Seit Mitte September ermittelt der smarte kanadische Detective William Murdoch in TV auf dem ARD-Spartensender „One“ im Toronto des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Warum die beliebte kanadische Krimi-Serie, die im Heimatland bereits in der 15. Staffel angekommen ist, hierzulande nicht früher zu sehen war, bleibt ein Mysterium, ein Murdoch Mysterium. Nun schafft Edel Motion mit der Veröffentlichung der ersten Staffel Abhilfe, sowohl digital als auch auf DVD für das klassische Home-Entertainment, und bietet Freunden historischer Krimis ein neues unterhaltsames Schmankerl.
Der katholische Detective William Murdoch (Yannick Bisson) ermittelt in den Jahren vor der Jahrtausendwende im kanadischen Toronto. Sein Vorgesetzter Inspector Breckenreid (Thomas Craig) findet den Ermittler zwar gelegentlich nervtötend besserwisserisch, weiß aber auch, was er am kriminalistischen Gespür des Detectives hat.
Anders die junge Pathologin Dr. Julia Odgen (Helene Joy), die die Intelligenz und Fortschrittlichkeit des gutaussehenden Detectives durchaus zu schätzen weiß. Auch Murdochs Assistent Constable George Crabtree (Johnny Harris) ist meist begierig etwas von dem Detective zu lernen.
Neugier hat die Katze getötet
Gleich zum Serienauftakt geht es um einen Tod durch eine neumodische Erfindung: die Elektrizität. Die Stadtwerke wollen ihre Versorgung mit Elektrizität von Gleichstrom auf Wechselstrom umstellen. Für viele mehr oder minder Experten ist das auch eine Frage zweier unterschiedlicher Fortschrittsschulen. Gleichstrom wie ihn Thomas Edison erfunden hat gilt als sicher aber wenig leistungsfähig. Wechselstrom wie ihn Nicola Tesla erfunden hat, gilt als effektiv aber lebensgefährlich.
Bei einer öffentlichen Demonstration eben jenes Gefahrenpotentials kommt es zu einem Todesfall. Murdoch, der wissenschaftsbegeistert und neugierig bereits am Tatort ist, wittert sogleich einen Mord und überzeugt seinen Chef, ermitteln zu dürfen. Dabei ist auch der Torontoer Polizeichef von Murdochs Methoden angetan, bis er herausfindet, dass der Detective ein Katholik ist. Murdochs Karrieremöglichkeiten wurden damit sogleich wieder eingedampft.
Soviel also zum Setting und der Kriminalistik in der beliebten kanadischen Krimi-Serie, im anglo-amerikanischen Sprachraum benutzt man für Krimis den Begriff „Mystery“, was hierzulande ja immer gleich dem Fantasytouch mitbekommt, der gar nicht angebracht ist. Vielmehr wandelt der Ermittler gegen Ende des 19. Jahrunderts auf den Spuren des berühmten literarischen Vorbildes Sherlock Holmes, zumindest was Deduktion und moderne Methodik angeht.
Zeitkolorit durch Promis und Fortschritt
Soviel sei verraten: der Erfinder Nicola Tesla aus der Auftaktfolge bleibt nicht der einzige zeitgenössische Prominente. Es gibt royalen Besuch aus „good old England“, da Queen Victoria zu Zeiten der kanadischen Konföderation noch die Herrscherin über diesen Teil des Empires ist. Und auch Arthur Conan Doyle, weltberühmter Schöpfer Sherlock Holmes, taucht in Toronto auf und läuft dem smarten Detektive mehrmals über den Weg. Erstmals ausgerechnet als Sprachrohr des Übersinnlichen.
Doch es geht in den „Murdoch Mysteries“ keineswegs nur hochtechnisch zu. Die Figuren haben durchaus ihr Eigenleben und es kommt zu intensiveren Bindungen als nur beruflichen. Als Serienformat ist „Murdoch Mysteries“ im Grunde streng klassisch aufgebaut. Jede der rund 48minütigen Episoden ist in sich abgeschlossen, die Charaktere geben jeweils nur ein wenig ihrer Persönlichkeit preis und es kommt kaum zu einer Beziehungsdynamik, die sich als tragendes Serienelement herausstellt.
Was keineswegs bedeutet, dass die Figuren oberflächlich bleiben würden. Die Charaktere nach den „Murdoch“-Romanen von Maureen Jenkins, die hierzulande meines Wissens bislang nicht veröffentlicht wurden, erhalten immer wieder persönliche Momente und Hintergründe. So taucht in einer Episode Murdochs Vater als Trunkenbold während eines Hundekampfes auf, gespielt von dem von mir sehr geschätzten Stephen McHatty („Pontypool“, „Virus“), in einer anderen Episode, in der es um einen toten Sportruderer geht, erzählt ein Studienkollege von Dr. Odgen etwas aus dem Nähkästchen.
Bezüglich der Produktion darf das Publikum von einer kanadischen TV-Show, die bereits von 2008 ist, keine Wunderwelten und -effekte erwarten, das ist in einem TV-Budget schlicht nicht machbar. Man merkt dem 4.Revier der Torontoer Polizei und dessen Vorplatz die Studiohaftigkeit an, aber das hat seinen eigenen Charme. Anders als beispielsweise in der zeitlich ähnlich verorteten Thriller-Serie „Ripper Street“, die sicherlich Inspiration aus dem Gespann Detective und Gerichtsmediziner in „Murdoch Mysteries“ gezogen hat, geht es im viktorianischen Toronto nicht verschmutzt und schlammverkrustet zu, sondern vergleichsweise aufgeräumt.
Der Charme nostalgischer Postkarten
Einen ganz eigenen Schauwert schafft sich „Murdoch Mysteries“ mit alten, zeitgenössischen Fotografien von Orten, Häusern und Straßenzügen, die nachkoloriert und in das Setting eingefügt werden. das wirkt zunächst ein wenig befremdlich, entwickelt aber einen eigenen nostalgischen Charme und macht aus der Not des knappen Budget eine fantasievolle Tugend, die zur Authentizität der Kulisse beiträgt.
Inhaltlich sind die dreizehn Fälle der ersten Staffel der „Murdoch Mysteries“ breit gefächert, von Kinderhandel über Schauboxen und Geistererscheinungen ist alles bunt gemischt. Bisweilen nimmt die Serie auch popkulturelle Anleihen auf, wie etwa Chucky die Mörderpuppe oder Akte X, wenn es um vermeintliche Alien-Sichtungen geht. Aber soll jede:r Zuschauer:in selbst erleben. Nach der modernen Torontoer Krimiserie „Private Eyes“ sind die „Murdoch Mysteries“ der nächste sehenswerte Stadtausflug in die kanadische Metropole.
Es fällt definitiv nicht auf, das die erste Staffel der „Murdoch Mysteries“ bei ihrer deutschen Veröffentlichung schon mehr als ein Jahrzehnt auf dem Buckel hat. Es braucht ein paar Folgen bis die Charaktere etabliert sind und Zuschauer:innen sich in das Seriensetting im viktorianischen Toronto fallen lassen können. Dabei ermöglichen die abgeschlossenen Kriminalepisoden jederzeit den Quereinstieg und die prominenten zeitgenössischen Gastauftritte sorgen für humorvolle Kurzweil. Vor allem aber der findige Ermittler Murdoch und die kongeniale Pathologin Odgen sind ein sehenswertes Gespann, dass mit ordentlich Zeitkolorit in Szene gesetzt wird. Gerne mehr davon.
Serien-Wertung: (7 / 10)
Murdoch Mysteries – Staffel 1 – Auf den Spuren mysteriöser Mordfälle
OT: Murdoch Mysteries Season 1
Genre: TV-Serie, Krimi, Mystery,
Länge: ca 650 Minuten (13 x 48 Minuten), CDN, 2008
Serienidee: Cal Coons, Bob Carney, Alexandra Zarowskyn
Vorlage: Murdoch-Roman von Maureen Jennings
Regie: Farhad Mann, Shawn Thompson, Don McBrearty
Darsteller:innen: Yannick Bisson, Thomas Craig, Helene Joy
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion
DVD-VÖ: 01.10.2021