Den meisten Musikfans außerhalb des Rheinlands wird zu der Kölner Kombo Brings nicht viel einfallen, außer der alljährlichen Karnevalsgaudi. Der dröge Norddeutsche mag das leichthin abtun, aber Brings rocken das Haus seit 30 Jahren mit einer Konstanz und Energie, die in der deutschen Musiklandschaft ihresgleichen sucht. Dafür gebührt der Band schon mal ein Preis fürs Lebenswerk. Aber wer braucht schon Auszeichnungen? Mindjazz Pictures bringt den abendfüllenden Dokumentarfilm „Brings – Nix för lau“ nun für das Home-Entertainment auf den Markt.
Um die Jahrtausendwende stand es eher durchwachsen um die Anfang der neunziger gegründete Kölner Rockband Brings. Sänger Peter Brings hatte zwar seine Rockstareskapaden und damit verbundenen Substanzenmissbrauch hinter sich gelassen. Die inzwischen fünfköpfige Band hat das wohl auch zusammengeschweißt. Doch so richtig vom Fleck kommen die Musiker seinerzeit nicht. Gitarrist Harry Alfter verkaufte eine wertvolle Gitarre, um die Miete zu bezahlen und so richtig lässt sich nicht mehr von der Musik leben.
Doch dann taucht Sänger Peter mit einer mundartlich umgedichteten Version des Mary Hopkin Hits „Those Were The Days“ auf und für die Kölnern Jungs tun sich ganz anderer Möglichkeiten auf. Stefan Brings dazu: „Schwör ich dir: Wenn du damit in‘n Karneval gehst, hauste alles weg!“ Gesagt, getan und die Bandkarriere einfach mal turbobeschleunigt.
„Nä, wat wor dat dann fröher en superjeile Zick
Nu je, ganz so einfach wie der Filmkritiker das hier darstellt, geht das dann auch alles nicht. Die Rocker haben sich zwar bereits länger entschieden, in heimischer Mundart zu singen, weil dich das Englische nicht richtig anfühlte, aber mit Karneval hatten die Rocker nun gar nix am Hut. Außerdem ist die jährlich wiederkehrende Feiersaison, die die Republik in Freunde und Feinde teilt, fest in der Hand etablierter Traditionsvereine. Auch die Barden der fünften Jahreszeit scheinen handverlesen und von Prinzengnade autorisiert. Da musste erst mal einen Fuß in die Tür kriegen.
Hat aber ja geklappt und seither feiern die Brings „Karneval mit auch cooler Musik“ (Carolin Kebekus) und sind in der Karnevals-Hochzeit regelmäßig bei fünf bis sieben Auftritten täglich. Da muss die Kondition auch mitspielen und Show muss sowieso. Einfach Schottenkaro auf die Bühne zu stellen, lang nicht.
Mit Träne in d’r Auge loor ich manchmol zurück
Und dann kommt ein weiteres Bandjubiläum und eine Filmcrew will eigentlich nur ne TV-Doku drehen, die irgendwie aus dem Ruder läuft. Und dann kommt eine Pandemie und auf unbestimmte Zeit liegen alle Aktivitäten der Band auf Eis. Keiner kann absehen wie sich das entwickelt. Die Veranstaltungsbranche und alle Künstler werden von ihrem Lebensunterhalt abgeschnitten und müssen sehen, wie sie über die Runden kommen.
Als hätten sie das den Spruch „Nix för lau“ mit der Muttermilch aufgesogen, sortiert sich die Band, passt sich an, so gut es geht. Wenn schon kein Karneval und keine Gigs, dann doch vielleicht ein Auto-Kino Open Air Konzert? Wenn schon Pandemie dann doch bestimmt einen Punksong und ein Video zur „Quarantäne“! Immerhin klappt‘s mit dem geplanten sinfonischen Album „Alles Tutti“, das die Band mit den Bonner Philharmonikern einspielte und 2021, rechtzeitig zum Filmstart, veröffentlichte.
Bin ich hück op d’r Roll nur noch half su doll
Der Film nun wieder ist auch etwas Besonderes. Brings machen aus der Not eine Tugend. Wen es schon keine Fördergelder für den Kinofilm gibt, kann man ja die Kneipenszene unterstützen, indem die Doku auch dort gezeigt werden kann, darf und soll (Infos zu der Aktion gibt’s auf der Filmseite). Unterschiede zur auch entstandenen TV-Doku für den WDR liegen neben der Länge und Ausführlichkeit, vor allem in dem Verzicht auf einen Off-Kommentar und in einer anderer Schnittfassung. Wieder einmal zeigt sich, dass Beharrlichkeit sich auszahlt, das (musikalische) Qualität sich durchsetzt und dass eine eingeschworene, solidarische Gemeinschaft Einiges stemmen kann. Wenn das Publikum sonst schon nichts aus dem Film mitnimmt, dann doch das.
Die Doku „Brings –Nix för lau“ ist als DVD (mit Bonusmaterial Musikvideos & Making Of) erhältlich und als Mediabook. Das Mediabook beinhaltet DVD & Blu-ray des Films, einen lesenswerten Essay der Filmmacher und Etltiches an Bonusmaterial. Unter anderem die Musikvideos und Making ofs zu den in der Drehzeit entstandenen Liedern. Sowie ein Gagreel und ausführliche Interviews und einen Audiokommentar. zum film Auf der Blu-ray hat das alles Platz, auf der DVD nicht, weshalb das Bonus-Zeug auf einer dritten Disc untergebracht ist. Für mich wäre das Bonusmaterial verzichtbar gewesen, aber für Fans ist das sicher ein Kaufargument.
Doch hück Naach weiß ich nit wo dat enden soll“ („Superjeilezick“, Brings)
Sogar das Kölner Punk-Urgestein Jürgen Zeltinger (Dessen „Doku“ bei brutstatt.de ebenfalls gefeiert wurde) kommt noch zu seinem Gastauftritt. Das schließt sich insofern ein Kölscher Kreis, weil dessen Ramones-Cover-Version „Müngersdorfer Stadion“ immerhin den Sehnsuchtsort der Brings besingt, an dem die Band immer nochmal auftreten wollten. Heißt heute Rheinenergie-Stadion, ist aber die Heimat des FC und auch für Konzerte zu gebrauchen. Aber das können Zuschauer:innen und Fans dann selber sehen, wenn eine der besten Live-Bands der Republik dort abfeiert, wo sie hingehört.
Fanservice wird bei „Brings“ ganz großgeschrieben. Die launige Doku von Andreas Fröhlich und Wilm Huygen fasst sehr sympathisch und bodenständig den Werdegang der Band zusammen. Zwar hat sich die Band um die Brüder Peter und Stephan Brings vor allem als Karneval-Act etabliert, liefert aber in regelmäßigen Abständen sehr erfolgreiche Rock-Alben ab. So eine energiegeladene Show muss man erstmal Jahrzehntelang durchhalten. Die Doku ist genauso bodenständig wie ihre Protagonisten: alles drin, alles dran. „Superjeilezick“ für Fans (und solche die es werden wollen).
Film-Wertung: (7 / 10)
Brings – Nix för Lau
Ot: Brings – Nix för lau
Genre: Doku, Biografie, Musikfilm,
Regie: Andreas Fröhlich, Wilm Huygen
Mitwirkende: Peter Brings, Harry Alfter, Kai Engel, Christian Blüm, Stephan Brings
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Mindjazz Pictures
Kinostart: 11.2021
DVD & Mediabook-VÖ: 20.05.2022
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