The Drover’s Wife – Allein im Outback

Das Leben in früheren Zeiten war durchaus entbehrungsreich und beschwerlich. Das bekommt auch der neuankommende Polizist zu spüren, der auf dem Weg ins australische Outback ist. Bei Molly Johnson werden der Constable und seine Frau mit geladener Flinte begrüßt. Für Fremde hat man hier wenig übrig. Und doch nimmt Leah Purcells großartiger Western aus weiblicher Perspektive einige unerwartete Wendungen. ab 10. November 2022 im Kino.

Sergeant Nate Klintoff (Sam Reid) tritt im Jahr 1873 seine neue Stelle im australischen Hinterland an. In einem Ort in den Snowy Mountains in New South Wales soll er für Ordnung sorgen. Doch bereits bei der Anreise verirren sich der junge Polizist und seine erkrankte Frau Louisa (Jessica De Gouw). Bis sie völlig ausgehungert und geschwächt bei Molly Johnson (Leah Purcell) vor der Tür stehen.

Der neue Polizist bekommt es in Everton gleich mit einem Mord zu tun. Eine Farmersfamilie wurde getötet und ein Aborigine ist flüchtig. Für den Friedensrichter und den Hilfspolizisten ist die Sache eindeutig. Es ist folglich nur eine Frage der Zeit, bis der bestialische Mörder aufgescheucht und hingerichtet ist.

Die schwangere Mutter beschützt ihre Familie mit geladener Flinte, denn ihr Mann ist Viehtreiber und seit Monaten unterwegs. Die Klintoffs bekommen nicht nur Proviant und Rast von Molly, sondern nehmen auch deren Kinder mit in die Siedlung, damit Molly hier draußen ungestört ihr Baby zur Welt bringen kann. Danny, der älteste Sohn, soll mit Vorräten zurückkommen.

Molly Johnson ist her aufgewachsen. Sie weiß sich zu helfen.

Zufällig erfährt Sergeant Klintoff von den Viehtreibern, mit denen Mollys Mann normalerweise unterwegs ist, dass sie ihn seit Wochen nicht gesehen haben. Als er den Hilfspolizisten losschickt, um nach Molly zu sehen, spitzen sich die Dinge zu.

Derweil bekommt Molly Gesellschaft von dem Aborigine Yadaka (Rob Collins), gerade als sie niederkommt. Die beiden erkennen, dass sie sich gegenseitig helfen können. Als Danny zurückkehrt, herrscht zwischen den Erwachsenen bereits eine schweigende Duldung, die sich verstärkt, als Yadaka dem Jungen einige Dinge beibringt, die für das Überleben in der Wildnis wichtig sind.

„The Drover‘s Wife“ basiert lose auf der gleichnamigen 1892 erschienenen Kurzgeschichte von Henry Lawson. Darin muss eine auf sich gestellte Mutter ihre Familie vor der bösen Schlange beschützen. Die Regisseurin, Autorin und Künstlerin Leah Purcell hat sich die Story angeeignet und daraus einen Roman gemacht, der ihr als Basis für ein Theaterstück diente. Dieser Bühnenerfolg ist dann zu dem vorliegenden Film geworden.

Das Packende und Relevante an „The Drover’s Wife“ ist die Art und Weise wie sich Leah Purcell die Geschichte zu eigen gemacht hat. Aus der Kurzgeschichte ist ein gleichermaßen feministischer wie indigener Neowestern von enormer Präsenz geworden. Ohne an dieser Stelle allzuviel zu verraten: diese Filmheldin weiß sich zu behaupten und sie nimmt ihr Schicksal in die eigene Hand.

Dabei ist das gesellschaftliche Setting in den 1870er Jahren durchaus wichtig, denn hier in der ehemaligen britischen Strafkolonie Australien herrschen raue Sitten und es gibt wenig Ordnungshüter, um das Gesetzt durchzusetzen. Da regiert oft das Recht des Stärkeren und des Gewaltbereiteren. In dieser martialischen Kolonialgesellschaft ist die indigene Bevölkerung kaum mehr wert als Vieh. Vorurteile und Schuldzuweisungen sind alltäglich und niemand fragt nach Gerechtigkeit, wenn ohnehin alle einig sind, dass der Aborigine der schuldige sein muss.

Dieses Land braucht Gesetz.

Den Frauen ergeht es in dieser Gesellschaft wenig besser. Häusliche und auch sexualisierte Gewalt werden als archaisches Recht des Mannes angesehen und sind innerhalb der Ehe mehr oder minder Privatsache. In „The Drover’s Wife“ bilden die beiden schwachen Gesellschaftsglieder eine Notgemeinschaft, die eine Zeit lang funktioniert.

ine ähnliche Konstellation hatte auch schon Jennifer Kents „The Nightingale“ (2018) verstörend und im Gewand eines Rachethrillers auf die Leinwand gebracht. Von den weiblichen Strapazen und den Folgen des Lebens in der Wildnis erzählt beispielsweise auch der US-Anti-Western „The Homesman“. Doch dies sind karge Ausnahmen in der Wahrnehmung der Geschichte der jeweiligen Landnahme.

Leah Purcell ist selbst Aborigine und mit „The Drover’s Wife“ gibt sie der indigenen Bevölkerung eine eigene Stimme, die sich auf die Vergangenheit ausdehnt und mit Western-Romantik und Kolonialisierung-Mythen aufräumt. Für die gesellschaftliche Aufarbeitung in Australien mag „Leah Purcells Beitrag immens wichtig sein, vor allem aber ist „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“ ein kraftvoller Film der im Genrefilm ein Thema beleuchtet, das immer wieder zu kurz kommt.

„The Drover’s Wife“ zeichnet nicht nur das Bild einer toughen, selbständigen Frau, sondern fragt auch in einer ungerechten Gesellschaft nach Gleichberechtigung und Identität. Das ist ebenso notwendig wie packend und mit hypnotischer Ruhe erzählt.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

The Drovers Wife – Die Legende von Molly Johnson
OT: The Drover’s Wife – The legend of Molly Johnson
Genre: Western, Drama
Länge: 109 Minuten, AUS, 2021, OmU
Regie: Leah Purcell
Darsteller:innen: Leah Purcell, Sam Reid, Rob Collins
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Cinemien
Kinostart: 10.11.2022

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