American Vampire 1976: Hundstage und Jubelfeiern

2010 begann mit „American Vampire“ ein moderner Comic-Klassiker des Horrorgenres. Nach zwei Serien-Läufen und eingen Spin –offs schien die Saga vorbei, doch nun legen Scott Snider und Rafael Albuquerque eine dritte Serie um Skinner Sweet vor: „American Vampire 1976“ ist als Sammelband bei Panini Comics erschienen.

Nicht weniger als „Das letze Gefecht um die Seele Amerikas“ hat DCs Horror-Serie „American Vampire 1976“ im Sinn. Das ist selbstredend eine Anlehnung an Horror-Ikone Stephen King, der in den ersten 5 Ausgaben der 2010 gestarteten ersten „American Vampire“-Serie noch als Autor neben Scott Snider dabei war. Aber das ist ebenso lange her, wie Skinner Sweets Unsterblichkeit als ersten der Amerikanischen Vampirlinie. Wobei genaugenommen die Ureinwohnerin Mimiteh die erste Blutsaugerin in der neuen Welt ist. Aber das würde nun zu weit führen.

Also, womit haben wir es zu tun?, fragen sich die Vampirjäger unter den Comiclesern wie einst Van Helsing in Bram Stokers berühmter Gothic Novel „Dracula“, die die unsterblichen Blutsauger überhaupt erst in die populäre Kultur gebracht hat. „American Vampire 1976“ ist die dritte in sich abgeschlossene comic-Serie um den Vampir Skinner Sweet, geschrieben wie die Vorgänger von Scott Snider und gezeichnet wie immer von Rafael Albuquerque. Mit Ausnahme der kurzen Zwischenspiele in US-Asugabe #7, die von Tula Lotay, Francesco Francavilla, Ricardo López Ortiz illustriert wurden. Für die Farben ist weitestgehend wie gehabt Dave McCraig zuständig.

Der Einstieg in die Story ist vergleichsweise einfach, da einen Scott Snider einfach mitten hineinwirft in das Geschehen wie er das im Prinzip jedes Mal erneut getan hat, wenn Skinner Sweet ein neues Jahrzehnt erlebt. Nun also 1976, ein besonderes Jahr in der amerikanischen Geschichte, denn es ist der 200. Jahrestag der Unabhängigkeit und darum rankten sich auch schon mal – auf völlig andere Weise – die „Die Hard“-Geschichte „Das erste Jahr“ von Comic-Haudegen Howard Chaykin („Black Kiss“). Für die übernatürlichen Wesen und solche, die sie jagen, ist der „Independence Day“ ein kritisches Datum, denn dann soll das Tier auferstehen und die USA endgültig übernehmen.

Doch bis dahin fließt noch viel Blut die Kehlen herunter und Skinner Sweet, der inzwischen höchst sterblich ist und immer wieder lebensmüde Abenteuer sucht, verdingt sich in bester Evel Knievel-Manier als Motorrad-Stuntfahrer. Doch die Show hält nicht lange an, denn Skinner bekommt Besuch von seiner Verflossenen Pearl Jones, die auch den gehassliebten Halbbruder Jim Brown als neuen Partner im Schlepptau hat.

Skinner wird für einen Stunt von einem eisenbahn-Raub gebraucht, denn die Vasallen des Morgensterns brauchen ein Artefakt auf dem der Standort des Rates der Ältesten verzeichnet ist. Denn nur mit deren Hilfe lässt sich die Erscheinung des Tieres eventuell verhindern. Allerdings sind die bösen Horden, namentlich „Die Organisation „Die Zunge“ auch darauf erpicht, dass der finstere Herrscher endlich regiert. Es ist was los in den Amerikas.

Ok, Artwork und Storytelling in „American Vampire 1976“ sind vom Feinsten was das Horrorgenre in dieser Hinsicht hergibt. Snider, Albuquerque und McCaig sind schon eine Dreifaltigkeit, die ihresgleichen sucht. Da fallen sogar schon die an und für sich gelungenen Zwischenspiele ab, die auch ein bisschen den Job haben, die Spannung zu halten, während die Haupt-Illustratoren das Finale vorbereiten. So ein Comic will ja auch gezeichnet werden, das dauert.

Ein bisschen redundant ist die Story auch gelegentlich, aber das gehört zu den Regeln der Serie: immer mal wieder jene Leser:innen abholen, die zwischendurch den Überblick verloren haben, oder zufällig mittendrin einsteigen. Und die Handlung ist definitiv turbulent und opulent. Scott Snider („Batman: Der Schwarze Spiegel“) beschwört in der dritten und finalen (?) „American Vampire“-Serie eine schauerliche Mythologie, die sich als finsterer Weltentwurf sehen lassen kann, auch wenn hier ordentlich gemixt wird, was Gruselliteratur und Folklore so hergeben. Dazu kommt eine Verschwörung bis ins Weiße Haus und ein Präsident Gerald Ford, der tatsächlich für eine Amtszeit als 38. US-Präsident regiert hat.

„American Vampire“ wurde bei Vertigo begonnen, das als Label zu DC Comics gehörte. 2020 wurde Vertigo eingestampft und „American Vampire 1976“ wurde bei DC Black Label veröffentlicht, wo fürderhin die etwas handfesteren und weniger Mainstream-tauglichen Geschichten erscheinen und erschienen. Insofern ist „American Vampire 1976“ nicht für junge Superhelden-Fans zu empfehlen.

Fulminant, überbordend fantastisch und ohne Scheu vor dem ganz großen Wurf führt das kreative Trio Scott Snider, Dave McCaig und Rafael Albuquerque die Saga vom ur-amerikanischen Blutsauger zu neuen Höhen und zu einem actionschweren Spektakel. Dafür gibt es neun von zehn Knutschflecken.

Comic-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

American Vampire 1976
OT: American Vampire 1976 1-10, DC Black Label, 2020-21
Autor: Scott Synder
Zeichner: Rafael Albuquerque et al.
Farben: Dave McCaig et al.
Übersetzung: Bernd Kronsbein
ISBN: 9783741624735
Verlag: Panini Comics, Softcover, 276 Seiten
VÖ: 14.12.2021

American Vampire 1976 bei Panini Comics

American Vampire bei Wikipedia (englisch)