Isoscope -Ten Pieces: Album Review

Das freundliche Kreuzberger Label Noisoloution beschert uns eine Berliner Neuentdeckung. Die Band „Isoscope“ legt mit „Ten Pieces“ ein beachtliches Debut-Album hin und vor allem eine musikalische Vielschichtigkeit im Sektor verzerrter gitarrenlastiger Töne an den Tag, dass mensch meinen möchte, das Quartett hätte das Label-Motto „Music for Minorities“ umgesetzt. Der musikalische Ansatz dabei hat etwas, das an die Neue Musik erinnert. Aber dazu später mehr. Isoscope sind gekommen, um zu bleiben.

Ist mir schon klar, dass „here to stay“ eine dusselige Floskel ist, aber wenn eine noch junge Band sich erst 2018 zusammenfindet und just in der Phase, als es eigentlich auch mal auf der Bühne losgehen könnte von einer Virus-Pandemie in den Proberaum oder schlimmer noch zu Videokonferenzen gezwungen wird, kann sich schon mal die Grundsatzfrage auftun: Was soll das Ganze überhaupt?

Umso erfreulicher, dass Isoscope nicht nur in Eigenregie ihr Debut-Album zuende gebastelt haben, das eigentlich schon im August 2021 erscheinen sollte, sofern man den Kollegen von Krachfink.de glauben kann, die seinerzeit eine Review und eine lesenswertes Bandinterview am Start hatten. Dann kommt irgendwann das Label Noisolution ins Spiel und gibt eventuell Anreize noch herumzumodeln und nachzuproduzieren, wenn man die Promo-News den so lesen darf, auf jeden Fall aber gibt es solide und etabliertere Vertriebswege und Möglichkeiten.
Und dann präsentiert sich die Band voraussichtlich auch auf dem bereits einige Male verschobenen Label-Geburtstag von Noisolution. Also den Berliner Gig am (voraussichtlich) 8. und 9. April schon mal in den Terminplaner setzen.

Nun aber zur Band und zur Musik. Laut Interview des Kollegen haben sich die vier Musiker:innen über ‚ne Kleinanzeige gefunden und viele der Songs, die auf „10 Pieces“ zu hören sind, sind nach Bandaussage aus Jams heraus entstanden. Das ist mehr als beachtlich, vor allen auch, weil die Musik durchaus komplex ist und es in einige unterschiedliche Richtungen geht. Ganz nach dem Motto „learning by doing“ und einfach beim Musikzieren merken, was Spaß macht und sich lohnt, weiter auszubauen.

Trotz dieser auf Tonträger gepressten Bandfindungsphase und trotz aller lobenswerter Vielstimmigkeit ist „10 Pieces“ schon ziemlich aus einem Guss und in einem eigenen Bandsound gehalten. Vielleicht mit Ausnahme des „Metametal“, der in Anlehnung an oder als Hommage an King Gizzard & the Lizzard Wizzard entstanden sein soll. Die Nummer mit ihren durchgetakteten Heavy Metal Spielarten sticht soundmäßig schon heraus und wäre vielleicht als B-Seite besser aufgehoben gewesen. Einzig, weil der Rest stimmiger zusammenklingt.

Das Artwork wirkt künstlerisch verfremdet und beinahe abstrakt in den entstandenen Farbläufen. Zusammen mit dem schlichten Titel „Ten Pieces“ könnte es sich auch um einen Versuch in Jazz oder Neuer Musik handeln. Da steckt durchaus Konzept dahinter und ein bisschen Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums und der eigenen künstlerischen Freiheit. Spannend und durchaus absichtsvoll ist auch die Abwechslung beim Lead-Gesang. Alle vier Bandmitglieder singen auch.

Philipp (guitar, vocals), Bonnie (drums, guitar, vocals), Konstantin (guitar, keys, clarinet, drums, vocals) and Merle (bass, vocals) halten sich damit nicht nur variabel, sie kriegen auf diese Art die ganze Klangbreite ihrer genresprengenden Musik ausgelotet. Das mag die Hörerschaft nun zu experimentell oder zu wenig eingängig finden, ich finde es spannend und gelungen. Wenn ich an „Ten pieces“, das sich schon an den punkigen und wavigen Klangwelten der 1980er und 1990er orientiert, einen hörbaren Meta-Einfluss ausmachen müsste, würde ich wohl The Fall nominieren.

Aber das führt nun zu weit und ist auch eher ein Gefühl. Quasi ein Weiterdenken des Isoskops, das in Fernsehapparaten für die Wandlung optischer Bilder in elektrische Signale zuständig ist, sozusagen mittels Apparat synästhetisch Farben in Klänge also in Gefühle wandelt.

Nun zur konkreten Musik: „Ten Pieces“ beginnt mit „In the Absence of a Guide“ und den Titel kann die Hörerschaft auch als Gebrauchsanweisung oder als Manifste der Band verstehen. Es geht hektisch, abgedreht und stakkatohaft zu Sache und die eher geshouteten als gesungenen männlichen Vocals sorgen für einen old school Vibe. Die klirrende Klampfe sorgt für gehörigen Drive. Kurzer, knackiger Opener.

Anschließend kommt „Empty Plaza“ mit sonoriger Schwere getragen daher, entwickelt sich in ein Groove Monster und schwappt dann langsam mit der Ebbe hinaus. Schöne backing Vocals. „The Beach“ schließt sich da quasi an die Gezeiten an und ist mit seinen weiblichen Gesangslinien ein ruhiger melancholischer Fluss. Auch schön. „Suneater“ reizt die Gehörgänge dann mit jazzigen Klängen. Da kommt eine Tröte, sorry, ein Blasinstrument, zum Einsatz. Der vielschichtig übereinandergelegte Gesang sorgt für Dissonanzen in der ansonsten sehr melodischen Nummer. Die Spannungen der Sonnenesser sind hörbar.

Hektisch und klirrend geht es mit „Wired“ weiter. Die Welt am Draht …und was sich hier manifestiert ist dissonant, uptempo und von gesprochenem Gesang geprägt. Vielleicht kommt daher die „The Fall“-Assoziation. Den „Metametal“ finde ich als alter Headbanger zwar charmant, aber wie eingangs erwähnt, die Nummer wirkt für mich wie ein Fremdkörper auf der Scheibe. Ähnlich geht’s am Ende eventuell nochmal, aber „Diamond Cells“ fügt sich besser.

Song Nummer sieben „Starting a Fire“ ist langsam und heavy und hypnotisch und der männliche Gesang nimmt sich sehr zurück und sorgt für eine Betrachtung aus der Ferne. Feine Nummer, die mich ein wenig an die hochgeschätzten „Enablers“ erinnert. „Parts“ ist als Video bereits ausgekoppelt und klopft ziemlich souverän glorreiche Zeiten ab.

„World’s End“ ist eine ziemlich straighte Nummer, die mit den melodiösen weiblichen Gesang schon ein bisschen in Sleater-Kinney Gefilde gleitet. Da kommen auch die Riot Grrls durch und etwas Trotziges. Was ich hochgradig charmant finde und, obgleich kompositorisch vielleicht nicht der stärkste Song auf „Ten Pieces“, ist mir „World’s End“ einer der liebsten. Zum Abschluss gibt es mit „Diamond Cells“ noch eine Hymne mit auf den Weg. Aber Vorsicht, die anfangs Beatles-artigen Gesangsmelodien verlieren im Songverlauf ihre Süße, wenn die Phase zündet und die Mischung aus Hawkwinds „Silver Maschine“ und Plastic Bertrand „Ca Plane pur moi“ über die Rollbahn fegt und langsam abhebt. Schöne Sache, dieser Space Rock Marke Isopscope.

Wieder mal zuviel gelabert. „Music ist eine höhere Form der Kommunikation“, diese Vorstellung ist nur der unzureichende Versuch, Leuten Musik näherzubringen, die sie nicht verpassen sollten. „Isoscope“ aus Berlin legen ein großartiges Album vor, das ein ungeheures musikalisches Potential und eine große Experimentierfreude andeutet. Vor allem aber ist dies ein aufregendet Entwurf für moderne punkrockige Sounds, die wissen wo sie herkommen, aber auch wissen, wo sie hinwollen, denn wo wir jetzt stehen, ist morgen schon gestern.

Album-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Isoscope – Ten Pieces
Genre: Post Punk,
Länge: ca 44 Minuten, D, 2021
Interpret: Isoscope
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
CD-VÖ: 04.03.2022
LP-VÖ: 08.04.2022

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