Silvershark – Born to Boogie

Die Zeiten, in denen eine:r behaupten konnte, blasshäutige Kerle seien nicht in der Lage zu springen, sind längst passe. Wahlverwandschaft ist heutzutage eher ausschlaggebend für authentisches Musizieren als die eigene Folklore. Insofern sind „Silvershark“ auf dem Kreuzberger Noisolution Label die legitime nächste Generation dessen, was „Wild Cherry“ seinerzeit aus Steubenville, Ohio, in die Welt gejodelt haben: „Play that funky music (white boy)“.

Wieder was gelernt: Yacht Rock bezeichnet einen Musikstil der amerikanischen Westküste, eine Mischung aus Country, weißem Soul, Jazz und Vokalharmonien, die das kalifornische Lebensgefühl widerspiegeln. Wobei die Bezeichnung erst aufkam, als das „Genre“ den Dancefloor längst verlassen hatte und schon im Bett lag. AOR waberte da als Bezeichnung geläufiger aber ebenso unfassbar herum. In Sachen „Silberhai“ ist der Yacht Rock aber auch nur eine Facette der Glitzerkugel, die auf „Born to Boogie“ zum Rotieren gebracht wird.

Mit Hank Williams „Born to Boogie“ haben Silvershark auch wenig zu tun. Vielmehr gibt es auf dieser Scheibe ein Potpourri partytauglicher Tanzmusik das an die guten alten Zeiten erinnert. Funk, Disco und so(ul) weiter. Definitiv nicht mein Turf wie der wettaffine Pferdeliebhaber zu sagen pflegt, wenngleich der Rezensent klassische „Black Music“ durchaus zu schätzen weiß, sofern der Terminus noch in den aufgeklärten Sprachgebrauch passt.

Der Pressetext des Labels spricht von einer „Schnapsidee“ die zwei Musiker härterer Gangarten zu diesem Projekt vereinte, da man gemeinsame musikalische Fetische entdeckte. Steve Burner und Richard Behrens tummeln sich im selben Haifischbecken und sind sonst mit ihren musikalischen Outfits im „herkömmlichen“ Berliner Noisolution Schwergitarren-Garten unterwegs.

Nicht so bei „Silvershark“. Selbstredend kommen auch diverse musizierenden Kollegen und Labelmates zum Aushelfen, Mitsingen und pandemie-bedingt sozial distanzierten Abfeiern vorbei und helfen, dass „Born to Boogie“ ein höchst unerwartetes und außergewöhnliches Album geworden ist.

„Born to Boogie“ umfasst in einer guten halben Stunde 10 Songs von denen zumindest einer nach Eigenauskunft eine Cover-Version ist. „If you want me to stay“ stammt von Sly and the Family Stone, wurde schon von Etta James und auch den Red Hot Chili Peppers gecovert, aber noch nie so schmonzettensoulig wie bei dem Silberhai. Das zughörige Video zeugt (wie auch alle anderen Silvershark-Videos) von der Fähigkeit zur Selbstironie und dem Spaß daran, sich auch mal grundlos zum Affen zu machen.

Was gibt’s sonst noch zu hören auf „Born to Boogie“? Der Titelsong macht den Auftakt mit einen phatten Funk, zu dem man auch mal die Hüfte wackeln kann, „The Light“ führt die Zuhörerschaft mit smoothem Discogeflirre, Bee Gees Vocals und Flötensolo in selbiges, „Lovetrain“ ist dann treibender härter und Funk wie ihn auch Teile der Antwerpener Szene im alternativen Rock Kontext Mitte der 1990er zelebrierten.

„Lovegiver“ spielt mit dem Boogie an sich und bereitet kaum auf die folgende schmusige Sly –Coverversion vor. Anschließend wird bei „Flames of Your Heart“ in Filmmusiken von Giorgio Moroder gewildert und in „Hittin Hard“ werden ordentlich die Kuhglocken geläutet bis es einem in den Ohren klingelt.

Weiter geht’s mit „Nitetime“ in Aftershow-Gefilde. Die Nummer kommt eher aus der Songwriter- Ecke, könnte auch von Beck Hansen sein. Ist das vielleicht der ominöse Yacht Rock? Mit Akustikgitarre und leicht psychedelischem Einschlag lassen es Silvershark dann in „This World“ langsam ausklingen. Den Abschluss macht „The Fool“, einer epischen Pop-Nummer, die mit Effekten auf dem Gesang daherkommt und einen spacigen Tanzflur andeutet, auf dem Boney M. mit ihrem „Night Flight to Venus“ locker andocken können.

Mission erfüllt. Soviel gute Laune ist einfach ansteckend. Durch einige musikalische Ausflüge ins allzu Discohafte kommen ich wegen jahrzehntelang gehegter Abneigung nur gequält lächelnd durch. Die Aussicht auf den besseren ursprünglicheren Groove und den Boogie fungiert mir da als Rettungsleine. Andere Hörer:innen werde da nostalgischer oder retroaffiner rangehen und einfach abfeiern, ohne dass ihnen die Soundallergien der Jugend einen Strich durch die Rechnung machen. Handwerklich gibt‘s bei „Silvershark“ ohnehin nix zu mäkeln.

Album-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Silvershark – Born To Boogie
Genre: Funk, Disco, Soul
Länge: 34 Minuten, D, 2022
Interpret: Silvershark
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
Album-VÖ: 21.01.2022

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