Asteroid City: Die Müdigkeit nach dem Einschlag

Upps, he did it again: Filmmacher Wes Anderson hat einen neuen Film gedreht. Nach „The French Dispatch“ ist auch „Android City“ ein Ensemblefilm, bei dem das Publikum hochkonzentriert sein muss, um alle Kurz- und Kürzestauftritte überhaupt zu registrieren. Das hat wie jedes Mal bei Wes Anderson durchaus Charme, zeigt aber auch Ermüdungserscheinungen. Sozusagen Fatigue nach der Quarantäne. Zu bestaunen ab dem 15. Juni 2023 im Kino.

Ein Freight Train ist ein Güterzug – und ein klassischer amerikanischer Folk-Song. Komponiert von der seinerzeit 12-jährigen Elizabeth Cotton. Einer Afroamerikanerin, die sich das Musizieren und Gitarre Spielen selbst beigebracht hat. Die allerdings erst nachdem sie 25 Jahre lang nicht mehr spielte als große amerikanische Musikerin (wieder)entdeckt wurde, als sie Hausangestellte bei den Seegers war.

Die Frage, die sich im Liedtext der Chas. McDevitt Skiffle Group Version (1957) im „Asteroid City“ stellt, ist jene nach der Ankunft des Liebsten, der auf der Flucht ist, weil ihm der Galgen droht. Warten ist also eines der Motive im Lied und im Film. Aber auch die Bewegung. Immer wieder flitzt die polizeiliche Verfolgungsjagd durch Asteroid City wie durch eine Filmkulisse mitten in der Wüste. Vieles ist hier noch nicht fertig gestellt, aber der Hotel-Manager (Steve Carell) verkauft im Automaten neben Snacks auch Handtuch große Grundstücke der prosperierenden Gemeinde.

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Was die seltsam zusammengewürfelte Truppe hierher verschlagen hat, ist ohnehin schwer zu verstehen, aber der Wissenschaftswettbewerb für die Jugend anlässlich des Asteroiden-Tags ist ein Kristallisationspunkt der Handlung. Hierher hat die Filmdiva Midge Campbell (Scarlett Johanssen) mit ihrer Tochter als Teil der Jury ebenso den Weg gefunden wie eine Country-Band, die zum „Namenstag“ der Wüstenstadt aufspielen soll.

Eher gestrandet wirkt der Kriegsreporter Auggie Steenbeck (Jason Schwartzman), der seine Kinder zu ihrem Großvater (Tom Hanks) bringen will. Anlass dafür ist der Tod der geliebten Frau und Mutter, der bereits ein paar Wochen zurückliegt, ohne dass Auggie es seinen Kinder hätte sagen können. Ausgerechnet in Asteroid City macht das Auto schlapp.

Dabei ist all die Handlung nur ein Theaterstück, das von Autor Conrad Earp (Edward Norton) geschrieben und dem Filmpublikum von einen Conferencier (Bryan Cranston) präsentiert wird. Inklusive der Blicke in Entstehung, auf Besetzung und hinter die Kulissen. Und hätte das Alien nicht den Asteroiden geklaut, ausgerechnet am Jubiläumstag, die Regierung hätte keine militärisch bewachte Quarantäne verordnen müssen…

Soviel also dazu. Bei Wes Anderson sind immer viele sehr namhafte Darsteller zu sehen und solche, die der Regisseur offensichtlich mag und gerne besetzt. Jason Schwartzman („the French Dispatch“) etwa dürfte die Liste anführen, hat er seine Karriere doch mit „Rushmore“ begonnen und war in mehr als der Hälfte aller Wes Anderson Filme zu sehen (oder zu hören). Und dennoch kommt „Asteroid City“ häufig nicht aus dem Quark, bleibt in der Attitüde stecken, oder in verquasteten Dialogen, die irgendwo im Niemandsland zwischen Dadaismus und Grobis Sesamstraßen-Slapstick vertrocknen.

„Ihr seid nicht hier.“ „Wir sind nicht da.“

Das Ganze findet statt in einem Setting, das doch stark bei Thornton Wilders „Unsere kleine Stadt“ Inspiration gefunden hat, und das sich in der Fünfziger Jahre Retro-Optik von Jack Arnolds Katastrophen- und Science-Fiction-Filmen gemütlich eingerichtet hat. Bitte nicht falsch verstehen: Matt Damon als Automonteur ist hinreißend, die Wissenschaftskids durchgeknallter als die Pfadfinder in „Moonrise Kingdom“ und die Fenster-Dialoge zwischen Auggie und Midge haben oft Charme und Witz.

Allein, es wirkt alles noch ausgestellter, manierierter als üblich bei Wes Anderson und es nutzt sich schneller ab, da der Handlungsrahmen so mehrbödig konzipiert wird. Und dann wären da tatsächlich noch die Fragen, warum ein Filmmacher aktuell Atombomben in der Wüste explodieren lässt, oder nach der weltweiten Covid-19-Pandemie eine Truppe von Leuten an einem Ort einpfercht? Die Verweise auf die Realität sind zu offensichtlich, um als bloße abstrakt-künstlerische Kniffe durchzugehen. Schließlich will gute Science-Fiction auch immer die Realität reflektieren. Selbst, wenn das nicht immer ohne Auszeiten gelingt. Oder aber, um den Film zu zitieren: „Du kannst nicht aufwachen, ohne eingeschlafen zu sein.“

Bislang haben sich Wes Andersons Filme nicht unbedingt dadurch ausgezeichnet, dass sie aktuelles Weltgeschehen kommentieren. „Asteroid City“ ließe sich mit seiner Quarantäne und den Atom-Explosionen durchaus dahingehend interpretieren. Aber das müssen Zuschauer: innen schon für sich selbst entscheiden. Mir fielen die zu häufig gebrochenen und gespiegelten Handlungsebenen bisweilen schon auf die Nerven. Viele tolle Ideen machen ebenso wenig einen herausragenden Film wie etliche Stars, die kurz in die Kamera schnuppern.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Asteroid City
OT: Asteroid City
Genre: Komödie
Länge: 104 Minuten, USA, 2023
Regie: wes Anderson
Darsteller:innen: Scarlett Johanssen, Bryan Cranston, Jason Schwartzman
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Universal International Pictures,
Kinostart: 15.06.2023