Anger Mgmt. – Anger is Energy: Album Review

Die drei Herren von der Geschäftsführung legen ihren ersten Jahresbericht vor. Und die Prognosen sind zuversichtlich, der Markt freundlich. Zur Wertanlage in Musik kann nur angeraten werden. „Anger Mgmt.“ legen auf Noisolution ihr Debütalbum „Anger is Energy“ vor und da sind einige mutige Entscheidungen eingeflossen. Vor allem aber reißt das Album mit wie ein Taurin überdosierter Softdrink. Neu ab 02.06,.2023.

Möglicherweise ist Schweiz heutzutage immer noch ein Standortnachteil, aber ebenso wie aus Norwegen immer wieder großartige Retrorockbands kommen, scheint in der Alpenrepublik das Post-Punkige in den letzten Jahren auf fruchtbaren Boden gestoßen. Wie ich meiner Fanzine-Lektüre neulich unaktuell entnahm, hat es in der Schweiz durchaus eine überschaubare aber feine Punk-Szene gegeben.

Das war gestern, jetzt ist heute und da sind Anger Mgmt. mit ihrem Debütalbum „Anger is Energy“ am Start. Musikalisch erkenne ich da durchaus Parallelen zu „The Shattered Mind Machine“ die bei brutstatt.de im Herbst 2021 vorgestellt wurden.

Die Schweiz als Nährboden für opulenten Post Punk

Es gibt auf „Anger is Energy“ acht Songs in einer halben Stunde Spielzeit und meistens geht es hochenergetisch zur Sache. Soundmäßig hat sich das Trio as Winterthur dem klassischen Post Punk Sound verschrieben, wie ihn beispielsweise Joy Division und New Model Army seinerzeit unters Volk brachten. Allerdings ist „Anger is Energy“ durchausmoderner, was Sound und Songs angeht.

Es wäre verkürzt die Band nur auf die Angsterkrankung und Depression von Sänger und Frontman Nik Petronjievic zu verkürzen. Zwar leidet der Sänger seit seiner Kindheit unter Angststörungen und ist auch als Aktivist für mentale Gesundheit aktiv, aber hier ist immerhin eine Band am Start und kein Individuum.

Sicherlich passen die Sounds mit ihrem düsteren Wave Ambiente beinahe klassisch in die gruftige Cure Ecke, aber da ist auch viel Aggression und Unrast im Spiel, die durchaus eine andere, punkige Wucht an den Tag legen. Spannend wird es tatsächlich in der Kombination der musikalischen Elemente und der Texte, die sich durchaus gesellschaftlich positionieren und offensiv losrocken.

Bevor es gleich an die durchgezappte Playlist geht, noch ein paar Gedanken zu Bandhistory und Bandnamen. Zwar ist das Trio aus Nik Petronijevic, Daniele Brumana und Simon Hirtzel erst seit 2022 als Band zusammen, aber Erfahrung haben die Drei bereits in anderen Bands gesammelt. Kein Wunder also, wenn der Sound definiert ist und die Produktion auf den Punkt.

„i don’t get it“

Anger Mgmt.: Es gibt einen Film und eine TV-Serie dieses Namens, die sich humorvoll auf das therapeutische Umgehen mit Wutausbrüchen spezialisiert hat. In der Psychotherapie ist das im englischen Sprachgebrauch durchaus ein Fachbegriff. Aber diese Abkürzung des Wortes Management zu mgmt ist totaler Business-Sprech, in dem immer alles asap fertig sein muss. Selbstredend gibt’s auch noch eine erfolgreiche Indie-Band namens mgmt. Management nun wieder betont den wirtschaftlichen Aspekt einer zielgerichteten menschlichen Handlung. Wäre ich nun ein Wortklauber, ich würde zumindest Doppeldeutigkeit erkennen, wahlweise aber auch Widerspruch.

Wer nun meint „ich raffs nicht, was der Schreiberling da verzapft“, ist mittendrin im Album „Anger is Energy“. Song Nummer 2 ist „I don’t get It“ betitelt brettert von der Gitarre getrieben mächtig nach vorne. Dabei sind die Vocals immer melodisch, bisweilen durch Backing Vox gedoppelt und kommen zum Refrain hin schon zum Mitgröhlen wuchtig. Das hat Partypotential.

Anders der Opener, der wuchtig vorlegt und eine:n morgens um 2 aus dem Schlaf reißt, weil diese Bauchgefühl wieder nicht hinhaut „Pit of my Stomach“. Musikalisch ist hier alles drin, was Anger Mgmt. In der kommenden halben Stunde anzubieten haben.

„Sabotage“ beginnt mit einem Bass und kommt zunächst etwas ruhiger, gediegener und pseudo-romantisch rüber. Aber New Romantic ist nach halbem Song auch vorbei und dann setzt wieder die Wuttherapie ein Und, wer hätte das gedacht, beim nächsten Song, dürfen die Drums den Auftakt intonieren. „Don’t Blame it on Me“ ist gefälliges Midtempo und geht dann wuchtig und brachial dem Ende entgegen.

Die zweite Albumhälfte respektive Vinylseite mit „The Other Side“ zu beginnen, ist nur lustig, wenn Zuhörer:innen auf musikalische Kalauer stehen. Erst geht es hier zu und sehr groovy. Ich mag diesen satten Schlagzeug Sound, da kann dann kommen, was will. Weiter geht’s mit „Rotting Time“. Ein Song, der Wucht hat und kraftvoll zubeißen kann. Allerdings bleibt mir das Ding nicht so im Ohr kleben wie der Rest des Albums.

Hamburger Schulausflug nach Winterthur

„Those Days“ fangt dann an wie eine Powerballade just aus dem „Fury in the Slaughterhouse“-Repertoire. Das ist keineswegs Despektierlich gemeint, hat aber eine gewisse Stadiontauglichkeit. Auch wenn es dann in rockigere Gefilde kulmuliert. Satte Nummer das. Tatsächlich hatte ich auch irgendwann zuvor schon die postmodernen Soundassoziationen zur Hamburger Schule irgendwo zwischen Die Sterne und Tocotronic. Aber das Namedropping in Reviews ist ja nicht immer hilfreich und ohnehin total subjektiv.

Anger is a gift, sangen schließlich schon „Rage against the Machine“ mit denen Anger Mgmt. Nur den Furor gegen das System gemein haben, musikalisch aber wenig Schnittmenge. „Anger is Energy“ schließt das Album als Titelsong ab und holt noch einmal die musikalische Keule raus. Hochenergetischer Abschluss einer feinen Platte.

Erstaunlich an „Anger is Energy“ ist, dass die Band sich entschieden hat ihre beiden frühen Singles, die auch als Video ungesetzt wurden, nicht noch aus das Album zu packen. „This is it“ und „Fake Manhood“ hätten gut draufgepasst. Das ist nur eine Feststellung. Und zeigt auch nicht notwendig an, dass das Album als Kunstform auf dem absteigenden Ast ist. Ich schweife schon wieder ab. Text ist zu lang. Wütend deshalb? Ich empfehle Anger Mgmt.

„Die Marketingbotschaft dieses Tonträgers betont den belebenden Effekt“ um hier mal einen Wikipedia-Eintrag zu Energy-Drinks zu missbrauchen. Der Rezensent hat den Selbsttest überstanden und den Wackeldackel-Nachhall endlich auch abgelegt. „Anger Mgmt“ rocken das Haus, haben was zu erzählen und sollten zur gemeinsamen Wuttherapie unbedingt herangezogen werden. Klasse Album mit großartigen Songs und feister Produktion. Der Begriff „Debütralbum“ kommt mir da nicht in den Sinn. Hoffentlich bleibt uns das Trio lange erhalten.

Album-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Anger Mgmt: Anger is Energy
Genre: Post Punk, Dark Wave, Alternative Rock
Länge: 30:30 Minuten (8 Songs), CH, 2023
Interpret: Anger Mgmt.
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
Format: digital, CD, Vinyl
VÖ: 02.06.2023

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