Ansichten am Donnerstag # 53: Ich brauche meinen Gesundheitsschlaf

Eigentlich ist ja die große Leinwand mein Metier, aber in den letzten Wochen kam ich nicht umhin, mich auch mit TV-Produktionen zu beschäftigen, wahlweise mit Film-Biographien. Und so stellt sich mir gerade (2011) die Frage: Wieviel langweiliger geht’s noch? Haben die Verantwortlichen die vergangenen 20 Jahre Filmgeschichte verschlafen? Oder hat die Inszenierung Methode?

In der großartigen und absolut empfehlenswerten dokumentarischen Filmbiographie „Sing, Inge, sing!“, die gerade in ausgewählten Kinos der Republik läuft, geht es um die deutsche Jazz-Sängerin Inge Brandenburg. Da sagte eine Rundfunkredakteurin doch sinngemäß, dass man leider nicht alles senden könne, was man selbst gut findet. Die Musik werde vom Publikum ja eventuell nicht angenommen, weil sie zu gut ist. (Archivmaterial) Das ist nun auch schon ein paar Dekaden her, aber es scheint mir, dass sich an der Einstellung viele Fernseh- und Rundfunkredakteure nicht grundlegend etwas geändert hat.

Wie sonst ist es zu erklären, dass die Filmbiographien von Udo Jürgens („Der Mann mit dem Fagott“ und Beate Uhse („Beate Uhse“) so derart altbacken und uninteressant daherkommen, dass es einem bei zusehen für die Porträtierten leid tut. So unaufgeregt kann deren Leben gar nicht gewesen sein.

Es liegt nicht an den Schauspieler, die sich redlich mühen, auch nicht an den Geschichten und das gelebte Leben, welches die Vorlage der Filme bietet entzieht sich sowieso jeder Bewertung. Es liegt am mangelnden Wagemut der Inszenierung. Wenn Christian Berkel als Heinrich Bockelmann mit allen Mitteln versucht, sich und seine Familie aus Moskau herauszuschaffen, muss das dramatisch und lebensgefährlich gewesen sein, schade, dass es im Film wirkt, als gäbe es einfach Probleme mit dem Gepäck.

Probleme mit dem Gepäck

Auch Beate Uhse hat ganz sicher dramatischer gegen den „moralischen“ Widerstand des Bürgertums kämpfen müssen, als es die Filmbiographie vermittelt. Stattdessen wird die erfolgreiche Unternehmerin in einem halbhumorigen „Aufklärungskampf“ dargestellt, mit einem Erzähltonfall, der sehr jovial daherkommt.

Aber um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, auch die privaten Sender tun sich mit selbstproduzierten Formaten schwer. Mystery-Abenteuer wie „Treasure Guards“ lassen einen schon verzweifeln. und die Privaten haben auch nur semi-unterhaltsame romantische Komödien im Angebot. Rosamunde Pilcher erwartet Inga Lindström zum Kaffeeklatsch. Der „Tatort“ ist müde.

Handwerkliches Repertoire, Formensprache und Erzähltempo des Filmemachens haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert, nur beim deutschen Fernsehen macht man so weiter, wie das schon immer war.
Da drängt sich die These auf, dass die Sender zur Hauptsendezeit auch angemessene Unterhaltung präsentieren wollen. Will heißen, wer während der Tagesschau eingenickt ist, braucht sich keine Sorgen zu machen, dass er durch plötzliche Spannungsmomente wieder aus dem Schlaf geschreckt wird. Ja, die Sender wollen ihr Publikum um jeden Preis schützen, zumindest zur Hauptsendezeit.

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei Cinetrend.de, 27.10.2011)