Einstein – Die Graphic Novel: Ein Leben voller Wissenschaft und Musik

Der in Deutschland geborene Wissenschaftler Albert Einstein gilt als einer der bedeutendsten Physiker der Geschichte. Nun hat der amerikanische Autor Jim Ottavani zusammen mit dem Zeichner Jerel Dye eine Graphic Novel über den Physiker geschrieben. Ottavani selbst versteht den Comic eher als Geschichte über Einstein denn als strenge Biografie. „Einstein – Die Graphic Novel“ ist im Dezember 2022 bei Panini Comics erscheinen.

Da treffen sich zwei der wohl bekanntesten Männer jener Zeit um gemeinsam ins Kino zu gehen. Der eine ist verwundert, dass man ihm zujubelt. Worauf der andere erklärt, das geschähe, weil ihn niemand verstünde. Bei ihm selbst hingegen würde zugejubelt, weil ihn alle verstehen.

Es mag ein wenig überspitzt sein wie Charlie Chaplin seinem Gast Albert Einstein bei der Premiere von „Lichter der Großstadt“ im Jahr 1931 das Wesen der Popularität näherbringt, doch als Auftakt für eine Biografie, ist dieser Zeitpunkt im späteren Leben von Einstein klug gewählt. Bald soll sich der Physiker und Nobelpreisträger ganz von seiner deutschen Heimat abwenden und in den USA bleiben. Mit der Machtergreifung der Nazis gibt Einstein seinen Pass zurück.

„Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.“ (A. Einstein)

Doch die Geschichte der Graphic Novel entwickelt sich als Rückschau, die fast klassisch mit der Kindheit und Jugend beginnt und dann wesentliche Stationen, Begegnungen, persönliche Entwicklungen und wissenschaftliche Arbeiten abarbeitet. Das geschieht nicht immer streng chronologisch, aber soviel dichterische Freiheit lässt ein bewegtes Leben schon zu.

Es bleibt auch nicht aus, dass der Autor, der die bekannten biografischen Fakten sorgfältig recherchiert hat und kenntnisreich einfließen lässt, nicht allen Weggefährten und vor allem Frauen in Einsteins Leben gerecht werden kann. Dazu ist der Fokus zu sehr auf den Wissenschaftler selbst gerichtet. Aber wer kann schon den Einfluss des Gedankenaustausches innerhalb einer Lebensgemeinschaft tatsächlich ermessen? Selbst wenn sich die Partner im Studium kennenlernen.

Spannend sind auch die Ausflüge ins Imaginäre, wenn Einstein von seinem späteren Freund Nils Bohr, ebenfalls theoretischer Physiker, in eine Reihe mit anderen Wissenschaftlern gestellt wird und sich daraus eine direkte Begegnung Einsteins mit Isaac Newton ergibt, bei der die beiden die Schwerkraft erläutern.

Doch die Geschichte und die Erzählung sind bei einer Graphic Novel immer nur die eine Seite des Kunstwerks. Das Optische will ebenfalls genauer beäugt werden. Zeichner Jerel Dye hat ein umfangreiches, detailliert ausgearbeitetes Skript erhalten. Doch während der Umsetzung haben Autor und Zeichner immer weiter an der Story gearbeitet. So kommen eben auch die fantastischen Elemente und die Gedankenexperimente prägend zur Geltung und erhöhen den Lesespaß.

Die Seitengestaltung ist wie häufig bei Graphic Novels sehr statisch, und üblicherweise teilen sich sechs Panels eine Seite. Gelegentlich wird das Muster aufgebrochen. Die Farbgebung von Alison Acton ist ebenfalls sehr herkömmlich ausgefallen. Viel Braun- und Sepiatöne bisweilen etwas Grau in den Hintergründen. So ist das für historische Graphic Novels seit längerem eingespielt und etabliert.

„Gott würfelt nicht.“ (A. Einstein)

Diese Optik hilft den ungeübten Comiclesern scheinbar das Medium Bildergeschichte als ernsthafter wahrzunehmen. Es ist bisweilen aber auch ein bisschen fad. Auch und gerade, wenn der Zeichenstil ebenfalls recht mainstream-kompatibel gehalten ist und es vor allem darum geht, die Charaktere nach dem Leben mit Wiedererkennungswert und leicht cartoniger Überspitzung abzubilden. Jarel Dye zeichnet aber durchaus angenehm. Wo im europäischen Comic der Illustrator auch gleich die Kolorierung übernimmt, hat sich in den USA die Dreiteilung etabliert, so dass die Farbgebung ein eigenes Handwerk ist.

Es ist nicht leicht eine beinahe 300 Seiten lange Bildgeschichte konstant packend zu halten. So verwundert es nicht, dass es – gerade in der Mitte der Erzählung – auch einmal uninteressantere Passagen gibt. Eventuell hätte es den Lesefluss verbessert, die Biografie in Abschnitte beziehungsweise Kapitel aufzuteilen. Doch da Ottavani bereits etliche wissenschaftsbiografische Graphic Novels verfasst hat, wird der Verzicht auf Kapitel wohl eine bewusste Entscheidung sein. Vielleicht ist dies als Umsetzung des Einstein’schen Zeitbegriffs zu verstehen.

Iritierend ist ein weiterer Aspekt dieser Graphic Novel. Es gibt keinen Erzähler. Stattdessen beginnen die Menschen in Einsteins Leben sich direkt mit den Leser:innen zu unterhalten. Und sie blicken die Leserschaft auch aus den Seiten heraus an. Das ist ein Stilmittel, das aus TV-Serien geläufig ist, etwa „House of Cards“. Hier jedoch hat es ein wenig gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe. Gelungen finde ich den erzählerischen Kunstgriff nicht sonderlich, aber das ist auch Geschmackssache.

Insgesamt ist die biografische Graphic Novel „Einstein“ sehr gelungen und es gibt genügend populärwissenschaftliche Aspekte und Infos um auch die interessierten Physiker bei der Stange zu halten. Es sollte allerdings deutlich erwähnt werden, dass die Graphic Novel eher das Leben des weltberühmten Wissenschaftlers abbilden will als seine Theorien zu erklären. Das ist lehrreich und unterhaltsam genug. Am Ende gibt es auch noch eine Zeitleiste zu Einsteins Leben.

Wer sich auf bebilderte Art und Weise mit dem Leben und Wirken von Albert Einstein befassen möchte, findet in der Graphic Novel einen lesenswerten Beitrag, der sich von den anderen Biografien über den Phsysiker unterscheidet. Die Entscheidung des Autors, die Figuren direkt mit der Leserschaft sprechen zu lassen, ist gewöhnungsbedürftig. Und eine Unterteilung in Kapitel wäre leichter zu lesen gewesen, hätte aber wohl dem Einsteinschen Verständnis der Zeit widersprochen.

Comic-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Einstein
OT: Einstein, First Second Verlag, 2022
Genre: Comic, Biographie, Zeitgeschichte
Autor: Jim Ottavani
Zeichner: Jerel Dye
Farben: Alison Acton
Übersetzung: Sandra Kentopf
ISBN: 9783741630873
Verlag: Panini Comics, Gebunden, 304 Seiten

Einstein bei Panini comics

Wikipedia-Eintrag Albert Einstein