Aus dem Archiv in den #Seriapril: „Xanadu“ von 2011. Gleich vorab: Die Serie hat nichts mit dem gleichnamigen Musicalfilm zu tun. Eine TV-Serie über einen Familienbetrieb in der Pornobranche zu drehen, scheint zunächst mal eine gewagte Idee zu sein. Die auf dem Cover zitierten Vergleiche mit dem „Sopranos“ und „Sex and the City“ lassen die Erwartungen an die französische Serie hochschnellen. „Xanadu“, eine Eigenproduktion des Senders Arte erscheint nun auf DVD und Blu-ray.
Die Pornomarke „Xanadu“ ist – besser war – die Erfolgsgeschichte des Branchenstars Elise Jazz (Gaia Bermani Amaral). Ihr Ehemann Alex Valadin (Jean-Baptiste Malartre) führt Xanadu noch immer als Familienbetrieb. Doch die Zeiten sind schlecht für „niveauvolle“ Pornos. Dennoch weigert sich Alex das Geschäft an seinen ältesten Sohn Laurent (Julien Boisselier) zu übergeben, wie es eigentlich seit längerem angekündigt war. Gleichzeitig sperrt sich der Patriarch gegen jede Neuerung, um das Unternehmen zu retten, und gefällt sich als Bewahrer des Andenkens seiner Frau.
Als dann die verstoßene Tochter Sarah (Nathalie Blanc) mit ihrer Tochter aus Kanada zurückkehrt, eigentlich, um Laurent bei der Führung von Xanadu zu helfen, werden alte Brüche in der Familie sichtbar. Der jüngere Brüder Lapo (Swann Arlau) ist als Regisseur ebenfalls in der Pornobranche, aber er gefällt sich als verkannter Künstler.
Schlüpfriges Familienunternehmen
Bei der Vernissage einer Ausstellung über Elise taucht dann völlig unerwartet ein Amokläufer auf, ballert in die Menge, verletzt Laurant so, dass er ins Koma fällt und schießt sich selbst in den Kopf. Die Familie muss nun nicht nur mit dem Trauma der für tot erklärten Mutter, sondern auch mit einer aktuellen Tragödie fertig werden. Außerdem verschieben sich die Machtverhältnisse innerhalb des Familienunternehmens.
In elegischen Bildern und mit getragener Tiefgründigkeit entwickelt Serien-Autor Séverine Boschemme das Drama einer zerrütteten Familie, in der der wirtschaftliche Erfolg des Pornolabels ebenso bestimmend ist, wie das Idealbild der toten Mutter. Alle Familienmitglieder, auch die Enkel, haben ihre Probleme zu bewältigen und der Erwerbszweig der Familie macht es nicht eben leichter damit umzugehen.
Eine Serie, auch wenn sie „nur“ über acht Episoden geht, braucht etwas Raum, um die Handlung zu entfalten, die Charaktere einzuführen und die Verwerfungen dramaturgisch in Szene zu setzen. Doch „Xanadu“ bleibt hinter den hohen Erwartungen zurück und das Milieu der sich verändernden Pornoindustrie kommt letztlich auch nicht authentischer rüber als texanische Ölmagnate. Boschemme verzichtet in seiner Serie auf alles Reißerische und jedweden schnelle Pointe, stattdessen setzt der Autor auf intensiv ausgearbeitete Charaktere und das menschliche Drama innerhalb der Familie.
Schnörkelloses Familiendrama
Das liegt ganz in der französischen Erzähltradition und kommt ohne jeden Humor aus, stattdessen wirken einige Passagen und Konflike überdramatisiert und die Laurents Traumsequenz zu Beginn der zweiten Folge ist ebenso ernst gemeint, wie das Telefonat des Vaters am Krankenbett seines Sohnes, in dem es um die filmische Abfolge von Doppelpenetration, Analverkehr und Gruppensex geht.
Dem nicht pornokundigen Zuschauer, der sich nicht über einen schlaff und nebensächlich in die Kamera gehaltene Penis erregen kann, weil eben das den Wagemut der Serie zeigt, wird irgendwie nicht klar, wo denn der Unterschied zwischen der Xanadu-Art der Pornographie und dem abzulehnenden „Gonzo“-Porno liegen soll, der, laut Wikipedia, schlicht auf die Handlung verzichtet. Warum weigert sich der alte Mann einfach Hardcore-Sexszenen aneinander zu reihen? Glaubt er tatsächlich mit seinen Pornos Kunst kreiert zu haben?
Andererseits vermittelt die Serie ganz eindeutig, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den menschlichen Problemen und den psychischen Störungen der Protagonisten und dem menschenverachtenden Gewerbe herzustellen ist. Das wirkt als Erklärungsmuster ebenso häufig eindimensional wie bigott.
Letztlich geht es in der Serie nicht um die Pornographie-Branche, sondern um eine dysfunktionale Familie und das Aufarbeiten des kollektiven Traumas. Da könnten die Valadines ebenso gut Kartoffeln verkaufen. Wie es auch der Sohn eines möglichen Geschäftspartners machen würde, sofern der Profit stimmt. Nach einer Staffel war das Thema dann auch auserzählt.
Die französische Serie „Xanadu“ ist ein Familiendrama, das zwar in der Pornobrache angesiedelt ist, daraus aber kein Kapital schlägt. Stattdessen bietet „Xanadu“ ein tiefgründiges, bisweilen überdramatisiertes Portrait einer kaputten Familie in französischer Erzähltradition.
Serien-Wertung: (5 / 10)
Xanadu
OT: Xanadu
Genre: TV-serie, Drama, Thriller,
Länge: ca 440 Minuten (8 x ca 52)
Idee: Yves Ramonet
Darsteller:innen: Jean-Baptiste Malartre, Swann Arlau, Gaia Bermani Amaral
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: tiberius Film
DVD- & BD-VÖ: 08.03.2012