Shrink: Hollywood am Rande des Nervenzusammenbruchs

Kevin Spacey hat gerade in London den Prozess wegen diverser Übergriffe gewonnen und ist von allen Anklagepunkten freigesprochen worden. Eher weniger mitbekommen habe ich, dass er vor Monaten bereits in den USA von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde. Die Frage bleibt: Was sagt uns das, nachdem Spacey sogar aus einem Ridley Scott Film herausgeschnitten würde und über Nacht arbeitslos und zur Unperson wurde? Daher aus dem Archiv ein eher wenig bekanntes Drama mit Kevin Spacey als Psychiater: „Shrink“ von 2009.

Seinerzeit erschien „Shrink“ als Home-Entertainmentpremiere und zeitgleich therapierte Gabriel Byrne im deutschen TV im amerikanischen Remake der israelischen Serie „In Treatment“ (Deutsch: in Behandlung) als Seelenklempner. So eine überzeugende Rolle hatte ich beim vielbeschäftigten Spacey seit „Beyond the Sea“ nicht mehr gesehen.

Henry Carter (Kevin Spacey) ist der bekannteste Psychiater Hollywoods, ein gefeierter Bestseller-Autor und selbst am Rande des Nervenzusammenbruchs. Seit dem Tod seine Frau, wird der Therapeut der Schönen und Reichen zu einem Dauerkiffer. Doch Doktor Carter hat sich nicht etwa eine Auszeit genommen, sondern behandelt weiter seine Patienten – mit sehr gemischtem Erfolg.

Der Seelenklempner mit Knacks

Unter den Patienten sind so illustre Gestalten wie der paranoide Filmproduzent Patrick (Dallas Roberts), die Schauspielerin Kate Amberson (Saffron Burrows), der erfolglose Drehbuchautor Jeremy (Marc Webber) der auch noch das Patenkind von Henrys Frau ist, und der Hollywoodstar Shamus (Jack Houston).

Als Henrys Freunde sich aus Sorge bemühen, ihn zu einer Therapie zu überreden, bricht Henry mit allen und offenbart, dass seine Frau Selbstmord begangen hat. Darauf bittet ihn sein Vater, der selbst Therapeut ist, eine seiner Patientinnen zu übernehmen.

So taucht eines Tages die schwarze Schülerin Jemma (Keke Palmer) in Henrys Praxis auf. Seit ihre Mutter auch den Freitod wählte ist sie apathisch und desinteressiert. Doch so nach und nach gewöhnen sich Jemma und Henry aneinander und können sich gegenseitig helfen.

Kevin Spacey als ausgebrannter Dauerkiffer, der zu seinem Dealer eine ausgesprochen freundschaftliche Beziehung hat, ist allein schon sehenswert. Um ihn herum entwickelt sich ein Beziehungsgeflecht, das die Abgründe der Filmbranche ebenso bitterböse auslotet wie mit erstaunlich originellen Charakteren überzeugt. Die überzeugende Besetzung tut ein Übriges um dem intelligenten Drehbuch Leben einzuhauchen.

Hollywood Vampires

Die gelungene Regiearbeit von Jonathan Pate, der bisher vor allem für TV-Serie gedreht hat, setzt das Script von Thomas Moffatt überzeugend und intensiv, aber ohne Übertreibung um und gibt so den Charakteren Raum und Gelegenheit sich zu entfalten. Erstaunlich an dem Figuren-Ensemble ist, dass wirklich jede Persönlichkeit eine Entwicklung durchmacht und am Ende anders dasteht als zu Beginn. Das ist äußerst selten und gekonnt gemacht.

Natürlich steht Kevin Spacey als unumstrittener Star des Films im Mittelpunkt des Geschehens, doch er ist Profi und Bühnenmann genug, um den anderen nicht die Schau zu stehlen. Und die junge Keke Palmer gibt einen erstaunlich reifen und tiefgründigen Gegenpart zu Spacey. Leicht verdaulich ist „Shrink – Nur nicht die Nerven verlieren“ nicht gerade, aber der – zum Teil sarkastische – Witz lockert die Tragödie zur Genüge auf und am Ende ist Hoffnung in Sicht.

„Shrink“ ist ein sehr gelungenes Drama um Verlustbewältigung, das auf originelle Weise mit einer Satire auf das Showbiz verknüpft ist.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Shrink – Nur nicht die Nerven verlieren
OT: Shrink
Genre: Drama
Länge: 100 Minuten, USA, 2009
Regie: Jonas Pate
Darsteller:innen: Kevin Spacey, Mark Webber, Jack Houston, Keke Palmer
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Leonine
Kinostart: nicht in Deutschland
DVD-VÖ: 12.03.2021