Ottolenghi und die Versuchungen von Versailles

Yotam Ottolenghi ist einer der angesagtesten Köche des letzten Jahrzehnts. 2018 wurde er von dem New Yorker Metropolitan Museum of Art gebeten ein kulinarisches Event im Rahmen einer Ausstellung über Versailles zu organisieren. Die Doku „Ottolenghi und die Versuchungen von Versailles“ begleitet die Konzepte, Vorbereitungen und Planung des Events. Das ist ausgesprochen kurzweilig und macht Lust auf Dessert.

Eigentlich ist mit der kurzen Einleitung schon alles gesagt, was Zuschauer:innen über den Film wissen müssen. Alles Weitere sollte Staunen und Beobachten sein. Allerdings bedarf Yotam Ottolenghi eventuell noch einer genaueren Vorstellung und über die filmische Ausgestaltung dieser Doku kann ebenfalls kurz nachgedacht werden.

Yotam Ottolenghi betreibt ein London mit einem Geschäftspartner ein ausgesprochen gut gehendes Food-Business mit Geschäften und Restaurants. Der studierte Philosoph, der sich spät zum Koch berufen fühlte, hat auch erfolgreiche TV-Serien moderiert und inzwischen einige außergewöhnliche Kochbücher herausgegeben. Eventuell war es das Erscheinen von „Sweet: Süße Köstlichkeiten“ im Jahr 2017, das die Verantwortlichen in der MET dazu bewog, Ottolenghi mit dem kulinarischen Event zur Versailles-Ausstellung zu beauftragen.

Versailles war Jahrhunderte lang der Sitz der französischen Monarchie und die Schlossanlage ist immer noch ein Aushängeschild französischer Geschichte, das mit viel Pracht und Pomp in Verbindung gebracht wird.

Die Herangehensweise des Meisterkochs für die Ausstellung war, zunächst Mitstreiter zu finden, die im Bereich der Süßspeisen Außergewöhnliches erfinden und kreieren und denen das Motto „Versailles“ zur freien Bearbeitung zu übergeben. Die fünf herausragenden Köche und Food-Künstler haben alle ihre eigene Herangehensweise und ihr eigenes Spezialgebiet. Am Ende muss alles für das kulinarische Event bereit sein.

Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg, der von der Doku nicht immer nachvollziehbar festgehalten wird. Die zeitliche Abfolge bei Auswahl, Planung und Organisation wird der freien Erzählung des charismatischen Ottolenghi geopfert. Dabei tauchen bei Problemen mit der Technik in der MET dann auch mehr oder minder hilfsbereite Menschen auf, die zwar offensichtlich wichtig sind, zuvor filmisch aber nicht eingeführt wurden. Ebenso wie die Kuratorin für die Performance-Kunst sich dezent im Hintergrund hält, ganz so als würde der Koch die Chose alleine regeln. Der Eindruck freilich trügt.

Auch hätte man sich vorstellen können, tiefer in das Schaffen der jeweiligen Patisseure einzusteigen. Der Film ist mit knapp 72 Minuten kurz genug. Auch innerhalb dieser Zeit bleiben viele Aspekte von Handwerk, Ideenfindung und Organisation trotzdem eher schlicht ausgeblendet.

Etwas willkürlich wirkt auch der Schluss des Films, nachdem das Event der Ausstellung erfolgreich bestritten wurde und der Film um ein Fazit bemüht ist. Dabei philosophiert Ottolenghi über den zwangsläufigen Verfall der Hofkultur in dem Prachtschloss während dazu Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen des gesellschaftlichen Wandels und der Dekadenz eingeblendet werden. Mit der Ausstellung hat das ein wenig, mit dem kulinarischen Event kaum etwas zu tun.

Immer wieder wendet sich die Doku kurz auch einigen Süßspeisen im Ottolenghi-Stil zu, die mit der Ausstellung gleichfalls überhaupt nichts zu tun haben, aber des Meisters Passion beleuchten und seine Kompetenz unterstreichen. Das alles ist ausgesprochen kurzweilig, unterhaltsam und auch aus künstlerischer und kulinarischer Sicht herausragend. Allein der Film lässt erhebliches Potential liegen.

Also Ausstellungs-Event oder Performance-Kunst ist die kulinarische Reise nach Versailles ein absoluter Hingucker und es bringt tatsächlich einen neuen Blick Kochen und Backen als Kunst zu verstehen. Filmisch allerdings und gerade dokumentarisch lässt Laura Gabberts Werk einiges zu wünschen übrig. Mit gerade einmal 72 Minuten hat die Doku eigentlich eher überlanges TV-Format, das bisweilen recht unsortiert daherkommt.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Ottolenghi und die Versuchungen von Versailles
OT: Ottolenghi and the Cakes of Versailles
Genre: Doku, Essen, Kunst
Regie: Laura Gabbert
Länge: 72 Minuten, USA, 2020, OmU
Mitwirkende: Yotam Ottolenghi, Dominique Ansel, Ghaya Oliveira, Dinara Kasko, Sam Bompas
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Mfa, Alive
Kinostart: 21.10.2021
DVD-VÖ: 19.11.2021

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Metropolitan Museum of Art

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© 2020 Original Productions / Photo: Nat Knight Frey / Steven Robillard