Moonage Daydream: Bowie aus dem Archiv

Ohne Zweifel war David Robert Jones, wie David Bowie mit bürgerlichem Namen hieß, einer der großen Visionäre der Popmusik. Im Lauf seiner fast 50 Jahre umspannenden Karriere erfand sich Bowie immer wieder neu. Dass er dabei seinem künstlerischen Credo treu blieb zeigt die außergewöhnliche Musikdoku von Brett Morgan, die am 15. September 2022 in die Kinos kommt. „Moonage Daydream“ weniger Filmbiografie als vielmehr eine visuelle und musikalische Reise in das David Bowie Universum.

Im Jahr 2016 verstarb David Bowie im Alter von 69 Jahren. Weil der Musiker und Künstler bereits seit 1999 eher zurückgezogen lebte und seine Leberkrebserkrankung auch nicht publik machte, kam der Tod Bowies kurz nach seinem Geburtstag und dem Release des Albums „Black Star“ für viele doch überraschend.

Filmmacher Brett Morgan soll bereits 2016 an dem Filmprojekt über Bowie gearbeitet haben. Das Filmprojekt über Jane Godall kam dazwischen. Nun erscheint „Moonage Daydream“ und ist in seiner Form schon ziemlich einzigartig. Abgesehen von Ausschnitten alter Filme, die Morgan ausgewählt hat, besteht „Monage Daydream“ ausschließlich aus Archivmaterial über David Bowie und nur der Künstler selbst kommt zu Wort. Das ist betörend und macht die künstlerische Haltung Bowies mehr als deutlich.

„Ziggy Stardust“

Kein Wunder, dass der wandelbare, immer wieder in andere Bühnen- und Kunstfiguren schlüpfende Bowie als einer der einflussreichsten und auch als sehr erfolgreiche Musiker in die Popgeschichte eingegangen ist. Die stete Suche nach Wandel, nach Neuem hat Bowie zeitlebens angetrieben. Zumindest legt die filmische Reise des Films das nahe.

Morgen kompiliert das Archivmaterial nicht chronologisch, sondern phasenweise und auch thematisch. Zwischen den großen inhaltlichen Blöcken ist immer wieder das bewegte Bild des Mondes montiert. Das gibt dem überbordenden Angebot an Bild und Sound eine gewisse Struktur.

Dabei montiert Morgen durchaus frühe bildermit späten Interviews und umgekehrt. Der Umgang mit der Musik ist ebenfalls erstaunlich. Viele Songs werden mehr oder minder ausgespielt, aber von andere Sequenzen unterbrochen oder mit unterschiedlichen Livebildern unterlegt. Einiges scheint ziemlich sicher aus dem Konzertfilm „Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ (1979) zu stammen. Das Sorgt zumindest anfangs für eine gewisse Orientierung.

Der Mann der vom Himmel fiel

Auch Ausschnitte aus Spielfilmen, in denen David Bowie mitgespielt hat, werden in „M;oonage Daydream“ verarbeite, zumeist, um bestimmte Off-Kommentare zu unterlegen. Das ist zwar eine Interpretation des Regisseurs, aber durchaus legitim. Ebenso wie die verwendeten Sequenzen alter Filmklassiker. Ob „Nosferatu“, Metropolis“ und Mélies „Reise zum Mond“ David Bowie tatsächlich maßgeblich beeinflusst haben, oder „nur“ zur Illustration des Futuristischen ist letztlich unerheblich. „Die Montage in „Moonage Daydream“ ist stimmig.

Schließlich kommt der Künstler und Protagonist selbst ausführlich zu Wort. Anders als Kurt Cobain in Morgans „Montage of Heck“ (2015), der für mich insofern weniger gelungen und etwas problematisch ist, weil eben nur über den selbstgetöteten Cobain geredet wird. Da scheint in der Rückschau einiges weit plausibler als es zu Cobains Lebzeiten wohl tatsächlich war. Aber das nur am Rande.

„Thin White Duke“

Ein Film, ein Porträt ist immer auch eine subjektive Angelegenheit und eine Interpretation des- oder derjenigen, die das Porträt anlegen. Dabei ist Morgans „David Bowie“ derart überzeugend und authentisch geworden, dass sogar die Familie und die Nachlassverwalter Bowies den Film abgesegnet haben. Nun gilt „Moonage Daydream“ zurecht als erster authorisierter Film über David Bowie.

Vor allem ist „Moonage Daydream“ faszinierend und schillernd und lädt auf diese Weise eine ganze junge Generation, die mit dem „frühen“ Bowie, überhaupt nicht bekannt ist, ein, das Chamäleon zu entdecken. Eines der lässigsten Zitate Bowies fällt während eines Interviews, das auf die Sexualität des Künstlers abzielt. Der Moderator fragt den hochhackigen Bowie ob er gerade Damen- oder Herrenschuhe tragen würde. Darauf Bowie: „Das sind Schuh-Schuhe.“ Mehr Zen geht eigentlich nicht. Zeit, Bowie wieder auf den Plattenteller zu legen, oder was die Jugend heute so macht, wenn sie Musik anstellt.

„Moonage Daydream“ ist ein hypnotisches Leinwandspektakel. Viel mehr ein Film mit David Bowie als über den Künstler. Bisweilen schießen die montierten Sequenzen, die nicht direkt mit Bowie und seiner Musik zu tun haben arg ins Kraut und ließen mich ehr rätselnd zurück. Aber in der Überfülle an großartigem Archivmaterial, das in Bild und Ton neu bearbeitet und herausragend zusammengestellt wurde, fällt das kaum ins Gewicht. „Moonage Daydream“ scheint David Bowie mehr als gerecht zu werden. Ein Film wie ein Konzert wie ein Bildersturm.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Moonage Daydream
OT: MoonageDAydream
Genre: Doku, Musikfilm, Biografie,
Länge: 134 Minuten, USA, 2022
Regie: Brett Morgan
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Universal Pictures
Kinostart: 15.09.2022