem Auto ist in mehrfacher Hinsicht ein irreführender Auftakt. Während im Radio freier Jazz dargeboten wird, wirken die Impressionen der Fahrt wie Blicke aus dem Fenster. Die Umwelt wird zunehmend ländlicher und bald erreicht die Fahrerin ihr Ziel. Matsuko ist Lektorin, die den Autor Tsutomu betreut. Es gibt Deadlines und Arbeitsaufträge einzuhalten, und doch hat Tsutomu nichts vorzuweisen, was Matsuko mitnehmen könnte.

Zugleich ist die Anreise aber auch ein Übergang in eine andere Welt. Ein abgelegenes Tal mit eigenem Rhythmus und anderen Gepflogenheiten. Das hat die metaphysische Qualität einer Transition. Und doch bleibt die Verbindung zur urbanen Gegenwart erhalten, nicht zuletzt durch die Stippvisiten der Lektorin.

Tsutomu kocht für die junge Frau, die leidenschaftlich gerne ist. So wird das Essen zu einem Ritual, das alle Besuche der Lektorin über das Jahr hin begleitet. Außerdem muss das Dach an Tsutomus Haus repariert werden und gelegentlich stattet der Witwer der noch einsamer lebenden Schwiegermutter einen Besuch ab.

Der Einfallsreichtum einer armen Maus

Der 2004 verstorbene japanische Schriftsteller Misukami Tsutomu ist hierzulande wenig bekannt. Übersetzt wurde wenig aus dem vielschichtigen Werk Tsutomus. In den 1960ern war mal „Im Tempel der Wildgänse“ in deutscher Übersetzung erhältlich. Tatsächlich ist Misukami Tsutomu in einem Zen-Kloster aufgewachsen, weil seine armen Eltern ihn nicht ernähren konnten. Die in dieser Zeit erworbenen Kochkünste zelebriert der biografisch geprägte Charakter der Erzählung und des Films.

Inzwischen ist Tsutomu lange verwitwet und hat sich einer einfachen Lebensweise auf dem Land zugewendet. Zu essen und zu kochen im Rhythmus der Jahreszeiten und nach den schlichten, erdverbundenen Regeln des Zen-Klosters sorgt für Tages-Struktur im Leben des Autors und seines Hundes.

Der dämmernde Ruf der Zikaden

Tatsächlich nimmt sich die Verfilmung von Regisseur Yuji Nakae anfangs aus wie ein Dokumentarfilm. Erst nach und nach kommen Handlungselemente in dem Alltag zum Tragen, die vor allem für Unterbrechung der Muster und Regelhaftigkeit sorgen. Familie spielt ebenso eine Rolle wie die wiederkehrenden Besuche der Lektorin. Auf der Familienebene spielt sich dann auch ein wenig an stillem Humor ab, wenn Tsutomu mit der Schwiegermutter zu tun hat oder auch wenn deren Bestattung ansteht. Er habe ja ein besseres Verhältnis zu der Frau als deren Sohn, da wäre es doch gut, wenn die Bestattung bei Ihm begangen würde.

„Das Zen Tagebuch“ ist ein komplett unaufgeregter Film, dessen Thema weit über das Essen und Kochen hinausgeht und der sich auf nachdenkliche Weise mit dem Leben an sich beschäftigt und dies vor allem über die Begegnungen tut. Auch wenn dem Protagonisten mal etwas entgeht, so verliert er die Gelassenheit nicht. Selbst wenn die Gesundheit leidet und die Asche der geliebten Frau noch immer über dem Kamin steht.

„Das Zen –Tagebuch“ handelt nur vordergründig vom Essen. Vielmehr entwickelt die tagebuchartige Geschichte erst im Verlauf so etwas wie erzählerische Dynamik. Das Publikum findet sich stattdessen in einer aktiven Zazen-Übung wieder, bei der das Sitzfleisch schon mal strapaziert wird. Der Gang ins Lichtspielhaus des Vertrauens sollte bewusst angetreten werden.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Das Zen-Tagebuch
OT: Tsuchi o kurau jûnika getsu
Genre: Drama
Länge: 111 Minuten, J, 2022
Regie: Yuji Nakae
Vorlage: Erzählung von Misukami Tsutomu („Tschui wo Kurau Hibi – 12 Monate von der Erde essen“)
Darsteller:innen: Kenji Sawada, Takao Matsuo
FSK: ab 0 Jahren, ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Film Kino Text
Kinostart: 321.08.2023

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