Asi mit Niwoh – Die Jürgen Zeltinger Geschichte: Von zweifelhaftem Ruf und großer Energie

Als die Zeltinger Band mit ihrem derben „Kölsch-Rock“ Ende der 1970er, Anfang der 80er Jahre quasi den anti-intellektuellen Gegenpol zu BAP bildeten, war Rockmusik in Mundart durchaus massentauglich und keinesfalls ein rein kölnisches Phänomen. Doch irgendwann verpufft der Ruhm und alten Helden werden müde. Dabei war Jürgen Zeltinger, selbsternannter Prolet und Namensgeber der Band, seinerzeit eine Urgewalt. Erstaunlicherweise ist Zeltinger samt Band bis heute fast ohne Unterbrechung als Musiker unterwegs gewesen. Eine filmische Hommage von Oliver Schwabe, die nun in die Kinos kommt.

Wüsste man es nicht besser, weil die Punkattitüde diverser Underground-Hits einem die eigene norddeutsche Jugend beglückt hat, man müsste sich verwundert den Hinterkopf kratzen, wenn die Kamera in dieser Vorort-Siedlung mit Einfamilienhäusern zielsicher auf den Goldfischteich zusteuert. Hits wie „Müngersdorfer Stadion“, das selbst Paul Breitner seinerzeit im öffentlichen TV mitgröhlen durfte, und „Asi mit Niwoh“, das dieser Doku den Titel schenkt und die großartigen Hymne „Sozialamt“. Auftritt: Jürgen Zeltinger beim Fische Füttern.

Wer die Karriere (ja, die gibt es immer noch) des Kölner Rock-Urgesteins nicht konstant verfolgt hat, wird sich wundern, das der extrem beleibte 69-jährige, der heute lieber mit seinem E-Scooter die Gegend unsicher macht, als Saufen zu gehen, überhaupt noch auf der Bühne steht, aber die Zeltinger Band ist nach wie vor am Start und gelegentlich auf Tour. 2017 gab es ein aktuelles Album namens „Krank“ und bei Amazon werden die 2009 erstmals als CDs veröffentlichten ersten Zeltinger-Alben für horrende Sammlerpreise gehandelt.

Warum auch nicht? Rock- und Punkversionen von Volxliedern haben lange und gute Tradition. „Mein Vater war ein Wandersmann“ reiht sich da solide ein zwischen beispielsweise Achim Reichels Seemannslieder und C.I.A.s Version der „Fields of Athenray“. Und wie BAPs Wolfgang Niedereggen in der Doku über Zeltinger so schön anmerkt: „Der ist halt nicht politisch korrekt. Was willst du machen?“

Auch der ehemalige Zeltinger Gitarrist Arno Steffen, der heute vor allem Soundtracks komponiert (gerne mal für „Tatort“-Folgen) weiß, dass Jürgen Zeltinger seinerzeit einfach einen Hang zum Extremen, zum Exzess hatte. Nu je, irgendwie gehört das ja auch zum Rockstar-Klischee dazu und wer mit Motörhead auf Tour gehen darf, muss auch mit Lemmy trinken.

Aber ich merke, ich schwelge in Nostalgie, etwas was die Doku von Regisseur Oliver Schwabe – Gott sei Dank – nicht tut und auch Jürgen Zeltinger lebt nicht in der Vergangenheit. Aber er weiß um den Wert seiner Lebensleistung, weiß die Phase des Erfolgs zu würdigen und macht in seiner offenen und irgendwie großherzigen Art noch immer klare Ansagen. „Sischer, dat mit dem Rücken is sonne Sach und die Beine wolle ooch net mehr. Aber auffer Bühne fühl isch misch lebendisch.“

Filmisch ist „Asi mit Niveau“ sehr unterhaltsam ausgefallen und die aktuellen Interviews und Szenen mit Zeltinger werden immer wieder mit Archivmaterial angefüttert. Das ist qualitativ beileibe nicht hochwertig, obschon es sich dabei zum Teil um alte TV-Ausschnitte handelt, aber irgendwie unterstützt das krisselige der Bilder ja auch die Underground-Attitüde und die Frage bleibt, wer soll das bezahlen, das Archivmaterial auch noch zu konvertieren?

Mit der herausragenden Musik-Doku „Anvil – Die Geschichte einer Freundschaft“ gelang es Filmmacher Sacha Gervasi 2008 die unermüdlichen kanadischen Heavy Metal Urgesteine wieder in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken und ihre Kariere wieder anzukurbeln. Solcherlei Breitenwirkung ist von „Asi mit Niveau“ wohl nicht zu erwarten.

Es wäre schön, wenn einem der Vorreiter des Deutschrock und -Punk und einer legendäre Szene-Ikone ein bisschen später Respekt gezollt würde und vielleicht auch die alten Alben neu aufgelegt würden. Und wie schon Australiens Rocker von Rose Tattoo wussten „Nice Boys don’t play Rock’n’Roll“. Salut, Jürgen!

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

4.0.1

Asi mit Niwoh – die Jürgen Zeltinger Geschichte
OT: Asi mit Niwoh – die Jürgen Zeltinger Geschichte:
Genre: Doku, Musik,
Länge: 94 Minuten, D, 2018
Regie: Oliver Schwabe
Mitwirkende: Jürgen Zeltinger, Zeltinger Band,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Mindjazz Pictures
Kinostart: 07.02.2019

Film-Homepage (mit Kinofinder)

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